das unzählige Heer von Thorheiten der Men¬ schen? Und diese Thorheiten treten am lebhafte¬ sten vor unsre Augen, wenn wir uns die Origi¬ nale dazu denken, in welchen sie wohnen. Lachen wir nun über die Narrheit; so ist es fast unver¬ meidlich, auch über den Narren mit zu lachen, und da kann denn dies Lachen sehr ernsthafte, verdrießliche Folgen haben. Wenn ferner unsre Spöttereyen Beyfall finden; so werden wir verleitet, unsern Witz immer feiner zuzuspitzen, und Andre, denen es ausserdem vielleicht an Stoff zu munterer Unterhaltung fehlen würde, schärfen, durch unser Beyspiel verführt, ihre Aufmerksamkeit auf die Mängel ihrer Neben¬ menschen, und was daraus entstehn könne, das ist theils bekannt genug, theils habe ich darüber schon etwas im neunzehnten Abschnitte des er¬ sten Theils gesagt. Ich halte es daher für Pflicht, im Umgange mit sehr satyrischen Leu¬ ten auf seiner Hut zu seyn. Nicht, daß man sich persönlich vor ihrer spitzen Zunge oder Feder fürchten müsste, denn das zeigt würklich den höchsten Grad von innerem Bewusstseyn eige¬ ner Erbärmlichkeit an; sondern daß man nicht durch sie verführt werde, mit zu lästern, daß
man
(Zweiter Th.) R
das unzaͤhlige Heer von Thorheiten der Men¬ ſchen? Und dieſe Thorheiten treten am lebhafte¬ ſten vor unſre Augen, wenn wir uns die Origi¬ nale dazu denken, in welchen ſie wohnen. Lachen wir nun uͤber die Narrheit; ſo iſt es faſt unver¬ meidlich, auch uͤber den Narren mit zu lachen, und da kann denn dies Lachen ſehr ernſthafte, verdrießliche Folgen haben. Wenn ferner unſre Spoͤttereyen Beyfall finden; ſo werden wir verleitet, unſern Witz immer feiner zuzuſpitzen, und Andre, denen es auſſerdem vielleicht an Stoff zu munterer Unterhaltung fehlen wuͤrde, ſchaͤrfen, durch unſer Beyſpiel verfuͤhrt, ihre Aufmerkſamkeit auf die Maͤngel ihrer Neben¬ menſchen, und was daraus entſtehn koͤnne, das iſt theils bekannt genug, theils habe ich daruͤber ſchon etwas im neunzehnten Abſchnitte des er¬ ſten Theils geſagt. Ich halte es daher fuͤr Pflicht, im Umgange mit ſehr ſatyriſchen Leu¬ ten auf ſeiner Hut zu ſeyn. Nicht, daß man ſich perſoͤnlich vor ihrer ſpitzen Zunge oder Feder fuͤrchten muͤſſte, denn das zeigt wuͤrklich den hoͤchſten Grad von innerem Bewuſſtſeyn eige¬ ner Erbaͤrmlichkeit an; ſondern daß man nicht durch ſie verfuͤhrt werde, mit zu laͤſtern, daß
man
(Zweiter Th.) R
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das unzaͤhlige Heer von Thorheiten der Men¬
ſchen? Und dieſe Thorheiten treten am lebhafte¬
ſten vor unſre Augen, wenn wir uns die Origi¬
nale dazu denken, in welchen ſie wohnen. Lachen
wir nun uͤber die Narrheit; ſo iſt es faſt unver¬
meidlich, auch uͤber den Narren mit zu lachen,
und da kann denn dies Lachen ſehr ernſthafte,
verdrießliche Folgen haben. Wenn ferner unſre
Spoͤttereyen Beyfall finden; ſo werden wir
verleitet, unſern Witz immer feiner zuzuſpitzen,
und Andre, denen es auſſerdem vielleicht an
Stoff zu munterer Unterhaltung fehlen wuͤrde,
ſchaͤrfen, durch unſer Beyſpiel verfuͤhrt, ihre
Aufmerkſamkeit auf die Maͤngel ihrer Neben¬
menſchen, und was daraus entſtehn koͤnne, das
iſt theils bekannt genug, theils habe ich daruͤber
ſchon etwas im neunzehnten Abſchnitte des er¬
ſten Theils geſagt. Ich halte es daher fuͤr
Pflicht, im Umgange mit ſehr ſatyriſchen Leu¬
ten auf ſeiner Hut zu ſeyn. Nicht, daß man
ſich perſoͤnlich vor ihrer ſpitzen Zunge oder Feder
fuͤrchten muͤſſte, denn das zeigt wuͤrklich den
hoͤchſten Grad von innerem Bewuſſtſeyn eige¬
ner Erbaͤrmlichkeit an; ſondern daß man nicht
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/279>, abgerufen am 24.11.2024.
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