der Vorwelt, mir grosse und edle Thaten entzif- ferte, eben der Durst nach Warheit -- das Ringen und Streben nach Licht und Recht -- alles war bei ihm in einem noch weit grössern und überfliessendern Maasse. Jn ihm schlug ein warmes Herz für Religion -- sein ganzes Le- ben war eine Apologie der Tugend -- sein ganzes Leben der Ausbrnch edler Triebe -- edler Leidenschaften. Seine Empfindun- gen waren glühend und stark, sie ergossen sich gleich dem Strom, der im Früling sein Bette verläßt, und über grüne Wiesen hinweg rau- schet -- er hatte Thränen für das Elend, das über uns alle ausgegossen ist, er suchte es zu mildern, und Freude und Röthe auf blasse Wangen zurük zu leiten. Die Natur war bei ihm eine nie ver- siegende Quelle von Freude und Genus, er trank aus ihr Fülle des Herzens, Freude sonder Maas; die gütige Mutter Natur zeichnete ihm den Pfad seines Wallens vor, und er hing an ihr, wie der Säugling an der Brust seiner Ernährerin. Er sah das Purpurlicht des Tages im Osten herauf- dämmern, sah die majestätische Sonne dem Meer entsteigen, und mit ihr stieg sein Gebet zum Thron des Allvaters -- er sah, wie sie sich
der Vorwelt, mir groſſe und edle Thaten entzif- ferte, eben der Durſt nach Warheit — das Ringen und Streben nach Licht und Recht — alles war bei ihm in einem noch weit groͤſſern und uͤberflieſſendern Maaſſe. Jn ihm ſchlug ein warmes Herz fuͤr Religion — ſein ganzes Le- ben war eine Apologie der Tugend — ſein ganzes Leben der Ausbrnch edler Triebe — edler Leidenſchaften. Seine Empfindun- gen waren gluͤhend und ſtark, ſie ergoſſen ſich gleich dem Strom, der im Fruͤling ſein Bette verlaͤßt, und uͤber gruͤne Wieſen hinweg rau- ſchet — er hatte Thraͤnen fuͤr das Elend, das uͤber uns alle ausgegoſſen iſt, er ſuchte es zu mildern, und Freude und Roͤthe auf blaſſe Wangen zuruͤk zu leiten. Die Natur war bei ihm eine nie ver- ſiegende Quelle von Freude und Genus, er trank aus ihr Fuͤlle des Herzens, Freude ſonder Maas; die guͤtige Mutter Natur zeichnete ihm den Pfad ſeines Wallens vor, und er hing an ihr, wie der Saͤugling an der Bruſt ſeiner Ernaͤhrerin. Er ſah das Purpurlicht des Tages im Oſten herauf- daͤmmern, ſah die majeſtaͤtiſche Sonne dem Meer entſteigen, und mit ihr ſtieg ſein Gebet zum Thron des Allvaters — er ſah, wie ſie ſich
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der Vorwelt, mir groſſe und edle Thaten entzif-
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alles war bei ihm in einem noch weit groͤſſern
und uͤberflieſſendern Maaſſe. Jn ihm ſchlug ein
warmes Herz fuͤr Religion — ſein ganzes Le-
ben war eine Apologie der Tugend — ſein
ganzes Leben der Ausbrnch edler Triebe —
edler Leidenſchaften. Seine Empfindun-
gen waren gluͤhend und ſtark, ſie ergoſſen ſich
gleich dem Strom, der im Fruͤling ſein Bette
verlaͤßt, und uͤber gruͤne Wieſen hinweg rau-
ſchet — er hatte Thraͤnen fuͤr das Elend, das uͤber
uns alle ausgegoſſen iſt, er ſuchte es zu mildern,
und Freude und Roͤthe auf blaſſe Wangen zuruͤk
zu leiten. Die Natur war bei ihm eine nie ver-
ſiegende Quelle von Freude und Genus, er trank
aus ihr Fuͤlle des Herzens, Freude ſonder Maas;
die guͤtige Mutter Natur zeichnete ihm den Pfad
ſeines Wallens vor, und er hing an ihr, wie der
Saͤugling an der Bruſt ſeiner Ernaͤhrerin. Er
ſah das Purpurlicht des Tages im Oſten herauf-
daͤmmern, ſah die majeſtaͤtiſche Sonne dem
Meer entſteigen, und mit ihr ſtieg ſein Gebet
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/240>, abgerufen am 23.11.2024.
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