Quell des Lebens, und die Blume welkt, und stirbt. -- --
Aus mit dir, kurzes Licht! Das Leben ist nur ein wandelnder Schatten -- eine Spazierreise des Pilgers durch ungebahnte Wüsten. Willst du ein Bild alles unsers Thuns hienieden haben, so nimm eine Seifenblase, sie wird dir in hellen Farben ent- gegen spielen, hauche sie aber an, so zerstiebt sie in alle Winde. -- Heute blüht das Veilchen auf, du freust dich seiner, und Morgen stirbt es vom ver- heerenden Nord dahin -- Heute wallst du frölichen Muts über den grünenden Rasen, und morgen liegst du matt und saftlos am Wege, der Wind pfeift durch Deine Lokken, und ein kalter Regen durch- näßt dein Gewand. So jammervoll und elend liegst du auf dem Boden gestrekt, daß du nicht einmal wagst Hülfe von Menschen zu erflehen, bis der Tod sich deiner Leiden erbarmet, und dich austilgt aus dem Buche des Lebens. Ach! er war so mancher Leiden- der Freund, nur meiner erbarmt er sich nicht, lie- ber klopft er an die Schwelle der blühenden Jugend, und reißt das vollwangigte Mädchen aus den fest umschlungenen Armen der trostlosen Mutter -- Nimm mich, Tödter des Grams, sieh! ich bin reif, reif zur Aernte, denn meine Säfte sind ausge- troknet, und ich sage zur Verwesung, du bist meine
Quell des Lebens, und die Blume welkt, und ſtirbt. — —
Aus mit dir, kurzes Licht! Das Leben iſt nur ein wandelnder Schatten — eine Spazierreiſe des Pilgers durch ungebahnte Wuͤſten. Willſt du ein Bild alles unſers Thuns hienieden haben, ſo nimm eine Seifenblaſe, ſie wird dir in hellen Farben ent- gegen ſpielen, hauche ſie aber an, ſo zerſtiebt ſie in alle Winde. — Heute bluͤht das Veilchen auf, du freuſt dich ſeiner, und Morgen ſtirbt es vom ver- heerenden Nord dahin — Heute wallſt du froͤlichen Muts uͤber den gruͤnenden Raſen, und morgen liegſt du matt und ſaftlos am Wege, der Wind pfeift durch Deine Lokken, und ein kalter Regen durch- naͤßt dein Gewand. So jammervoll und elend liegſt du auf dem Boden geſtrekt, daß du nicht einmal wagſt Huͤlfe von Menſchen zu erflehen, bis der Tod ſich deiner Leiden erbarmet, und dich austilgt aus dem Buche des Lebens. Ach! er war ſo mancher Leiden- der Freund, nur meiner erbarmt er ſich nicht, lie- ber klopft er an die Schwelle der bluͤhenden Jugend, und reißt das vollwangigte Maͤdchen aus den feſt umſchlungenen Armen der troſtloſen Mutter — Nimm mich, Toͤdter des Grams, ſieh! ich bin reif, reif zur Aernte, denn meine Saͤfte ſind ausge- troknet, und ich ſage zur Verweſung, du biſt meine
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Quell des Lebens, und die Blume welkt, und
ſtirbt. — —
Aus mit dir, kurzes Licht! Das Leben iſt nur
ein wandelnder Schatten — eine Spazierreiſe des
Pilgers durch ungebahnte Wuͤſten. Willſt du ein
Bild alles unſers Thuns hienieden haben, ſo nimm
eine Seifenblaſe, ſie wird dir in hellen Farben ent-
gegen ſpielen, hauche ſie aber an, ſo zerſtiebt ſie
in alle Winde. — Heute bluͤht das Veilchen auf,
du freuſt dich ſeiner, und Morgen ſtirbt es vom ver-
heerenden Nord dahin — Heute wallſt du froͤlichen
Muts uͤber den gruͤnenden Raſen, und morgen liegſt
du matt und ſaftlos am Wege, der Wind pfeift
durch Deine Lokken, und ein kalter Regen durch-
naͤßt dein Gewand. So jammervoll und elend liegſt
du auf dem Boden geſtrekt, daß du nicht einmal
wagſt Huͤlfe von Menſchen zu erflehen, bis der Tod ſich
deiner Leiden erbarmet, und dich austilgt aus dem
Buche des Lebens. Ach! er war ſo mancher Leiden-
der Freund, nur meiner erbarmt er ſich nicht, lie-
ber klopft er an die Schwelle der bluͤhenden Jugend,
und reißt das vollwangigte Maͤdchen aus den feſt
umſchlungenen Armen der troſtloſen Mutter —
Nimm mich, Toͤdter des Grams, ſieh! ich bin
reif, reif zur Aernte, denn meine Saͤfte ſind ausge-
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/260>, abgerufen am 21.11.2024.
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