Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

sieh Dir nicht nach, wenn Du allein bist! Gehe
nicht schmutzig, nicht lumpicht, nicht unrecht¬
licht, nicht krumm, noch mit groben Manieren
einher, wenn Dich niemand beobachtet! Mis¬
kenne Deinen eigenen Werth nicht! Verliehre
nie die Zuversicht zu Dir selber, das Bewusst¬
seyn Deiner Menschen-Würde, das Gefühl,
wenn nicht eben so weise und geschickt als manche
Andre zu seyn, doch weder an Eifer es zu wer¬
den, noch an Redlichkeit des Herzens irgend je¬
mand nachzustehn!

6.

Verzweifle nicht, werde nicht mismüthig,
wenn Du nicht die moralische oder intellectuelle
Höhe erreichen kannst, auf welcher ein Andrer
steht, und sey nicht so unbillig, andre gute Sei¬
ten an Dir zu übersehn, die Du vielleicht vor
Jenem voraus haben magst! -- Und wäre das
auch nicht der Fall! Müssen wir denn Alle
groß seyn?

Stimme Dich auch herab von der Begierde
zu herrschen, eine glänzende Haupt-Rolle zu
spielen. Ach wüsstest Du wie theuer man das

oft

ſieh Dir nicht nach, wenn Du allein biſt! Gehe
nicht ſchmutzig, nicht lumpicht, nicht unrecht¬
licht, nicht krumm, noch mit groben Manieren
einher, wenn Dich niemand beobachtet! Mis¬
kenne Deinen eigenen Werth nicht! Verliehre
nie die Zuverſicht zu Dir ſelber, das Bewuſſt¬
ſeyn Deiner Menſchen-Wuͤrde, das Gefuͤhl,
wenn nicht eben ſo weiſe und geſchickt als manche
Andre zu ſeyn, doch weder an Eifer es zu wer¬
den, noch an Redlichkeit des Herzens irgend je¬
mand nachzuſtehn!

6.

Verzweifle nicht, werde nicht mismuͤthig,
wenn Du nicht die moraliſche oder intellectuelle
Hoͤhe erreichen kannſt, auf welcher ein Andrer
ſteht, und ſey nicht ſo unbillig, andre gute Sei¬
ten an Dir zu uͤberſehn, die Du vielleicht vor
Jenem voraus haben magſt! — Und waͤre das
auch nicht der Fall! Muͤſſen wir denn Alle
groß ſeyn?

Stimme Dich auch herab von der Begierde
zu herrſchen, eine glaͤnzende Haupt-Rolle zu
ſpielen. Ach wuͤſſteſt Du wie theuer man das

oft
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0326" n="304"/>
&#x017F;ieh Dir nicht nach, wenn Du allein bi&#x017F;t! Gehe<lb/>
nicht &#x017F;chmutzig, nicht lumpicht, nicht unrecht¬<lb/>
licht, nicht krumm, noch mit groben Manieren<lb/>
einher, wenn Dich niemand beobachtet! Mis¬<lb/>
kenne Deinen eigenen Werth nicht! Verliehre<lb/>
nie die Zuver&#x017F;icht zu Dir &#x017F;elber, das Bewu&#x017F;&#x017F;<lb/>
&#x017F;eyn Deiner Men&#x017F;chen-Wu&#x0364;rde, das Gefu&#x0364;hl,<lb/>
wenn nicht eben &#x017F;o wei&#x017F;e und ge&#x017F;chickt als manche<lb/>
Andre zu &#x017F;eyn, doch weder an Eifer es zu wer¬<lb/>
den, noch an Redlichkeit des Herzens irgend je¬<lb/>
mand nachzu&#x017F;tehn!</p><lb/>
          </div>
          <div n="3">
            <head>6.<lb/></head>
            <p>Verzweifle nicht, werde nicht mismu&#x0364;thig,<lb/>
wenn Du nicht die morali&#x017F;che oder intellectuelle<lb/>
Ho&#x0364;he erreichen kann&#x017F;t, auf welcher ein Andrer<lb/>
&#x017F;teht, und &#x017F;ey nicht &#x017F;o unbillig, andre gute Sei¬<lb/>
ten an Dir zu u&#x0364;ber&#x017F;ehn, die Du vielleicht vor<lb/>
Jenem voraus haben mag&#x017F;t! &#x2014; Und wa&#x0364;re das<lb/>
auch nicht der Fall! Mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir denn Alle<lb/>
groß &#x017F;eyn?</p><lb/>
            <p>Stimme Dich auch herab von der Begierde<lb/>
zu herr&#x017F;chen, eine gla&#x0364;nzende Haupt-Rolle zu<lb/>
&#x017F;pielen. Ach wu&#x0364;&#x017F;&#x017F;te&#x017F;t Du wie theuer man das<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">oft<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0326] ſieh Dir nicht nach, wenn Du allein biſt! Gehe nicht ſchmutzig, nicht lumpicht, nicht unrecht¬ licht, nicht krumm, noch mit groben Manieren einher, wenn Dich niemand beobachtet! Mis¬ kenne Deinen eigenen Werth nicht! Verliehre nie die Zuverſicht zu Dir ſelber, das Bewuſſt¬ ſeyn Deiner Menſchen-Wuͤrde, das Gefuͤhl, wenn nicht eben ſo weiſe und geſchickt als manche Andre zu ſeyn, doch weder an Eifer es zu wer¬ den, noch an Redlichkeit des Herzens irgend je¬ mand nachzuſtehn! 6. Verzweifle nicht, werde nicht mismuͤthig, wenn Du nicht die moraliſche oder intellectuelle Hoͤhe erreichen kannſt, auf welcher ein Andrer ſteht, und ſey nicht ſo unbillig, andre gute Sei¬ ten an Dir zu uͤberſehn, die Du vielleicht vor Jenem voraus haben magſt! — Und waͤre das auch nicht der Fall! Muͤſſen wir denn Alle groß ſeyn? Stimme Dich auch herab von der Begierde zu herrſchen, eine glaͤnzende Haupt-Rolle zu ſpielen. Ach wuͤſſteſt Du wie theuer man das oft

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/326
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/326>, abgerufen am 21.11.2024.