Muttersprache, ihre fehlerhafte Schreibart, ja! sogar ihre lächerlichen Gebehrden, Gewohnhei¬ ten und Gebrechen, ihr Stammlen, Lispeln, Achselzucken, ihre Grobheit gegen Niedere, Kränklichkeit, ihr Podagra, ihre schlechte Haus¬ wirthschaft, ihre dummen Launen, und mehr dergleichen herrliche Vorzüge zu copieren, und sich eigen zu machen. Ihnen ist der beste Be¬ weis für die Güte einer Sache der, daß sie sa¬ gen: jedermann von Stande handle so und nicht anders, als wenn das eine Narrheit heili¬ gen könnte! -- Handle selbstständig! Verleugne nicht Deine Grundsätze, Deinen Stand, Deine Geburth, Deine Erziehung; so werden Hohe und Niedre Dir ihre Achtung nicht versagen können!
5.
Man traue nicht zu sehr den freundlichen Gesichtern der mehrsten Großen, glaube sich nicht auf dem Gipfel der Glückseligkeit, wenn der gnädige Herr uns anlächelt, die Hand schüt¬ telt, oder uns umarmt! Vielleicht bedarf er Un¬ srer in diesem Augenblicke, und behandelt uns mit Verachtung, wenigstens mit Kälte, sobald
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Mutterſprache, ihre fehlerhafte Schreibart, ja! ſogar ihre laͤcherlichen Gebehrden, Gewohnhei¬ ten und Gebrechen, ihr Stammlen, Liſpeln, Achſelzucken, ihre Grobheit gegen Niedere, Kraͤnklichkeit, ihr Podagra, ihre ſchlechte Haus¬ wirthſchaft, ihre dummen Launen, und mehr dergleichen herrliche Vorzuͤge zu copieren, und ſich eigen zu machen. Ihnen iſt der beſte Be¬ weis fuͤr die Guͤte einer Sache der, daß ſie ſa¬ gen: jedermann von Stande handle ſo und nicht anders, als wenn das eine Narrheit heili¬ gen koͤnnte! — Handle ſelbſtſtaͤndig! Verleugne nicht Deine Grundſaͤtze, Deinen Stand, Deine Geburth, Deine Erziehung; ſo werden Hohe und Niedre Dir ihre Achtung nicht verſagen koͤnnen!
5.
Man traue nicht zu ſehr den freundlichen Geſichtern der mehrſten Großen, glaube ſich nicht auf dem Gipfel der Gluͤckſeligkeit, wenn der gnaͤdige Herr uns anlaͤchelt, die Hand ſchuͤt¬ telt, oder uns umarmt! Vielleicht bedarf er Un¬ ſrer in dieſem Augenblicke, und behandelt uns mit Verachtung, wenigſtens mit Kaͤlte, ſobald
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Mutterſprache, ihre fehlerhafte Schreibart, ja!
ſogar ihre laͤcherlichen Gebehrden, Gewohnhei¬
ten und Gebrechen, ihr Stammlen, Liſpeln,
Achſelzucken, ihre Grobheit gegen Niedere,
Kraͤnklichkeit, ihr Podagra, ihre ſchlechte Haus¬
wirthſchaft, ihre dummen Launen, und mehr
dergleichen herrliche Vorzuͤge zu copieren, und
ſich eigen zu machen. Ihnen iſt der beſte Be¬
weis fuͤr die Guͤte einer Sache der, daß ſie ſa¬
gen: jedermann von Stande handle ſo und
nicht anders, als wenn das eine Narrheit heili¬
gen koͤnnte! — Handle ſelbſtſtaͤndig! Verleugne
nicht Deine Grundſaͤtze, Deinen Stand, Deine
Geburth, Deine Erziehung; ſo werden Hohe
und Niedre Dir ihre Achtung nicht verſagen
koͤnnen!
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Man traue nicht zu ſehr den freundlichen
Geſichtern der mehrſten Großen, glaube ſich
nicht auf dem Gipfel der Gluͤckſeligkeit, wenn
der gnaͤdige Herr uns anlaͤchelt, die Hand ſchuͤt¬
telt, oder uns umarmt! Vielleicht bedarf er Un¬
ſrer in dieſem Augenblicke, und behandelt uns
mit Verachtung, wenigſtens mit Kaͤlte, ſobald
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/29>, abgerufen am 23.11.2024.
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