Karakter ihres Geistes bezaubert, eilt er zu sei- nem Bruder, stellt ihm mit den rührendsten Worten seine Härte vor, fleht, die Liebe zwoer so würdigen Personen zu billigen -- aber um- sonst, der Vater wird dadurch noch mehr aufge- bracht, und würkt durch falsche Angaben, einen Verhaftsbefehl gegen Emilien aus. Um alles Aufsehn zu verhindern, will man sie des Nachts heimlich aus den Armen ihrer Aeltern reissen, und in ein Kloster führen, Jhr Geliebter wird mit einiger Mannschaft nach der Grenze auf einen Werbetransport gesandt, um ihn einige Zeit zu entfernen, man versagt ihm sogar, seiner Geliebten noch ein Lebewol zu sagen, und er muß eilends fort. -- Die Nacht bricht herein, Wache umringt das Haus, und Milfort, ein felsenharter Mann von einem Krieger, auf des- sen Wange noch nie eine Träne gezittert, tritt in das Gemach des schuldlosen Mädchens und zeigt den Befehl vor, sie mit sich zn führen.
Ein lauter Jammer erfüllt das ganze Haus -- Emilie fällt ohne Bewustsein, gerührt vom Schlage zur Erde -- Jhr Vater zitternd, und bleich, ringt die Hände, die Mutter, die Ge- schwister, alle drängen sich, die Knie des alten
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Karakter ihres Geiſtes bezaubert, eilt er zu ſei- nem Bruder, ſtellt ihm mit den ruͤhrendſten Worten ſeine Haͤrte vor, fleht, die Liebe zwoer ſo wuͤrdigen Perſonen zu billigen — aber um- ſonſt, der Vater wird dadurch noch mehr aufge- bracht, und wuͤrkt durch falſche Angaben, einen Verhaftsbefehl gegen Emilien aus. Um alles Aufſehn zu verhindern, will man ſie des Nachts heimlich aus den Armen ihrer Aeltern reiſſen, und in ein Kloſter fuͤhren, Jhr Geliebter wird mit einiger Mannſchaft nach der Grenze auf einen Werbetransport geſandt, um ihn einige Zeit zu entfernen, man verſagt ihm ſogar, ſeiner Geliebten noch ein Lebewol zu ſagen, und er muß eilends fort. — Die Nacht bricht herein, Wache umringt das Haus, und Milfort, ein felſenharter Mann von einem Krieger, auf deſ- ſen Wange noch nie eine Traͤne gezittert, tritt in das Gemach des ſchuldloſen Maͤdchens und zeigt den Befehl vor, ſie mit ſich zn fuͤhren.
Ein lauter Jammer erfuͤllt das ganze Haus — Emilie faͤllt ohne Bewuſtſein, geruͤhrt vom Schlage zur Erde — Jhr Vater zitternd, und bleich, ringt die Haͤnde, die Mutter, die Ge- ſchwiſter, alle draͤngen ſich, die Knie des alten
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Karakter ihres Geiſtes bezaubert, eilt er zu ſei-
nem Bruder, ſtellt ihm mit den ruͤhrendſten
Worten ſeine Haͤrte vor, fleht, die Liebe zwoer
ſo wuͤrdigen Perſonen zu billigen — aber um-
ſonſt, der Vater wird dadurch noch mehr aufge-
bracht, und wuͤrkt durch falſche Angaben, einen
Verhaftsbefehl gegen Emilien aus. Um alles
Aufſehn zu verhindern, will man ſie des Nachts
heimlich aus den Armen ihrer Aeltern reiſſen,
und in ein Kloſter fuͤhren, Jhr Geliebter wird
mit einiger Mannſchaft nach der Grenze auf
einen Werbetransport geſandt, um ihn einige
Zeit zu entfernen, man verſagt ihm ſogar, ſeiner
Geliebten noch ein Lebewol zu ſagen, und er
muß eilends fort. — Die Nacht bricht herein,
Wache umringt das Haus, und Milfort, ein
felſenharter Mann von einem Krieger, auf deſ-
ſen Wange noch nie eine Traͤne gezittert, tritt
in das Gemach des ſchuldloſen Maͤdchens und
zeigt den Befehl vor, ſie mit ſich zn fuͤhren.
Ein lauter Jammer erfuͤllt das ganze Haus
— Emilie faͤllt ohne Bewuſtſein, geruͤhrt vom
Schlage zur Erde — Jhr Vater zitternd, und
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/129>, abgerufen am 24.11.2024.
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