Tod? Wie der Gedanke mich erheitert, wie er mich aussöhnt mit der Welt, und mit den Menschen, die mir das bischen Licht nicht gönnten, ohne das doch alles, was lebt, tod ist! --
Sterben? Wie lieblich das Wort lautet, es ist ein wolklingender Laut für den, der nichts mehr zu verlieren, der alles verloren hat, der sein Fahrzeug hat in den Grund bohren, und all' sein Glük an einer Sandschelle scheitern und sinken sehen. Aus also mit dir, kurzes Licht des Lebens? Möchtest du doch bald erlöschen! Fort mit dir, qualvolles Dasein! möchte dich kein neuer Morgen mehr zu neuem Elend wekken! -- --
So weit mein Freund. Genug für den, der den Gang seiner Empfindungen messen, und Leiden der Seele fühlen kann, und zu viel für den, der alles für schwärmerische Schimären hält, was nicht gerade zu auf die groben Bestandteile seiner Sinne wirkt.
Was nun die Liebe meines Freundes selbst, den Gegenstand derselben, und warum sie uner- hört blieb, anbetrifft, so will ich meine Hand auf den Mund legen, und schweigen. --
Seine Liebe war schuldlos und rein -- der Gegenstand war gewis der heissen Liebe eines sol-
Tod? Wie der Gedanke mich erheitert, wie er mich ausſoͤhnt mit der Welt, und mit den Menſchen, die mir das bischen Licht nicht goͤnnten, ohne das doch alles, was lebt, tod iſt! —
Sterben? Wie lieblich das Wort lautet, es iſt ein wolklingender Laut fuͤr den, der nichts mehr zu verlieren, der alles verloren hat, der ſein Fahrzeug hat in den Grund bohren, und all’ ſein Gluͤk an einer Sandſchelle ſcheitern und ſinken ſehen. Aus alſo mit dir, kurzes Licht des Lebens? Moͤchteſt du doch bald erloͤſchen! Fort mit dir, qualvolles Daſein! moͤchte dich kein neuer Morgen mehr zu neuem Elend wekken! — —
So weit mein Freund. Genug fuͤr den, der den Gang ſeiner Empfindungen meſſen, und Leiden der Seele fuͤhlen kann, und zu viel fuͤr den, der alles fuͤr ſchwaͤrmeriſche Schimaͤren haͤlt, was nicht gerade zu auf die groben Beſtandteile ſeiner Sinne wirkt.
Was nun die Liebe meines Freundes ſelbſt, den Gegenſtand derſelben, und warum ſie uner- hoͤrt blieb, anbetrifft, ſo will ich meine Hand auf den Mund legen, und ſchweigen. —
Seine Liebe war ſchuldlos und rein — der Gegenſtand war gewis der heiſſen Liebe eines ſol-
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Tod? Wie der Gedanke mich erheitert, wie er
mich ausſoͤhnt mit der Welt, und mit den Menſchen,
die mir das bischen Licht nicht goͤnnten, ohne das
doch alles, was lebt, tod iſt! —
Sterben? Wie lieblich das Wort lautet, es iſt
ein wolklingender Laut fuͤr den, der nichts mehr zu
verlieren, der alles verloren hat, der ſein Fahrzeug
hat in den Grund bohren, und all’ ſein Gluͤk an
einer Sandſchelle ſcheitern und ſinken ſehen. Aus
alſo mit dir, kurzes Licht des Lebens? Moͤchteſt
du doch bald erloͤſchen! Fort mit dir, qualvolles
Daſein! moͤchte dich kein neuer Morgen mehr zu
neuem Elend wekken! — —
So weit mein Freund. Genug fuͤr den, der
den Gang ſeiner Empfindungen meſſen, und
Leiden der Seele fuͤhlen kann, und zu viel fuͤr
den, der alles fuͤr ſchwaͤrmeriſche Schimaͤren haͤlt,
was nicht gerade zu auf die groben Beſtandteile
ſeiner Sinne wirkt.
Was nun die Liebe meines Freundes ſelbſt,
den Gegenſtand derſelben, und warum ſie uner-
hoͤrt blieb, anbetrifft, ſo will ich meine Hand
auf den Mund legen, und ſchweigen. —
Seine Liebe war ſchuldlos und rein — der
Gegenſtand war gewis der heiſſen Liebe eines ſol-
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/262>, abgerufen am 21.06.2024.
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