die kleinen Züge, nicht auf die Haupt-Handlun¬ gen, zu denen Jeder sich in seinen Staatsrock steckt! Gieb Acht auf die Laune, die ein gesun¬ der Mann beym Erwachen vom Schlafe, auf die Stimmung, die er hat, wenn er des Mor¬ gens, wo Leib und Seele im Nachtkleide er¬ scheinen, aus dem Bette aufsteht, oder wenn er plötzlich aus dem Schlafe geweckt wird; auf das, was er vorzüglich gern isst und trinkt, ob sehr materielle, einfache, oder sehr feine, ge¬ würzte, zusammengesetzte Speisen; auf seinen Gang und Anstand; ob er lieber allein seinen Weg geht, oder sich immer an eines Andern Arm hängt; ob er in einer graden Linie fortschreiten kann, oder seines Neben-Gängers Weg durch¬ kreuzt, oft an Andre stößt, und ihnen auf die Füße tritt; ob er durchaus keinen Schritt allein thun, sondern stets Gesellschaft haben, immer sich an Andre anschliessen, auch um die gering¬ sten Kleinigkeiten erst um Rath fragen, sich er¬ kundigen will, wie es sein Nachbar, sein Col¬ lege macht; ob, wenn er etwas fallen lässt, er es sogleich wieder aufnimt, oder es da liegen lässt, bis er gelegentlich, nach seiner Gemäch¬ lichkeit einmal hinreicht, um es aufzuheben; ob
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die kleinen Zuͤge, nicht auf die Haupt-Handlun¬ gen, zu denen Jeder ſich in ſeinen Staatsrock ſteckt! Gieb Acht auf die Laune, die ein geſun¬ der Mann beym Erwachen vom Schlafe, auf die Stimmung, die er hat, wenn er des Mor¬ gens, wo Leib und Seele im Nachtkleide er¬ ſcheinen, aus dem Bette aufſteht, oder wenn er ploͤtzlich aus dem Schlafe geweckt wird; auf das, was er vorzuͤglich gern iſſt und trinkt, ob ſehr materielle, einfache, oder ſehr feine, ge¬ wuͤrzte, zuſammengeſetzte Speiſen; auf ſeinen Gang und Anſtand; ob er lieber allein ſeinen Weg geht, oder ſich immer an eines Andern Arm haͤngt; ob er in einer graden Linie fortſchreiten kann, oder ſeines Neben-Gaͤngers Weg durch¬ kreuzt, oft an Andre ſtoͤßt, und ihnen auf die Fuͤße tritt; ob er durchaus keinen Schritt allein thun, ſondern ſtets Geſellſchaft haben, immer ſich an Andre anſchlieſſen, auch um die gering¬ ſten Kleinigkeiten erſt um Rath fragen, ſich er¬ kundigen will, wie es ſein Nachbar, ſein Col¬ lege macht; ob, wenn er etwas fallen laͤſſt, er es ſogleich wieder aufnimt, oder es da liegen laͤſſt, bis er gelegentlich, nach ſeiner Gemaͤch¬ lichkeit einmal hinreicht, um es aufzuheben; ob
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die kleinen Zuͤge, nicht auf die Haupt-Handlun¬
gen, zu denen Jeder ſich in ſeinen Staatsrock
ſteckt! Gieb Acht auf die Laune, die ein geſun¬
der Mann beym Erwachen vom Schlafe, auf
die Stimmung, die er hat, wenn er des Mor¬
gens, wo Leib und Seele im Nachtkleide er¬
ſcheinen, aus dem Bette aufſteht, oder wenn er
ploͤtzlich aus dem Schlafe geweckt wird; auf
das, was er vorzuͤglich gern iſſt und trinkt, ob
ſehr materielle, einfache, oder ſehr feine, ge¬
wuͤrzte, zuſammengeſetzte Speiſen; auf ſeinen
Gang und Anſtand; ob er lieber allein ſeinen
Weg geht, oder ſich immer an eines Andern Arm
haͤngt; ob er in einer graden Linie fortſchreiten
kann, oder ſeines Neben-Gaͤngers Weg durch¬
kreuzt, oft an Andre ſtoͤßt, und ihnen auf die
Fuͤße tritt; ob er durchaus keinen Schritt allein
thun, ſondern ſtets Geſellſchaft haben, immer
ſich an Andre anſchlieſſen, auch um die gering¬
ſten Kleinigkeiten erſt um Rath fragen, ſich er¬
kundigen will, wie es ſein Nachbar, ſein Col¬
lege macht; ob, wenn er etwas fallen laͤſſt, er
es ſogleich wieder aufnimt, oder es da liegen
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/351>, abgerufen am 22.11.2024.
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