Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

ge, schwache Geschöpfe, geneigt zu Sünde
und Fehl, wenn äussere Umstände auf uns wür-
ken, wenn Leidenschaften auf uns zustürmen und
das Herz in die Presse nehmen, wenn Unglük
und Elend das weiche Herz verhärtet, und es
endlich alles wagt, sich aus diesem Labirint des
Elends herauszuwinden.

Wenn der aus seinem väterlichen Erbe durch
die Tirannei seines Herrn verstossene Mensch,
Mann eines schuldlosen Weibes, Vater
unmündiger Kinder,
Armut und Elend mit
starken Riesenschritten auf sich zueilen sieht; wenn
er keinen Ort auf dieser weiten Erde hat, zu dem
er sagen könnte, er ist mein, und hier will
ich mein müdes Haupt hinsenken
-- wenn
er sein treues Weib in langsamen Jammer da-
hin schmachten sieht, wenn seine Kinder zer-
lumpt und nakt seine Knie umschlingen, und
rufen; Vater, gieb uns Brod! -- Wenn
aller Weg zur Rettung für ihn versperret ist,
und er nun in stummer Verzweifelung sich zur
Rotte der Räuber und Diebe gesellet, um seine
Familie vom schmälichen Hungertode zu retten --
wenn er in der Kunst zu rauben zu feig, bald er-
tappt, und in ein finsteres Loch geworfen wird. --

ge, ſchwache Geſchoͤpfe, geneigt zu Suͤnde
und Fehl, wenn aͤuſſere Umſtaͤnde auf uns wuͤr-
ken, wenn Leidenſchaften auf uns zuſtuͤrmen und
das Herz in die Preſſe nehmen, wenn Ungluͤk
und Elend das weiche Herz verhaͤrtet, und es
endlich alles wagt, ſich aus dieſem Labirint des
Elends herauszuwinden.

Wenn der aus ſeinem vaͤterlichen Erbe durch
die Tirannei ſeines Herrn verſtoſſene Menſch,
Mann eines ſchuldloſen Weibes, Vater
unmuͤndiger Kinder,
Armut und Elend mit
ſtarken Rieſenſchritten auf ſich zueilen ſieht; wenn
er keinen Ort auf dieſer weiten Erde hat, zu dem
er ſagen koͤnnte, er iſt mein, und hier will
ich mein muͤdes Haupt hinſenken
— wenn
er ſein treues Weib in langſamen Jammer da-
hin ſchmachten ſieht, wenn ſeine Kinder zer-
lumpt und nakt ſeine Knie umſchlingen, und
rufen; Vater, gieb uns Brod! — Wenn
aller Weg zur Rettung fuͤr ihn verſperret iſt,
und er nun in ſtummer Verzweifelung ſich zur
Rotte der Raͤuber und Diebe geſellet, um ſeine
Familie vom ſchmaͤlichen Hungertode zu retten —
wenn er in der Kunſt zu rauben zu feig, bald er-
tappt, und in ein finſteres Loch geworfen wird. —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0138" n="130"/><hi rendition="#fr">ge, &#x017F;chwache Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe,</hi> geneigt zu Su&#x0364;nde<lb/>
und Fehl, wenn a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ere Um&#x017F;ta&#x0364;nde auf uns wu&#x0364;r-<lb/>
ken, wenn Leiden&#x017F;chaften auf uns zu&#x017F;tu&#x0364;rmen und<lb/>
das Herz in die Pre&#x017F;&#x017F;e nehmen, wenn Unglu&#x0364;k<lb/>
und Elend das weiche Herz verha&#x0364;rtet, und es<lb/>
endlich alles wagt, &#x017F;ich aus die&#x017F;em Labirint des<lb/>
Elends herauszuwinden.</p><lb/>
        <p>Wenn der aus &#x017F;einem va&#x0364;terlichen Erbe durch<lb/>
die Tirannei &#x017F;eines Herrn <hi rendition="#fr">ver&#x017F;to&#x017F;&#x017F;ene Men&#x017F;ch,<lb/>
Mann eines &#x017F;chuldlo&#x017F;en Weibes, Vater<lb/>
unmu&#x0364;ndiger Kinder,</hi> Armut und Elend mit<lb/>
&#x017F;tarken Rie&#x017F;en&#x017F;chritten auf &#x017F;ich zueilen &#x017F;ieht; wenn<lb/>
er keinen Ort auf die&#x017F;er weiten Erde hat, zu dem<lb/>
er &#x017F;agen ko&#x0364;nnte, <hi rendition="#fr">er i&#x017F;t mein, und hier will<lb/>
ich mein mu&#x0364;des Haupt hin&#x017F;enken</hi> &#x2014; wenn<lb/>
er &#x017F;ein <hi rendition="#fr">treues Weib</hi> in lang&#x017F;amen Jammer da-<lb/>
hin &#x017F;chmachten &#x017F;ieht, wenn <hi rendition="#fr">&#x017F;eine Kinder</hi> zer-<lb/>
lumpt und nakt &#x017F;eine Knie um&#x017F;chlingen, und<lb/>
rufen; <hi rendition="#fr">Vater, gieb uns Brod!</hi> &#x2014; Wenn<lb/>
aller Weg zur Rettung fu&#x0364;r ihn ver&#x017F;perret i&#x017F;t,<lb/>
und er nun in &#x017F;tummer Verzweifelung &#x017F;ich zur<lb/>
Rotte der Ra&#x0364;uber und Diebe ge&#x017F;ellet, um &#x017F;eine<lb/>
Familie vom &#x017F;chma&#x0364;lichen Hungertode zu retten &#x2014;<lb/>
wenn er in der Kun&#x017F;t zu rauben zu feig, bald er-<lb/>
tappt, und in ein fin&#x017F;teres Loch geworfen wird. &#x2014;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0138] ge, ſchwache Geſchoͤpfe, geneigt zu Suͤnde und Fehl, wenn aͤuſſere Umſtaͤnde auf uns wuͤr- ken, wenn Leidenſchaften auf uns zuſtuͤrmen und das Herz in die Preſſe nehmen, wenn Ungluͤk und Elend das weiche Herz verhaͤrtet, und es endlich alles wagt, ſich aus dieſem Labirint des Elends herauszuwinden. Wenn der aus ſeinem vaͤterlichen Erbe durch die Tirannei ſeines Herrn verſtoſſene Menſch, Mann eines ſchuldloſen Weibes, Vater unmuͤndiger Kinder, Armut und Elend mit ſtarken Rieſenſchritten auf ſich zueilen ſieht; wenn er keinen Ort auf dieſer weiten Erde hat, zu dem er ſagen koͤnnte, er iſt mein, und hier will ich mein muͤdes Haupt hinſenken — wenn er ſein treues Weib in langſamen Jammer da- hin ſchmachten ſieht, wenn ſeine Kinder zer- lumpt und nakt ſeine Knie umſchlingen, und rufen; Vater, gieb uns Brod! — Wenn aller Weg zur Rettung fuͤr ihn verſperret iſt, und er nun in ſtummer Verzweifelung ſich zur Rotte der Raͤuber und Diebe geſellet, um ſeine Familie vom ſchmaͤlichen Hungertode zu retten — wenn er in der Kunſt zu rauben zu feig, bald er- tappt, und in ein finſteres Loch geworfen wird. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/138
Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/138>, abgerufen am 21.11.2024.