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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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ten glauben, als wenn sie mit einem gewissen
Stolz über andere Stände hinwegschauen. Der
Erwerb von Schäzzen macht bei ihnen die Grenz-
linie ihres Verstandes aus, höher kann er sich
nicht hinaufschwingen, und daher ist Reichtum
der Gözze, dem sie reichliche Opfer spenden. Alles,
was Kunst und Fleiß grosses hervorbringt, verach-
ten sie, weil sie es nicht zu schäzzen wissen; der
Eifer für die Wissenschaften, der Durst nach
Warheit, die Verfeinerung des Verstandes, und
das Ringen und Streben nach immer höhern
Begriffen, ist ihnen ein Rätsel, und daher su-
chen sie sich immer in einer gewissen Entfernung
von den Gesellschaften zu erhalten, wo man
nicht blos von Courant und Wechselcours
spricht.

Dieses Gelichters war denn auch Juliens
Vater
-- Da sie das einzige Kind war, so war der
Gedanke bei ihm der erste und lezte, der ihm die
Ruhe mancher Nacht stal, und oft im Traum
beschlich, sich durch ihre glänzende Verbindung
höher hinaufzuschwingen, und die Verwaltung des
Staats durch die nahe Verbindung mit einem ho-
hen Hause nach seiner Willkühr zu lenken. Um
desto eher zu diesem Zwek zu gelangen, ließ er

ten glauben, als wenn ſie mit einem gewiſſen
Stolz uͤber andere Staͤnde hinwegſchauen. Der
Erwerb von Schaͤzzen macht bei ihnen die Grenz-
linie ihres Verſtandes aus, hoͤher kann er ſich
nicht hinaufſchwingen, und daher iſt Reichtum
der Goͤzze, dem ſie reichliche Opfer ſpenden. Alles,
was Kunſt und Fleiß groſſes hervorbringt, verach-
ten ſie, weil ſie es nicht zu ſchaͤzzen wiſſen; der
Eifer fuͤr die Wiſſenſchaften, der Durſt nach
Warheit, die Verfeinerung des Verſtandes, und
das Ringen und Streben nach immer hoͤhern
Begriffen, iſt ihnen ein Raͤtſel, und daher ſu-
chen ſie ſich immer in einer gewiſſen Entfernung
von den Geſellſchaften zu erhalten, wo man
nicht blos von Courant und Wechſelcours
ſpricht.

Dieſes Gelichters war denn auch Juliens
Vater
— Da ſie das einzige Kind war, ſo war der
Gedanke bei ihm der erſte und lezte, der ihm die
Ruhe mancher Nacht ſtal, und oft im Traum
beſchlich, ſich durch ihre glaͤnzende Verbindung
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Staats durch die nahe Verbindung mit einem ho-
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[75/0083] ten glauben, als wenn ſie mit einem gewiſſen Stolz uͤber andere Staͤnde hinwegſchauen. Der Erwerb von Schaͤzzen macht bei ihnen die Grenz- linie ihres Verſtandes aus, hoͤher kann er ſich nicht hinaufſchwingen, und daher iſt Reichtum der Goͤzze, dem ſie reichliche Opfer ſpenden. Alles, was Kunſt und Fleiß groſſes hervorbringt, verach- ten ſie, weil ſie es nicht zu ſchaͤzzen wiſſen; der Eifer fuͤr die Wiſſenſchaften, der Durſt nach Warheit, die Verfeinerung des Verſtandes, und das Ringen und Streben nach immer hoͤhern Begriffen, iſt ihnen ein Raͤtſel, und daher ſu- chen ſie ſich immer in einer gewiſſen Entfernung von den Geſellſchaften zu erhalten, wo man nicht blos von Courant und Wechſelcours ſpricht. Dieſes Gelichters war denn auch Juliens Vater — Da ſie das einzige Kind war, ſo war der Gedanke bei ihm der erſte und lezte, der ihm die Ruhe mancher Nacht ſtal, und oft im Traum beſchlich, ſich durch ihre glaͤnzende Verbindung hoͤher hinaufzuſchwingen, und die Verwaltung des Staats durch die nahe Verbindung mit einem ho- hen Hauſe nach ſeiner Willkuͤhr zu lenken. Um deſto eher zu dieſem Zwek zu gelangen, ließ er

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/83>, abgerufen am 11.12.2024.