Seele, die sich meiner annahm. Nun habe ich wenigstens eine Stäte, wo ich mein mattes Haupt hinlegen kann, es ist die Hütte eines ar- men Tagelöhners, dem ich einst das Leben rettete, da er halb erstarrt am Wege lag. Mehr vermag seine Armut nicht, als diese Freistatt, denn er muß eine Frau und sechs Kinder mit sei- ner Hände Arbeit ernähren, aber es hat noch im- mer gutgesinnte Gemüter gegeben, die mich mit ihren Wolthaten unterstüzt, und mir dis elende Le- ben gefristet haben. Der dort oben wohnt, wird's ihnen lohnen, dis ist mein Morgen und Abend- gebet, und mir gebe er bald ein sanftes Ende, einen heitern Zurükblieb auf die verlebten Tage, und einen frohen Hinblik auf jenes Land, wo wir aller Trübsale entbunden, und frei sind. --
Hier erheiterte sich das matte Auge des Grei- ses, es dämmerte so eine helle Klarheit unter dem Flor der Traurigkeit hervor, daß mir ein je- der anderer Beweis für die Unsterblichkeit, und künftige Fortdauer überflüssig zu sein schien. Es war ein Blik des ruhigen Pil- gers, der seine Laufbahn zurük gelegt hat, und mit Wonnegefühl ausrufen kann, Gottlob, ich
Seele, die ſich meiner annahm. Nun habe ich wenigſtens eine Staͤte, wo ich mein mattes Haupt hinlegen kann, es iſt die Huͤtte eines ar- men Tageloͤhners, dem ich einſt das Leben rettete, da er halb erſtarrt am Wege lag. Mehr vermag ſeine Armut nicht, als dieſe Freiſtatt, denn er muß eine Frau und ſechs Kinder mit ſei- ner Haͤnde Arbeit ernaͤhren, aber es hat noch im- mer gutgeſinnte Gemuͤter gegeben, die mich mit ihren Wolthaten unterſtuͤzt, und mir dis elende Le- ben gefriſtet haben. Der dort oben wohnt, wird’s ihnen lohnen, dis iſt mein Morgen und Abend- gebet, und mir gebe er bald ein ſanftes Ende, einen heitern Zuruͤkblieb auf die verlebten Tage, und einen frohen Hinblik auf jenes Land, wo wir aller Truͤbſale entbunden, und frei ſind. —
Hier erheiterte ſich das matte Auge des Grei- ſes, es daͤmmerte ſo eine helle Klarheit unter dem Flor der Traurigkeit hervor, daß mir ein je- der anderer Beweis fuͤr die Unſterblichkeit, und kuͤnftige Fortdauer uͤberfluͤſſig zu ſein ſchien. Es war ein Blik des ruhigen Pil- gers, der ſeine Laufbahn zuruͤk gelegt hat, und mit Wonnegefuͤhl ausrufen kann, Gottlob, ich
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Seele, die ſich meiner annahm. Nun habe ich
wenigſtens eine Staͤte, wo ich mein mattes
Haupt hinlegen kann, es iſt die Huͤtte eines ar-
men Tageloͤhners, dem ich einſt das Leben
rettete, da er halb erſtarrt am Wege lag. Mehr
vermag ſeine Armut nicht, als dieſe Freiſtatt,
denn er muß eine Frau und ſechs Kinder mit ſei-
ner Haͤnde Arbeit ernaͤhren, aber es hat noch im-
mer gutgeſinnte Gemuͤter gegeben, die mich mit
ihren Wolthaten unterſtuͤzt, und mir dis elende Le-
ben gefriſtet haben. Der dort oben wohnt, wird’s
ihnen lohnen, dis iſt mein Morgen und Abend-
gebet, und mir gebe er bald ein ſanftes Ende,
einen heitern Zuruͤkblieb auf die verlebten Tage,
und einen frohen Hinblik auf jenes Land, wo
wir aller Truͤbſale entbunden, und frei ſind. —
Hier erheiterte ſich das matte Auge des Grei-
ſes, es daͤmmerte ſo eine helle Klarheit unter
dem Flor der Traurigkeit hervor, daß mir ein je-
der anderer Beweis fuͤr die Unſterblichkeit,
und kuͤnftige Fortdauer uͤberfluͤſſig zu ſein
ſchien. Es war ein Blik des ruhigen Pil-
gers, der ſeine Laufbahn zuruͤk gelegt hat, und
mit Wonnegefuͤhl ausrufen kann, Gottlob, ich
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/294>, abgerufen am 22.11.2024.
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