Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Blutvergiessen an Altären der Gerechtigkeit, seh
die Unschuld in Ketten, auf dem Rade -- alles
dies seh ich in unserm Jahrhundert, dem Zeit-
alter des Geschmaks und der Aufklärung, ver-
hülle mein Antliz und weine! -- --

Aber kann man die Ursachen nicht bestim-
men, die den Verfall unserer moralischen
Güte
nach sich ziehn? Diejenigen Triebfedern
die unser Herz so verderbt und böse machen, daß
wir mit Vorsaz die Rechte der Natur und
Menschheit entweihn, und Bande zerreissen, die
das höchste Wesen um uns schlang?

Wenn wir die Geringschäzzung gegen die
göttlichen Gesezze,
die Verachtung der Re-
ligion
bemerken, die auf alle Stände verbreitet
ist, so wird man darin leicht den Grund fin-
den, warum auch diejenigen Rechte entweiht wer-
den, die durch die Religion also geheiligt werden.

Wenn man auf die schlechte moralisch feh-
lerhafte Bildung unserer Jugend
sein Au-
genmerk richtet, wenn man gewahr wird, wie
früh wir anfangen, uns des beschwerlichen Man-
tels der Sittsamkeit und Tugend zu entledigen,
und durch stumme und laute Sünden schon im
zwanzigsten Frühling unsers Lebens verblüht sind,

Blutvergieſſen an Altaͤren der Gerechtigkeit, ſeh
die Unſchuld in Ketten, auf dem Rade — alles
dies ſeh ich in unſerm Jahrhundert, dem Zeit-
alter des Geſchmaks und der Aufklaͤrung, ver-
huͤlle mein Antliz und weine! — —

Aber kann man die Urſachen nicht beſtim-
men, die den Verfall unſerer moraliſchen
Guͤte
nach ſich ziehn? Diejenigen Triebfedern
die unſer Herz ſo verderbt und boͤſe machen, daß
wir mit Vorſaz die Rechte der Natur und
Menſchheit entweihn, und Bande zerreiſſen, die
das hoͤchſte Weſen um uns ſchlang?

Wenn wir die Geringſchaͤzzung gegen die
goͤttlichen Geſezze,
die Verachtung der Re-
ligion
bemerken, die auf alle Staͤnde verbreitet
iſt, ſo wird man darin leicht den Grund fin-
den, warum auch diejenigen Rechte entweiht wer-
den, die durch die Religion alſo geheiligt werden.

Wenn man auf die ſchlechte moraliſch feh-
lerhafte Bildung unſerer Jugend
ſein Au-
genmerk richtet, wenn man gewahr wird, wie
fruͤh wir anfangen, uns des beſchwerlichen Man-
tels der Sittſamkeit und Tugend zu entledigen,
und durch ſtumme und laute Suͤnden ſchon im
zwanzigſten Fruͤhling unſers Lebens verbluͤht ſind,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0023" n="15"/>
Blutvergie&#x017F;&#x017F;en an Alta&#x0364;ren der Gerechtigkeit, &#x017F;eh<lb/>
die Un&#x017F;chuld in Ketten, auf dem Rade &#x2014; alles<lb/>
dies &#x017F;eh ich in un&#x017F;erm Jahrhundert, dem Zeit-<lb/>
alter des Ge&#x017F;chmaks und der Aufkla&#x0364;rung, ver-<lb/>
hu&#x0364;lle mein Antliz und weine! &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Aber kann man die <hi rendition="#fr">Ur&#x017F;achen</hi> nicht be&#x017F;tim-<lb/>
men, die den Verfall <hi rendition="#fr">un&#x017F;erer morali&#x017F;chen<lb/>
Gu&#x0364;te</hi> nach &#x017F;ich ziehn? Diejenigen <hi rendition="#fr">Triebfedern</hi><lb/>
die un&#x017F;er Herz &#x017F;o verderbt und bo&#x0364;&#x017F;e machen, daß<lb/>
wir mit Vor&#x017F;az die Rechte der Natur und<lb/>
Men&#x017F;chheit entweihn, und Bande zerrei&#x017F;&#x017F;en, die<lb/>
das ho&#x0364;ch&#x017F;te We&#x017F;en um uns &#x017F;chlang?</p><lb/>
        <p>Wenn wir die <hi rendition="#fr">Gering&#x017F;cha&#x0364;zzung gegen die<lb/>
go&#x0364;ttlichen Ge&#x017F;ezze,</hi> die <hi rendition="#fr">Verachtung der Re-<lb/>
ligion</hi> bemerken, die auf alle Sta&#x0364;nde verbreitet<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;o wird man darin leicht den Grund fin-<lb/>
den, warum auch diejenigen Rechte entweiht wer-<lb/>
den, die durch die Religion al&#x017F;o geheiligt werden.</p><lb/>
        <p>Wenn man auf die <hi rendition="#fr">&#x017F;chlechte morali&#x017F;ch feh-<lb/>
lerhafte Bildung un&#x017F;erer Jugend</hi> &#x017F;ein Au-<lb/>
genmerk richtet, wenn man gewahr wird, wie<lb/>
fru&#x0364;h wir anfangen, uns des be&#x017F;chwerlichen Man-<lb/>
tels der Sitt&#x017F;amkeit und Tugend zu entledigen,<lb/>
und durch &#x017F;tumme und laute Su&#x0364;nden &#x017F;chon im<lb/>
zwanzig&#x017F;ten Fru&#x0364;hling un&#x017F;ers Lebens verblu&#x0364;ht &#x017F;ind,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0023] Blutvergieſſen an Altaͤren der Gerechtigkeit, ſeh die Unſchuld in Ketten, auf dem Rade — alles dies ſeh ich in unſerm Jahrhundert, dem Zeit- alter des Geſchmaks und der Aufklaͤrung, ver- huͤlle mein Antliz und weine! — — Aber kann man die Urſachen nicht beſtim- men, die den Verfall unſerer moraliſchen Guͤte nach ſich ziehn? Diejenigen Triebfedern die unſer Herz ſo verderbt und boͤſe machen, daß wir mit Vorſaz die Rechte der Natur und Menſchheit entweihn, und Bande zerreiſſen, die das hoͤchſte Weſen um uns ſchlang? Wenn wir die Geringſchaͤzzung gegen die goͤttlichen Geſezze, die Verachtung der Re- ligion bemerken, die auf alle Staͤnde verbreitet iſt, ſo wird man darin leicht den Grund fin- den, warum auch diejenigen Rechte entweiht wer- den, die durch die Religion alſo geheiligt werden. Wenn man auf die ſchlechte moraliſch feh- lerhafte Bildung unſerer Jugend ſein Au- genmerk richtet, wenn man gewahr wird, wie fruͤh wir anfangen, uns des beſchwerlichen Man- tels der Sittſamkeit und Tugend zu entledigen, und durch ſtumme und laute Suͤnden ſchon im zwanzigſten Fruͤhling unſers Lebens verbluͤht ſind,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/23
Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/23>, abgerufen am 21.11.2024.