Dich tadeln; Er wird Dir sagen: "daß er nicht "begreifen könne, wie ein so edler und weiser "Mann, als Du seyest, sich einen kleinen Au¬ "genblick auch einmal habe vergessen können; "Er hätte geglaubt, so etwas könne nur gemei¬ "nen Leuten von seinem Schlage begegnen." Er wird an Deinen Schriften Fehler rügen, die Dir gleich beym ersten Anblicke unbedeutend scheinen müssen, und ihm nur dazu dienen, die¬ jenigen Stellen um desto unverschämter zu lo¬ ben, von welchen er weiß, daß Du Dir etwas darauf zu gut thust. "Schade!" wird er ausru¬ fen "daß Ihre Sinfonien -- ich bin kein Schmeich¬ "ler; ich sage meine Meinung immer rund her¬ "aus -- Schade, daß diese herrlichen Sinfonien, "die gewiß in allem Betracht ein classisches "Werk genannt werden können, so äusserst "schwer vorzutragen sind. Wo findet man Mei¬ "ster, die würdig wären, so etwas aufzuführen? "Und doch ist das ein wesentlicher Fehler, den "Sie, verzeyhen Sie meiner Offenherzigkeit! "hätten vermeiden sollen." Er wird Mängel an Dir finden, und mit verstelltem Eifer dage¬ gen declamieren, Schwachheiten und Mängel auf welche Deine Eitelkeit sich etwas einbildet.
Er
Dich tadeln; Er wird Dir ſagen: „daß er nicht „begreifen koͤnne, wie ein ſo edler und weiſer „Mann, als Du ſeyeſt, ſich einen kleinen Au¬ „genblick auch einmal habe vergeſſen koͤnnen; „Er haͤtte geglaubt, ſo etwas koͤnne nur gemei¬ „nen Leuten von ſeinem Schlage begegnen.“ Er wird an Deinen Schriften Fehler ruͤgen, die Dir gleich beym erſten Anblicke unbedeutend ſcheinen muͤſſen, und ihm nur dazu dienen, die¬ jenigen Stellen um deſto unverſchaͤmter zu lo¬ ben, von welchen er weiß, daß Du Dir etwas darauf zu gut thuſt. „Schade!“ wird er ausru¬ fen „daß Ihre Sinfonien — ich bin kein Schmeich¬ „ler; ich ſage meine Meinung immer rund her¬ „aus — Schade, daß dieſe herrlichen Sinfonien, „die gewiß in allem Betracht ein claſſiſches „Werk genannt werden koͤnnen, ſo aͤuſſerſt „ſchwer vorzutragen ſind. Wo findet man Mei¬ „ſter, die wuͤrdig waͤren, ſo etwas aufzufuͤhren? „Und doch iſt das ein weſentlicher Fehler, den „Sie, verzeyhen Sie meiner Offenherzigkeit! „haͤtten vermeiden ſollen.“ Er wird Maͤngel an Dir finden, und mit verſtelltem Eifer dage¬ gen declamieren, Schwachheiten und Maͤngel auf welche Deine Eitelkeit ſich etwas einbildet.
Er
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Dich tadeln; Er wird Dir ſagen: „daß er nicht
„begreifen koͤnne, wie ein ſo edler und weiſer
„Mann, als Du ſeyeſt, ſich einen kleinen Au¬
„genblick auch einmal habe vergeſſen koͤnnen;
„Er haͤtte geglaubt, ſo etwas koͤnne nur gemei¬
„nen Leuten von ſeinem Schlage begegnen.“
Er wird an Deinen Schriften Fehler ruͤgen, die
Dir gleich beym erſten Anblicke unbedeutend
ſcheinen muͤſſen, und ihm nur dazu dienen, die¬
jenigen Stellen um deſto unverſchaͤmter zu lo¬
ben, von welchen er weiß, daß Du Dir etwas
darauf zu gut thuſt. „Schade!“ wird er ausru¬
fen „daß Ihre Sinfonien — ich bin kein Schmeich¬
„ler; ich ſage meine Meinung immer rund her¬
„aus — Schade, daß dieſe herrlichen Sinfonien,
„die gewiß in allem Betracht ein claſſiſches
„Werk genannt werden koͤnnen, ſo aͤuſſerſt
„ſchwer vorzutragen ſind. Wo findet man Mei¬
„ſter, die wuͤrdig waͤren, ſo etwas aufzufuͤhren?
„Und doch iſt das ein weſentlicher Fehler, den
„Sie, verzeyhen Sie meiner Offenherzigkeit!
„haͤtten vermeiden ſollen.“ Er wird Maͤngel
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/258>, abgerufen am 24.11.2024.
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