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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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und man wird staunen, daß man auch hierin
der Stimme der Menschheit so wenig Gehör
gibt. Es sind gemeiniglich unterirdische Ge-
wölbe, dumpf, düster und öde, wo nur selten
ein Stral des Lichts hindurch dämmern kann.
Feuchte und ungesunde Dünste erfüllen die Luft,
alles haucht den Geist der Fäulniß und Ver-
wesung.
Und dis ist der Aufenthalt der Men-
schen, die wider die Gesezze gesündigt, die sich ei-
nes Fehltritts schuldig gemacht haben. Hier müssen
sie ihre Schulden abbüssen, Jahre vertrauren, und
dann mit dem Verlust ihrer Gesundheit -- mit
der gänzlichen Zerrüttung ihres Nervenbaus wie-
der in die lebende Welt zurük kehren. Was hat
der Richter für ein Recht auf die Gesundheit des
schuldigen Bürgers? was hat er für Recht, sein
ganzes Leben siech und elend zu machen? Ge-
sezt auch, er soll einen Bürger zur Strafe zie-
hen, der sich eines Diebstals schuldig gemacht,
der, um seine Familie vom schmälichen Hunger-
tode zu retten, eine That beging, die er in glük-
lichen Tagen nie würde begangen haben, gesezt
man erkennt ihm einige Jahre Gefängnißstrafe
zu, muß deshalb das Gefängniß eine Behausung
der Schlangen und Skorpionen sein? ist das Ver-

und man wird ſtaunen, daß man auch hierin
der Stimme der Menſchheit ſo wenig Gehoͤr
gibt. Es ſind gemeiniglich unterirdiſche Ge-
woͤlbe, dumpf, duͤſter und oͤde, wo nur ſelten
ein Stral des Lichts hindurch daͤmmern kann.
Feuchte und ungeſunde Duͤnſte erfuͤllen die Luft,
alles haucht den Geiſt der Faͤulniß und Ver-
weſung.
Und dis iſt der Aufenthalt der Men-
ſchen, die wider die Geſezze geſuͤndigt, die ſich ei-
nes Fehltritts ſchuldig gemacht haben. Hier muͤſſen
ſie ihre Schulden abbuͤſſen, Jahre vertrauren, und
dann mit dem Verluſt ihrer Geſundheit — mit
der gaͤnzlichen Zerruͤttung ihres Nervenbaus wie-
der in die lebende Welt zuruͤk kehren. Was hat
der Richter fuͤr ein Recht auf die Geſundheit des
ſchuldigen Buͤrgers? was hat er fuͤr Recht, ſein
ganzes Leben ſiech und elend zu machen? Ge-
ſezt auch, er ſoll einen Buͤrger zur Strafe zie-
hen, der ſich eines Diebſtals ſchuldig gemacht,
der, um ſeine Familie vom ſchmaͤlichen Hunger-
tode zu retten, eine That beging, die er in gluͤk-
lichen Tagen nie wuͤrde begangen haben, geſezt
man erkennt ihm einige Jahre Gefaͤngnißſtrafe
zu, muß deshalb das Gefaͤngniß eine Behauſung
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[262/0270] und man wird ſtaunen, daß man auch hierin der Stimme der Menſchheit ſo wenig Gehoͤr gibt. Es ſind gemeiniglich unterirdiſche Ge- woͤlbe, dumpf, duͤſter und oͤde, wo nur ſelten ein Stral des Lichts hindurch daͤmmern kann. Feuchte und ungeſunde Duͤnſte erfuͤllen die Luft, alles haucht den Geiſt der Faͤulniß und Ver- weſung. Und dis iſt der Aufenthalt der Men- ſchen, die wider die Geſezze geſuͤndigt, die ſich ei- nes Fehltritts ſchuldig gemacht haben. Hier muͤſſen ſie ihre Schulden abbuͤſſen, Jahre vertrauren, und dann mit dem Verluſt ihrer Geſundheit — mit der gaͤnzlichen Zerruͤttung ihres Nervenbaus wie- der in die lebende Welt zuruͤk kehren. Was hat der Richter fuͤr ein Recht auf die Geſundheit des ſchuldigen Buͤrgers? was hat er fuͤr Recht, ſein ganzes Leben ſiech und elend zu machen? Ge- ſezt auch, er ſoll einen Buͤrger zur Strafe zie- hen, der ſich eines Diebſtals ſchuldig gemacht, der, um ſeine Familie vom ſchmaͤlichen Hunger- tode zu retten, eine That beging, die er in gluͤk- lichen Tagen nie wuͤrde begangen haben, geſezt man erkennt ihm einige Jahre Gefaͤngnißſtrafe zu, muß deshalb das Gefaͤngniß eine Behauſung der Schlangen und Skorpionen ſein? iſt das Ver-

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/270>, abgerufen am 22.11.2024.