Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite
29.

Nicht toleranter als die Frömmler pflegen
ihre Gegenfüßler, die Deisten, Freygeister
und Religions-Spötter von gemeiner Art
zu seyn. Ein Mann der unglücklich genug ist,
sich von der Wahrheit, Heiligkeit und Noth¬
wendigkeit der christlichen Religion nicht über¬
zeugen zu können, verdient Mitleiden, weil er
ein sehr wesentliches Glück, einen kräftigen Trost
im Leben und Sterben entbehrt; Er verdient
mehr als Mitleiden, er verdient Liebe und Ach¬
tung, wenn er dabey seine Pflichten als Mensch
und Bürger, so viel an ihm ist, treulich erfüllt,
und niemand in seinem Glauben irremacht;
Wenn aber jemand, der aus bösem Willen,
aus Verkehrtheit des Kopf oder des Herzens,
ein Religions-Verächter geworden, oder gar zu
seyn nur affectirt, aller Orten Proseliten zu
werben sucht, öffentlich mit schaalem Witze oder
nachgebetheten voltairischen Floskeln der Lehren
spottet, auf welche andre Menschen ihre einzige
Hofnung, ihre zeitliche und ewige Glückselig¬
keit bauen; Wenn er Jeden verfolgt, verachtet,
schimpft, Jeden einen Heuchler oder heimlichen
Jesuiten schilt, der nicht wie Er denkt; so ist

ein
29.

Nicht toleranter als die Froͤmmler pflegen
ihre Gegenfuͤßler, die Deiſten, Freygeiſter
und Religions-Spoͤtter von gemeiner Art
zu ſeyn. Ein Mann der ungluͤcklich genug iſt,
ſich von der Wahrheit, Heiligkeit und Noth¬
wendigkeit der chriſtlichen Religion nicht uͤber¬
zeugen zu koͤnnen, verdient Mitleiden, weil er
ein ſehr weſentliches Gluͤck, einen kraͤftigen Troſt
im Leben und Sterben entbehrt; Er verdient
mehr als Mitleiden, er verdient Liebe und Ach¬
tung, wenn er dabey ſeine Pflichten als Menſch
und Buͤrger, ſo viel an ihm iſt, treulich erfuͤllt,
und niemand in ſeinem Glauben irremacht;
Wenn aber jemand, der aus boͤſem Willen,
aus Verkehrtheit des Kopf oder des Herzens,
ein Religions-Veraͤchter geworden, oder gar zu
ſeyn nur affectirt, aller Orten Proſeliten zu
werben ſucht, oͤffentlich mit ſchaalem Witze oder
nachgebetheten voltairiſchen Floskeln der Lehren
ſpottet, auf welche andre Menſchen ihre einzige
Hofnung, ihre zeitliche und ewige Gluͤckſelig¬
keit bauen; Wenn er Jeden verfolgt, verachtet,
ſchimpft, Jeden einen Heuchler oder heimlichen
Jeſuiten ſchilt, der nicht wie Er denkt; ſo iſt

ein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0288" n="266"/>
          </div>
          <div n="3">
            <head>29.<lb/></head>
            <p>Nicht toleranter als die Fro&#x0364;mmler pflegen<lb/>
ihre Gegenfu&#x0364;ßler, die <hi rendition="#fr">Dei&#x017F;ten</hi>, <hi rendition="#fr">Freygei&#x017F;ter</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">Religions-Spo&#x0364;tter</hi> von gemeiner Art<lb/>
zu &#x017F;eyn. Ein Mann der unglu&#x0364;cklich genug i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;ich von der Wahrheit, Heiligkeit und Noth¬<lb/>
wendigkeit der chri&#x017F;tlichen Religion nicht u&#x0364;ber¬<lb/>
zeugen zu ko&#x0364;nnen, verdient Mitleiden, weil er<lb/>
ein &#x017F;ehr we&#x017F;entliches Glu&#x0364;ck, einen kra&#x0364;ftigen Tro&#x017F;t<lb/>
im Leben und Sterben entbehrt; Er verdient<lb/>
mehr als Mitleiden, er verdient Liebe und Ach¬<lb/>
tung, wenn er dabey &#x017F;eine Pflichten als Men&#x017F;ch<lb/>
und Bu&#x0364;rger, &#x017F;o viel an ihm i&#x017F;t, treulich erfu&#x0364;llt,<lb/>
und niemand in &#x017F;einem Glauben irremacht;<lb/>
Wenn aber jemand, der aus bo&#x0364;&#x017F;em Willen,<lb/>
aus Verkehrtheit des Kopf oder des Herzens,<lb/>
ein Religions-Vera&#x0364;chter geworden, oder gar zu<lb/>
&#x017F;eyn nur affectirt, aller Orten Pro&#x017F;eliten zu<lb/>
werben &#x017F;ucht, o&#x0364;ffentlich mit &#x017F;chaalem Witze oder<lb/>
nachgebetheten voltairi&#x017F;chen Floskeln der Lehren<lb/>
&#x017F;pottet, auf welche andre Men&#x017F;chen ihre einzige<lb/>
Hofnung, ihre zeitliche und ewige Glu&#x0364;ck&#x017F;elig¬<lb/>
keit bauen; Wenn er Jeden verfolgt, verachtet,<lb/>
&#x017F;chimpft, Jeden einen Heuchler oder heimlichen<lb/>
Je&#x017F;uiten &#x017F;chilt, der nicht wie Er denkt; &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ein<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[266/0288] 29. Nicht toleranter als die Froͤmmler pflegen ihre Gegenfuͤßler, die Deiſten, Freygeiſter und Religions-Spoͤtter von gemeiner Art zu ſeyn. Ein Mann der ungluͤcklich genug iſt, ſich von der Wahrheit, Heiligkeit und Noth¬ wendigkeit der chriſtlichen Religion nicht uͤber¬ zeugen zu koͤnnen, verdient Mitleiden, weil er ein ſehr weſentliches Gluͤck, einen kraͤftigen Troſt im Leben und Sterben entbehrt; Er verdient mehr als Mitleiden, er verdient Liebe und Ach¬ tung, wenn er dabey ſeine Pflichten als Menſch und Buͤrger, ſo viel an ihm iſt, treulich erfuͤllt, und niemand in ſeinem Glauben irremacht; Wenn aber jemand, der aus boͤſem Willen, aus Verkehrtheit des Kopf oder des Herzens, ein Religions-Veraͤchter geworden, oder gar zu ſeyn nur affectirt, aller Orten Proſeliten zu werben ſucht, oͤffentlich mit ſchaalem Witze oder nachgebetheten voltairiſchen Floskeln der Lehren ſpottet, auf welche andre Menſchen ihre einzige Hofnung, ihre zeitliche und ewige Gluͤckſelig¬ keit bauen; Wenn er Jeden verfolgt, verachtet, ſchimpft, Jeden einen Heuchler oder heimlichen Jeſuiten ſchilt, der nicht wie Er denkt; ſo iſt ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/288
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/288>, abgerufen am 24.11.2024.