Freundschaft und Zuneigung heisst, weniger da¬ um bekümmert, geehrt, als geliebt zu seyn, be¬ unruhigt mich -- ich schäme mich dieses Ge¬ ständnisses nicht -- beunruhigt, verstimmt mich jedes kalte Betragen von Leuten, die mir gute Eigenschaften zu haben scheinen, mehr als mir, nach so mancher Erfahrung in der großen Welt, zu verzeyhen ist. Zu andern Zeiten aber be¬ handle ich auch das Ding von der lustigen Seite, und freue mich herzlich, indem ich höre, daß das müssige Publicum sich auf Unkosten meiner We¬ nigkeit beschäftigt, darüber, daß dies grade einen Mann trifft, der nur als Volontair in der gro¬ ßen Welt dient, und kein Avancement verlangt. Indessen ist was ich meinem Temperamente nach thue, darum noch nicht gut gethan. Am besten ist es gewiß, über dergleichen und über Klatschereien aller Art wenigstens nicht die ge¬ ringste Unruhe zu zeigen, mit niemand weiter darüber zu reden, und sich auf keine Explications einzulassen. Dann ist in acht Tagen das Mär¬ chen vergessen, da auf jede andre Art hingegen die Sache ärger gemacht wird.
II.
Freundſchaft und Zuneigung heiſſt, weniger da¬ um bekuͤmmert, geehrt, als geliebt zu ſeyn, be¬ unruhigt mich — ich ſchaͤme mich dieſes Ge¬ ſtaͤndniſſes nicht — beunruhigt, verſtimmt mich jedes kalte Betragen von Leuten, die mir gute Eigenſchaften zu haben ſcheinen, mehr als mir, nach ſo mancher Erfahrung in der großen Welt, zu verzeyhen iſt. Zu andern Zeiten aber be¬ handle ich auch das Ding von der luſtigen Seite, und freue mich herzlich, indem ich hoͤre, daß das muͤſſige Publicum ſich auf Unkoſten meiner We¬ nigkeit beſchaͤftigt, daruͤber, daß dies grade einen Mann trifft, der nur als Volontair in der gro¬ ßen Welt dient, und kein Avancement verlangt. Indeſſen iſt was ich meinem Temperamente nach thue, darum noch nicht gut gethan. Am beſten iſt es gewiß, uͤber dergleichen und uͤber Klatſchereien aller Art wenigſtens nicht die ge¬ ringſte Unruhe zu zeigen, mit niemand weiter daruͤber zu reden, und ſich auf keine Explications einzulaſſen. Dann iſt in acht Tagen das Maͤr¬ chen vergeſſen, da auf jede andre Art hingegen die Sache aͤrger gemacht wird.
II.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0082"n="60"/>
Freundſchaft und Zuneigung heiſſt, weniger da¬<lb/>
um bekuͤmmert, geehrt, als geliebt zu ſeyn, be¬<lb/>
unruhigt mich — ich ſchaͤme mich dieſes Ge¬<lb/>ſtaͤndniſſes nicht — beunruhigt, verſtimmt mich<lb/>
jedes kalte Betragen von Leuten, die mir gute<lb/>
Eigenſchaften zu haben ſcheinen, mehr als mir,<lb/>
nach ſo mancher Erfahrung in der großen Welt,<lb/>
zu verzeyhen iſt. Zu andern Zeiten aber be¬<lb/>
handle ich auch das Ding von der luſtigen Seite,<lb/>
und freue mich herzlich, indem ich hoͤre, daß das<lb/>
muͤſſige Publicum ſich auf Unkoſten meiner We¬<lb/>
nigkeit beſchaͤftigt, daruͤber, daß dies grade einen<lb/>
Mann trifft, der nur als Volontair in der gro¬<lb/>
ßen Welt dient, und kein Avancement verlangt.<lb/>
Indeſſen iſt was <hirendition="#fr">ich</hi> meinem Temperamente<lb/>
nach thue, darum noch nicht gut gethan. Am<lb/>
beſten iſt es gewiß, uͤber dergleichen und uͤber<lb/>
Klatſchereien aller Art wenigſtens nicht die ge¬<lb/>
ringſte Unruhe <hirendition="#fr">zu zeigen,</hi> mit niemand weiter<lb/>
daruͤber zu reden, und ſich auf keine Explications<lb/>
einzulaſſen. Dann iſt in acht Tagen das Maͤr¬<lb/>
chen vergeſſen, da auf jede andre Art hingegen<lb/>
die Sache aͤrger gemacht wird.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">II.</hi><lb/></fw></div></div></div></body></text></TEI>
[60/0082]
Freundſchaft und Zuneigung heiſſt, weniger da¬
um bekuͤmmert, geehrt, als geliebt zu ſeyn, be¬
unruhigt mich — ich ſchaͤme mich dieſes Ge¬
ſtaͤndniſſes nicht — beunruhigt, verſtimmt mich
jedes kalte Betragen von Leuten, die mir gute
Eigenſchaften zu haben ſcheinen, mehr als mir,
nach ſo mancher Erfahrung in der großen Welt,
zu verzeyhen iſt. Zu andern Zeiten aber be¬
handle ich auch das Ding von der luſtigen Seite,
und freue mich herzlich, indem ich hoͤre, daß das
muͤſſige Publicum ſich auf Unkoſten meiner We¬
nigkeit beſchaͤftigt, daruͤber, daß dies grade einen
Mann trifft, der nur als Volontair in der gro¬
ßen Welt dient, und kein Avancement verlangt.
Indeſſen iſt was ich meinem Temperamente
nach thue, darum noch nicht gut gethan. Am
beſten iſt es gewiß, uͤber dergleichen und uͤber
Klatſchereien aller Art wenigſtens nicht die ge¬
ringſte Unruhe zu zeigen, mit niemand weiter
daruͤber zu reden, und ſich auf keine Explications
einzulaſſen. Dann iſt in acht Tagen das Maͤr¬
chen vergeſſen, da auf jede andre Art hingegen
die Sache aͤrger gemacht wird.
II.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/82>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.