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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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einst ans Licht bringen wirst, was im Finstern
verborgen lag, da wird die Hülle dem blöden
Auge entfallen, und wir werden kniend an dei-
nem Trone ausrufen: Herr! du bist gerecht,
und alle deine Werke sind rechtschaffen!
--

O wie viele Unglükliche seufzen in den Ge-
wölben des Elends, ohne was verbrochen zu ha-
ben? wie viele müssen die Schulden anderer büs-
sen, und ein Raub der Bosheit werden? wie
viele sterben als ein Raub der blassen Verzweife-
lung, des Hungers und der Auszehrung dahin,
ohne sich einer Schuld bewust zu sein? und wenn
auch endlich die Unschuld unter der Hülle der
Bosheit, rein und unbeflekt ans Licht trit, was
ist der Ersaz für die Leiden durchkämpfter Tage,
für die Leiden schlafloser Nächte? Kann einmal
verlorne Ruhe der Seele wieder gewonnen wer-
den? kann die zerstörte Gesundheit des Körpers
wieder ersezt, und das einmal erloschene Feuer
auf blasse Wangen zurük geleitet werden? welcher
Richter kann das? er müste ein Gott sein --
Wodurch will er die verlebten trüben Tage auf-
wiegen, wodurch verlorne Ehre, Glük und
Wolstand wieder erkaufen? etwa durch Los-
sprechung von Sünde und Fehl, durch eine elende

einſt ans Licht bringen wirſt, was im Finſtern
verborgen lag, da wird die Huͤlle dem bloͤden
Auge entfallen, und wir werden kniend an dei-
nem Trone ausrufen: Herr! du biſt gerecht,
und alle deine Werke ſind rechtſchaffen!

O wie viele Ungluͤkliche ſeufzen in den Ge-
woͤlben des Elends, ohne was verbrochen zu ha-
ben? wie viele muͤſſen die Schulden anderer buͤſ-
ſen, und ein Raub der Bosheit werden? wie
viele ſterben als ein Raub der blaſſen Verzweife-
lung, des Hungers und der Auszehrung dahin,
ohne ſich einer Schuld bewuſt zu ſein? und wenn
auch endlich die Unſchuld unter der Huͤlle der
Bosheit, rein und unbeflekt ans Licht trit, was
iſt der Erſaz fuͤr die Leiden durchkaͤmpfter Tage,
fuͤr die Leiden ſchlafloſer Naͤchte? Kann einmal
verlorne Ruhe der Seele wieder gewonnen wer-
den? kann die zerſtoͤrte Geſundheit des Koͤrpers
wieder erſezt, und das einmal erloſchene Feuer
auf blaſſe Wangen zuruͤk geleitet werden? welcher
Richter kann das? er muͤſte ein Gott ſein —
Wodurch will er die verlebten truͤben Tage auf-
wiegen, wodurch verlorne Ehre, Gluͤk und
Wolſtand wieder erkaufen? etwa durch Los-
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[268/0276] einſt ans Licht bringen wirſt, was im Finſtern verborgen lag, da wird die Huͤlle dem bloͤden Auge entfallen, und wir werden kniend an dei- nem Trone ausrufen: Herr! du biſt gerecht, und alle deine Werke ſind rechtſchaffen! — O wie viele Ungluͤkliche ſeufzen in den Ge- woͤlben des Elends, ohne was verbrochen zu ha- ben? wie viele muͤſſen die Schulden anderer buͤſ- ſen, und ein Raub der Bosheit werden? wie viele ſterben als ein Raub der blaſſen Verzweife- lung, des Hungers und der Auszehrung dahin, ohne ſich einer Schuld bewuſt zu ſein? und wenn auch endlich die Unſchuld unter der Huͤlle der Bosheit, rein und unbeflekt ans Licht trit, was iſt der Erſaz fuͤr die Leiden durchkaͤmpfter Tage, fuͤr die Leiden ſchlafloſer Naͤchte? Kann einmal verlorne Ruhe der Seele wieder gewonnen wer- den? kann die zerſtoͤrte Geſundheit des Koͤrpers wieder erſezt, und das einmal erloſchene Feuer auf blaſſe Wangen zuruͤk geleitet werden? welcher Richter kann das? er muͤſte ein Gott ſein — Wodurch will er die verlebten truͤben Tage auf- wiegen, wodurch verlorne Ehre, Gluͤk und Wolſtand wieder erkaufen? etwa durch Los- ſprechung von Suͤnde und Fehl, durch eine elende

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/276>, abgerufen am 22.11.2024.