Koch, Konrad: Der erziehliche Wert der Jugendspiele. In: E. von Schenckendorff/ F. A. Schmidt (Hg.): Über Jugend- und Volksspiele. 1. Jahrgang. Hannover-Linden, 1892. S. 5-7.lung zurückbleibt und zu einer Mißgestalt, zum Krüppel heranwächst, Es ist hier streng zu scheiden zwischen wirklichem Spiel und eitler Die Schulspiele dürfen nicht als bloße Leibesübungen angesehen lung zurückbleibt und zu einer Mißgestalt, zum Krüppel heranwächst, Es ist hier streng zu scheiden zwischen wirklichem Spiel und eitler Die Schulspiele dürfen nicht als bloße Leibesübungen angesehen <TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0003" n="6"/> lung zurückbleibt und zu einer Mißgestalt, zum Krüppel heranwächst,<lb/> wie die junge Pflanze, der es an Licht und Luft fehlt.</p><lb/> <p>Es ist hier streng zu scheiden zwischen wirklichem Spiel und eitler<lb/> Spielerei. Dieser ist es nur darum zu thun, die Stunden mühelos aber<lb/> auch nutzlos auszufüllen. Das echte Spiel dagegen will nicht minder<lb/> mit Anspannung aller Kräfte betrieben werden, als die Arbeit, nur daß<lb/> dabei die Freiheit gewahrt bleibt. Das ist das untrügliche Kennzeichen<lb/> eines guten Spieles, daß dabei alle freiwillig ihr Bestes thun und keine<lb/> Anstrengung scheuen. Der Erzieher, der, weil es einmal bei der Er-<lb/> ziehung nicht ohne Zwang abgeht, in der Ausübung dieses Zwanges<lb/> seine Hauptaufgabe sieht, versäumt darüber die schönste und höchste<lb/> Pflicht seines Berufes. Nur den schlechten Eigenschaften der Jugend<lb/> gegenüber ist der Zwang berechtigt. Der einsichtsvolle Erzieher wird<lb/> sich vielmehr an das Gute in ihr halten, dies zu entwickeln und zu<lb/> fördern suchen, ihm Raum und Gelegenheit schaffen, daß es hervortreten<lb/> und sich geltend machen könne. Und das ist nur zu erreichen auf dem<lb/> Boden der Freiheit. Auch für den Unterricht sind die köstlichsten Er-<lb/> folge nur dann erreichbar, wenn er im Schüler selbst die freie Luft an<lb/> der Arbeit zu erwecken weiß. So erwirbt sich Jeder körperliche Tüchtig-<lb/> keit von frühester Jugend auf am besten im freien Spiele. Zunächst<lb/> übt das Einzelspiel seine Kraft und Geschicklichkeit, dann reizt beim<lb/> Spielen mit Geschwistern oder den nächststehenden Altersgenossen der<lb/> Wetteifer zu stärkern Leistungen, endlich umfängt ihn die Gemeinschaft<lb/> der Schule und treibt ihn an, vor einem weitern Kreise in den Schul-<lb/> spielen sein Bestes zu versuchen.</p><lb/> <p>Die Schulspiele dürfen nicht als bloße Leibesübungen angesehen<lb/> werden, sondern sie sollen die Schuljugend zu einem Jugendgemeinwesen<lb/> im Sinne Fichtes vereinigen. Näher als in der Schule bringt der ge-<lb/> sellige Verkehr auf dem Spielplatze die Knaben zusammen, lehrt sie, Ver-<lb/> träglichkeit und Selbstbeherrschung im Verkehre mit den andern zu<lb/> üben, daneben auch sich in ihrer Mitte geltend zu machen. Indem<lb/> der einzelne im freien Spiele selbst seine Rechte zu wahren, die der<lb/> andern anzuerkennen lernt, entfaltet sich in ihm der Rechtssinn. Indem<lb/> er mit seinen Genossen in die Wette um den Sieg ringt, den mutigen<lb/> Gewinner gekrönt, den trägen Schwächling verspottet sieht, erwacht in<lb/> ihm die Thatkraft, die Luft, zu wagen und seine Kräfte voll einzusetzen.<lb/> Schließlich ist es der schönste Erfolg des Spiellebens, wenn in dem<lb/> einzelnen durch die Erkenntnis des gemeinsamen Zweckes das Gefühl für<lb/> die Zugehörigkeit zu dem großen Ganzen wachgerufen wird, und er selbst<lb/> unter Verzichtleistung auf eigene Auszeichnung im Kreise seiner Ge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [6/0003]
lung zurückbleibt und zu einer Mißgestalt, zum Krüppel heranwächst,
wie die junge Pflanze, der es an Licht und Luft fehlt.
Es ist hier streng zu scheiden zwischen wirklichem Spiel und eitler
Spielerei. Dieser ist es nur darum zu thun, die Stunden mühelos aber
auch nutzlos auszufüllen. Das echte Spiel dagegen will nicht minder
mit Anspannung aller Kräfte betrieben werden, als die Arbeit, nur daß
dabei die Freiheit gewahrt bleibt. Das ist das untrügliche Kennzeichen
eines guten Spieles, daß dabei alle freiwillig ihr Bestes thun und keine
Anstrengung scheuen. Der Erzieher, der, weil es einmal bei der Er-
ziehung nicht ohne Zwang abgeht, in der Ausübung dieses Zwanges
seine Hauptaufgabe sieht, versäumt darüber die schönste und höchste
Pflicht seines Berufes. Nur den schlechten Eigenschaften der Jugend
gegenüber ist der Zwang berechtigt. Der einsichtsvolle Erzieher wird
sich vielmehr an das Gute in ihr halten, dies zu entwickeln und zu
fördern suchen, ihm Raum und Gelegenheit schaffen, daß es hervortreten
und sich geltend machen könne. Und das ist nur zu erreichen auf dem
Boden der Freiheit. Auch für den Unterricht sind die köstlichsten Er-
folge nur dann erreichbar, wenn er im Schüler selbst die freie Luft an
der Arbeit zu erwecken weiß. So erwirbt sich Jeder körperliche Tüchtig-
keit von frühester Jugend auf am besten im freien Spiele. Zunächst
übt das Einzelspiel seine Kraft und Geschicklichkeit, dann reizt beim
Spielen mit Geschwistern oder den nächststehenden Altersgenossen der
Wetteifer zu stärkern Leistungen, endlich umfängt ihn die Gemeinschaft
der Schule und treibt ihn an, vor einem weitern Kreise in den Schul-
spielen sein Bestes zu versuchen.
Die Schulspiele dürfen nicht als bloße Leibesübungen angesehen
werden, sondern sie sollen die Schuljugend zu einem Jugendgemeinwesen
im Sinne Fichtes vereinigen. Näher als in der Schule bringt der ge-
sellige Verkehr auf dem Spielplatze die Knaben zusammen, lehrt sie, Ver-
träglichkeit und Selbstbeherrschung im Verkehre mit den andern zu
üben, daneben auch sich in ihrer Mitte geltend zu machen. Indem
der einzelne im freien Spiele selbst seine Rechte zu wahren, die der
andern anzuerkennen lernt, entfaltet sich in ihm der Rechtssinn. Indem
er mit seinen Genossen in die Wette um den Sieg ringt, den mutigen
Gewinner gekrönt, den trägen Schwächling verspottet sieht, erwacht in
ihm die Thatkraft, die Luft, zu wagen und seine Kräfte voll einzusetzen.
Schließlich ist es der schönste Erfolg des Spiellebens, wenn in dem
einzelnen durch die Erkenntnis des gemeinsamen Zweckes das Gefühl für
die Zugehörigkeit zu dem großen Ganzen wachgerufen wird, und er selbst
unter Verzichtleistung auf eigene Auszeichnung im Kreise seiner Ge-
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