Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Ruhe und Trost auf mich herab, und erquikke die
ermattete Seele, die sich vergebens nach Hülfe seh-
net. Wie sogar anders ist es jezt mit mir, als es
ehedem war, denn da hatte ich noch ein Herz, es
war mein, zwischen der Natur und dem redlichen
Freunde teilte ich es, aber nun ist es nicht mehr
mein Eigentum, es ist mir entrissen, und wer ent-
riß es mir? O! daß ich es zurük rufen muste das
Bild, das sich nur zu oft vor meine Seele drängt,
das wachend und träumend meine Einbildungskraft
beschäftigt, das mich vergessen macht, daß ich ein
Mensch bin; und bin ich's jezt nicht mehr als je-
mals, der schwache hülflose Mensch? der bald nichts
mehr sein wird, als ein waudelndes Gerippe, ohne
Kraft und Tätigkeit, ohne Anhänglichkeit an das,
was gut und edel ist; und doch fühl ich oft einen
aufwallenden Mut, den lezten Funken der sich er-
hebenden Mannheit, mir die verlorne Freiheit zu er-
ringen -- aber dann wieder ein Blik von Jhr, und
ich bin elender, als zuvor, bin ein schwaches Rohr,
mit dem der laue West sein Spiel treibt; immer
rufe ich meiner Seele zu -- Morgen ein Tag, und
wieder ein Tag, und es wird anders werden --
aber es ist nur ein schwacher Laut der trügerischen
Hofnung, die mir zulispelt, "du wirst noch glük-
lich sein"!
Und würde ich auch noch sein, was ich
bin, wenn Hofnung nicht meinen Pfad mit Rosen

Ruhe und Troſt auf mich herab, und erquikke die
ermattete Seele, die ſich vergebens nach Huͤlfe ſeh-
net. Wie ſogar anders iſt es jezt mit mir, als es
ehedem war, denn da hatte ich noch ein Herz, es
war mein, zwiſchen der Natur und dem redlichen
Freunde teilte ich es, aber nun iſt es nicht mehr
mein Eigentum, es iſt mir entriſſen, und wer ent-
riß es mir? O! daß ich es zuruͤk rufen muſte das
Bild, das ſich nur zu oft vor meine Seele draͤngt,
das wachend und traͤumend meine Einbildungskraft
beſchaͤftigt, das mich vergeſſen macht, daß ich ein
Menſch bin; und bin ich’s jezt nicht mehr als je-
mals, der ſchwache huͤlfloſe Menſch? der bald nichts
mehr ſein wird, als ein waudelndes Gerippe, ohne
Kraft und Taͤtigkeit, ohne Anhaͤnglichkeit an das,
was gut und edel iſt; und doch fuͤhl ich oft einen
aufwallenden Mut, den lezten Funken der ſich er-
hebenden Mannheit, mir die verlorne Freiheit zu er-
ringen — aber dann wieder ein Blik von Jhr, und
ich bin elender, als zuvor, bin ein ſchwaches Rohr,
mit dem der laue Weſt ſein Spiel treibt; immer
rufe ich meiner Seele zu — Morgen ein Tag, und
wieder ein Tag, und es wird anders werden —
aber es iſt nur ein ſchwacher Laut der truͤgeriſchen
Hofnung, die mir zuliſpelt, „du wirſt noch gluͤk-
lich ſein‟!
Und wuͤrde ich auch noch ſein, was ich
bin, wenn Hofnung nicht meinen Pfad mit Roſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0250" n="242"/>
Ruhe und Tro&#x017F;t auf mich herab, und erquikke die<lb/>
ermattete Seele, die &#x017F;ich vergebens nach Hu&#x0364;lfe &#x017F;eh-<lb/>
net. Wie &#x017F;ogar anders i&#x017F;t es jezt mit mir, als es<lb/>
ehedem war, denn da hatte ich noch ein Herz, es<lb/>
war mein, zwi&#x017F;chen der Natur und dem redlichen<lb/>
Freunde teilte ich es, aber nun i&#x017F;t es nicht mehr<lb/>
mein Eigentum, es i&#x017F;t mir entri&#x017F;&#x017F;en, und wer ent-<lb/>
riß es mir? O! daß ich es zuru&#x0364;k rufen mu&#x017F;te das<lb/>
Bild, das &#x017F;ich nur zu oft vor meine Seele dra&#x0364;ngt,<lb/>
das wachend und tra&#x0364;umend meine Einbildungskraft<lb/>
be&#x017F;cha&#x0364;ftigt, das mich verge&#x017F;&#x017F;en macht, daß ich ein<lb/>
Men&#x017F;ch bin; und bin ich&#x2019;s jezt nicht mehr als je-<lb/>
mals, der &#x017F;chwache hu&#x0364;lflo&#x017F;e Men&#x017F;ch? der bald nichts<lb/>
mehr &#x017F;ein wird, als ein waudelndes Gerippe, ohne<lb/>
Kraft und Ta&#x0364;tigkeit, ohne Anha&#x0364;nglichkeit an das,<lb/>
was gut und edel i&#x017F;t; und doch fu&#x0364;hl ich oft einen<lb/>
aufwallenden Mut, den lezten Funken der &#x017F;ich er-<lb/>
hebenden Mannheit, mir die verlorne Freiheit zu er-<lb/>
ringen &#x2014; aber dann wieder ein Blik von Jhr, und<lb/>
ich bin elender, als zuvor, bin ein &#x017F;chwaches Rohr,<lb/>
mit dem der laue We&#x017F;t &#x017F;ein Spiel treibt; immer<lb/>
rufe ich meiner Seele zu &#x2014; Morgen ein Tag, und<lb/>
wieder ein Tag, und es wird anders werden &#x2014;<lb/>
aber es i&#x017F;t nur ein &#x017F;chwacher Laut der tru&#x0364;geri&#x017F;chen<lb/>
Hofnung, die mir zuli&#x017F;pelt, <hi rendition="#fr">&#x201E;du wir&#x017F;t noch glu&#x0364;k-<lb/>
lich &#x017F;ein&#x201F;!</hi> Und wu&#x0364;rde ich auch noch &#x017F;ein, was ich<lb/>
bin, wenn Hofnung nicht meinen Pfad mit Ro&#x017F;en<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0250] Ruhe und Troſt auf mich herab, und erquikke die ermattete Seele, die ſich vergebens nach Huͤlfe ſeh- net. Wie ſogar anders iſt es jezt mit mir, als es ehedem war, denn da hatte ich noch ein Herz, es war mein, zwiſchen der Natur und dem redlichen Freunde teilte ich es, aber nun iſt es nicht mehr mein Eigentum, es iſt mir entriſſen, und wer ent- riß es mir? O! daß ich es zuruͤk rufen muſte das Bild, das ſich nur zu oft vor meine Seele draͤngt, das wachend und traͤumend meine Einbildungskraft beſchaͤftigt, das mich vergeſſen macht, daß ich ein Menſch bin; und bin ich’s jezt nicht mehr als je- mals, der ſchwache huͤlfloſe Menſch? der bald nichts mehr ſein wird, als ein waudelndes Gerippe, ohne Kraft und Taͤtigkeit, ohne Anhaͤnglichkeit an das, was gut und edel iſt; und doch fuͤhl ich oft einen aufwallenden Mut, den lezten Funken der ſich er- hebenden Mannheit, mir die verlorne Freiheit zu er- ringen — aber dann wieder ein Blik von Jhr, und ich bin elender, als zuvor, bin ein ſchwaches Rohr, mit dem der laue Weſt ſein Spiel treibt; immer rufe ich meiner Seele zu — Morgen ein Tag, und wieder ein Tag, und es wird anders werden — aber es iſt nur ein ſchwacher Laut der truͤgeriſchen Hofnung, die mir zuliſpelt, „du wirſt noch gluͤk- lich ſein‟! Und wuͤrde ich auch noch ſein, was ich bin, wenn Hofnung nicht meinen Pfad mit Roſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/250
Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/250>, abgerufen am 22.11.2024.