Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

seine Tränen troknet, und ihm seine Leiden weniger
fühlbar macht, da er Trost und Hofnung auf ihn
herabsenkt. Aber wen habe ich? wen darf ich zum
Vertrauten meines Kummers, meiner Tränen ma-
chen? Die, welche mir dies elende Dasein gaben,
sind hart nnd grausam, spotten meiner Tränen,
haben kein Gefühl für das, was im Jnnern krampft
und wütet -- und der, dessen Weib ich bin, sieht
mit Blikken der Verachtung und des Spotts auf
mich herab. Er hat mich nie geliebt, nur mein Ver-
mögen war es, wonach er geizte; nun er das be-
sizt, so hönet er mich, geht zu feilen Nimfen, und
Bulerinnen und lacht über sein Weib, das im stil-
len sich abkümmert. Wir sehen uns selten, und
das ist Wolthat für mich, denn seine Blikke sind
Blikke des Despoten, der mich als seine Sklavin
behandelt, die er aus dem Staube erhub.

Er hat einen nichtswürdigen Buben zu meinem
Hüter gesezt, der all' meine Tritte belauschet, ja
der mich mit dem Ton des Mitleids, zur Verräterin
meines Herzens machen will. Glaubt etwa der Bar-
bar, ich werde, so wie er, beschworne Treue brechen?
Nein! so wahr ein Gott im Himmel lebt, der uns
einst richten wird, das kann Julie nicht. Als
ich am Altar das Ja lallte, so unterdrükte ich jeden
Wunsch an das, was mir theurer als mein Leben
war, so gelobte ich mir, ihn nie wieder zu sehen --

ſeine Traͤnen troknet, und ihm ſeine Leiden weniger
fuͤhlbar macht, da er Troſt und Hofnung auf ihn
herabſenkt. Aber wen habe ich? wen darf ich zum
Vertrauten meines Kummers, meiner Traͤnen ma-
chen? Die, welche mir dies elende Daſein gaben,
ſind hart nnd grauſam, ſpotten meiner Traͤnen,
haben kein Gefuͤhl fuͤr das, was im Jnnern krampft
und wuͤtet — und der, deſſen Weib ich bin, ſieht
mit Blikken der Verachtung und des Spotts auf
mich herab. Er hat mich nie geliebt, nur mein Ver-
moͤgen war es, wonach er geizte; nun er das be-
ſizt, ſo hoͤnet er mich, geht zu feilen Nimfen, und
Bulerinnen und lacht uͤber ſein Weib, das im ſtil-
len ſich abkuͤmmert. Wir ſehen uns ſelten, und
das iſt Wolthat fuͤr mich, denn ſeine Blikke ſind
Blikke des Deſpoten, der mich als ſeine Sklavin
behandelt, die er aus dem Staube erhub.

Er hat einen nichtswuͤrdigen Buben zu meinem
Huͤter geſezt, der all’ meine Tritte belauſchet, ja
der mich mit dem Ton des Mitleids, zur Verraͤterin
meines Herzens machen will. Glaubt etwa der Bar-
bar, ich werde, ſo wie er, beſchworne Treue brechen?
Nein! ſo wahr ein Gott im Himmel lebt, der uns
einſt richten wird, das kann Julie nicht. Als
ich am Altar das Ja lallte, ſo unterdruͤkte ich jeden
Wunſch an das, was mir theurer als mein Leben
war, ſo gelobte ich mir, ihn nie wieder zu ſehen —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0100" n="92"/>
&#x017F;eine Tra&#x0364;nen troknet, und ihm &#x017F;eine Leiden weniger<lb/>
fu&#x0364;hlbar macht, da er Tro&#x017F;t und Hofnung auf ihn<lb/>
herab&#x017F;enkt. Aber <hi rendition="#fr">wen habe ich?</hi> wen darf ich zum<lb/>
Vertrauten meines Kummers, meiner Tra&#x0364;nen ma-<lb/>
chen? Die, welche mir dies elende Da&#x017F;ein gaben,<lb/>
&#x017F;ind hart nnd grau&#x017F;am, &#x017F;potten meiner Tra&#x0364;nen,<lb/>
haben kein Gefu&#x0364;hl fu&#x0364;r das, was im Jnnern krampft<lb/>
und wu&#x0364;tet &#x2014; und der, de&#x017F;&#x017F;en Weib ich bin, &#x017F;ieht<lb/>
mit Blikken der Verachtung und des Spotts auf<lb/>
mich herab. Er hat mich nie geliebt, nur mein Ver-<lb/>
mo&#x0364;gen war es, wonach er geizte; nun er das be-<lb/>
&#x017F;izt, &#x017F;o ho&#x0364;net er mich, geht zu feilen Nimfen, und<lb/>
Bulerinnen und lacht u&#x0364;ber &#x017F;ein Weib, das im &#x017F;til-<lb/>
len &#x017F;ich abku&#x0364;mmert. Wir &#x017F;ehen uns &#x017F;elten, und<lb/>
das i&#x017F;t Wolthat fu&#x0364;r mich, denn &#x017F;eine Blikke &#x017F;ind<lb/>
Blikke des De&#x017F;poten, der mich als &#x017F;eine Sklavin<lb/>
behandelt, die er aus dem Staube erhub.</p><lb/>
          <p>Er hat einen nichtswu&#x0364;rdigen Buben zu meinem<lb/>
Hu&#x0364;ter ge&#x017F;ezt, der all&#x2019; meine Tritte belau&#x017F;chet, ja<lb/>
der mich mit dem Ton des Mitleids, zur Verra&#x0364;terin<lb/>
meines Herzens machen will. Glaubt etwa der Bar-<lb/>
bar, ich werde, &#x017F;o wie er, be&#x017F;chworne Treue brechen?<lb/>
Nein! &#x017F;o wahr ein Gott im Himmel lebt, der uns<lb/>
ein&#x017F;t richten wird, das kann <hi rendition="#fr">Julie</hi> nicht. Als<lb/>
ich am Altar das Ja lallte, &#x017F;o unterdru&#x0364;kte ich jeden<lb/>
Wun&#x017F;ch an das, was mir theurer als mein Leben<lb/>
war, &#x017F;o gelobte ich mir, ihn nie wieder zu &#x017F;ehen &#x2014;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0100] ſeine Traͤnen troknet, und ihm ſeine Leiden weniger fuͤhlbar macht, da er Troſt und Hofnung auf ihn herabſenkt. Aber wen habe ich? wen darf ich zum Vertrauten meines Kummers, meiner Traͤnen ma- chen? Die, welche mir dies elende Daſein gaben, ſind hart nnd grauſam, ſpotten meiner Traͤnen, haben kein Gefuͤhl fuͤr das, was im Jnnern krampft und wuͤtet — und der, deſſen Weib ich bin, ſieht mit Blikken der Verachtung und des Spotts auf mich herab. Er hat mich nie geliebt, nur mein Ver- moͤgen war es, wonach er geizte; nun er das be- ſizt, ſo hoͤnet er mich, geht zu feilen Nimfen, und Bulerinnen und lacht uͤber ſein Weib, das im ſtil- len ſich abkuͤmmert. Wir ſehen uns ſelten, und das iſt Wolthat fuͤr mich, denn ſeine Blikke ſind Blikke des Deſpoten, der mich als ſeine Sklavin behandelt, die er aus dem Staube erhub. Er hat einen nichtswuͤrdigen Buben zu meinem Huͤter geſezt, der all’ meine Tritte belauſchet, ja der mich mit dem Ton des Mitleids, zur Verraͤterin meines Herzens machen will. Glaubt etwa der Bar- bar, ich werde, ſo wie er, beſchworne Treue brechen? Nein! ſo wahr ein Gott im Himmel lebt, der uns einſt richten wird, das kann Julie nicht. Als ich am Altar das Ja lallte, ſo unterdruͤkte ich jeden Wunſch an das, was mir theurer als mein Leben war, ſo gelobte ich mir, ihn nie wieder zu ſehen —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/100
Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/100>, abgerufen am 04.12.2024.