die Natur noch mit ihrer allbelebenden Fülle auf mich wirkte, kaum erinnere ich mich noch dieser glüklichen Zeit, und daß ich sie verlebt habe, ist mir wie ein schöner Traum, den der Morgen mir entführt. Mein Vater starb, und mit sei- nem Tode schien das Unglük einen Bund mit den Harpyen der Menschen gemacht zu haben, mich zu verfolgen. Den größten Theil des väter- lichen Nachlasses büßte ich durch den Bankerut eines Handlungshauses ein, und das Wenige, was ich noch rettete, reichte kaum zu, mir den notdürftigen Unterhalt zu verschaffen. Jn dem sichern Vertrauen, daß Gott die Seinen nie ver- läßt, und unterstüzt von einigen Freunden mei- nes Vaters, betrat ich die hohe Schule, um mich der Rechtswissenschaft zu widmen. Jch lebte hier still und eingezogen, und widmete mich bloß den Wissenschaften. Da mein Geld nur bloß dazu hinreichend war, mir ein notdürftiges Auskommen zu verschaffen, so vermied ich alle solche Gelegenheiten, wo Schwelgerei mit ihren Gefährten ihren Siz aufgeschlagen hat. Dadurch zog ich mir den Haß einiger meiner Mitstudiren- den zu, die an ein liederliches Leben gewöhnt, es nicht dulden wollten, daß ein anderer seine
die Natur noch mit ihrer allbelebenden Fuͤlle auf mich wirkte, kaum erinnere ich mich noch dieſer gluͤklichen Zeit, und daß ich ſie verlebt habe, iſt mir wie ein ſchoͤner Traum, den der Morgen mir entfuͤhrt. Mein Vater ſtarb, und mit ſei- nem Tode ſchien das Ungluͤk einen Bund mit den Harpyen der Menſchen gemacht zu haben, mich zu verfolgen. Den groͤßten Theil des vaͤter- lichen Nachlaſſes buͤßte ich durch den Bankerut eines Handlungshauſes ein, und das Wenige, was ich noch rettete, reichte kaum zu, mir den notduͤrftigen Unterhalt zu verſchaffen. Jn dem ſichern Vertrauen, daß Gott die Seinen nie ver- laͤßt, und unterſtuͤzt von einigen Freunden mei- nes Vaters, betrat ich die hohe Schule, um mich der Rechtswiſſenſchaft zu widmen. Jch lebte hier ſtill und eingezogen, und widmete mich bloß den Wiſſenſchaften. Da mein Geld nur bloß dazu hinreichend war, mir ein notduͤrftiges Auskommen zu verſchaffen, ſo vermied ich alle ſolche Gelegenheiten, wo Schwelgerei mit ihren Gefaͤhrten ihren Siz aufgeſchlagen hat. Dadurch zog ich mir den Haß einiger meiner Mitſtudiren- den zu, die an ein liederliches Leben gewoͤhnt, es nicht dulden wollten, daß ein anderer ſeine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0284"n="276"/>
die Natur noch mit ihrer allbelebenden Fuͤlle auf<lb/>
mich wirkte, kaum erinnere ich mich noch dieſer<lb/>
gluͤklichen Zeit, und daß ich ſie verlebt habe, iſt<lb/>
mir wie ein ſchoͤner Traum, den der Morgen<lb/>
mir entfuͤhrt. Mein Vater ſtarb, und mit ſei-<lb/>
nem Tode ſchien das Ungluͤk einen Bund mit<lb/>
den Harpyen der Menſchen gemacht zu haben,<lb/>
mich zu verfolgen. Den groͤßten Theil des vaͤter-<lb/>
lichen Nachlaſſes buͤßte ich durch den Bankerut<lb/>
eines Handlungshauſes ein, und das Wenige,<lb/>
was ich noch rettete, reichte kaum zu, mir den<lb/>
notduͤrftigen Unterhalt zu verſchaffen. Jn dem<lb/>ſichern Vertrauen, daß Gott die Seinen nie ver-<lb/>
laͤßt, und unterſtuͤzt von einigen Freunden mei-<lb/>
nes Vaters, betrat ich die hohe Schule, um<lb/>
mich der Rechtswiſſenſchaft zu widmen. Jch<lb/>
lebte hier ſtill und eingezogen, und widmete mich<lb/>
bloß den Wiſſenſchaften. Da mein Geld nur bloß<lb/>
dazu hinreichend war, mir ein notduͤrftiges<lb/>
Auskommen zu verſchaffen, ſo vermied ich alle<lb/>ſolche Gelegenheiten, wo Schwelgerei mit ihren<lb/>
Gefaͤhrten ihren Siz aufgeſchlagen hat. Dadurch<lb/>
zog ich mir den Haß einiger meiner Mitſtudiren-<lb/>
den zu, die an ein liederliches Leben gewoͤhnt,<lb/>
es nicht dulden wollten, daß ein anderer ſeine<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[276/0284]
die Natur noch mit ihrer allbelebenden Fuͤlle auf
mich wirkte, kaum erinnere ich mich noch dieſer
gluͤklichen Zeit, und daß ich ſie verlebt habe, iſt
mir wie ein ſchoͤner Traum, den der Morgen
mir entfuͤhrt. Mein Vater ſtarb, und mit ſei-
nem Tode ſchien das Ungluͤk einen Bund mit
den Harpyen der Menſchen gemacht zu haben,
mich zu verfolgen. Den groͤßten Theil des vaͤter-
lichen Nachlaſſes buͤßte ich durch den Bankerut
eines Handlungshauſes ein, und das Wenige,
was ich noch rettete, reichte kaum zu, mir den
notduͤrftigen Unterhalt zu verſchaffen. Jn dem
ſichern Vertrauen, daß Gott die Seinen nie ver-
laͤßt, und unterſtuͤzt von einigen Freunden mei-
nes Vaters, betrat ich die hohe Schule, um
mich der Rechtswiſſenſchaft zu widmen. Jch
lebte hier ſtill und eingezogen, und widmete mich
bloß den Wiſſenſchaften. Da mein Geld nur bloß
dazu hinreichend war, mir ein notduͤrftiges
Auskommen zu verſchaffen, ſo vermied ich alle
ſolche Gelegenheiten, wo Schwelgerei mit ihren
Gefaͤhrten ihren Siz aufgeſchlagen hat. Dadurch
zog ich mir den Haß einiger meiner Mitſtudiren-
den zu, die an ein liederliches Leben gewoͤhnt,
es nicht dulden wollten, daß ein anderer ſeine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/284>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.