Köhler, Ulrich: Gedächtnissrede auf Ernst Curtius. Berlin, 1897.U. KÖHLER:
U. KÖHLER:
<TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0006" n="6"/> <fw type="header" place="top"><lb/> U. <hi rendition="#k">KÖHLER</hi>:</fw> <fw type="pageNum" place="top">4</fw> <p><lb/> man es wohl aussprechen hört. Im Jahr 1814 in der alten Hansestadt<lb/> Lübeck als Sohn eines hochgebildeten, patriotisch gesinnten Vaters geboren<lb/> und von der Natur körperlich wie geistig mit freigebiger Hand ausgestattet,<lb/> ist er in Verhältnissen aufgewachsen, welche eine harmonische Ausbildung<lb/> der ihm verliehenen Gaben und Fähigkeiten ermöglichten und ihn gegen<lb/> den niederdrückenden Einfluſs materieller Nothdurft sicher stellten. Seiner<lb/> Vaterstadt hat Curtius, auch nachdem ihm die geschichtliche Mission<lb/> Preuſsens in Deutschland zum Bewuſstsein gekommen und nachdem die<lb/> Stunde der Erfüllung geschlagen hatte, mit der pietätvollen Treue, welche<lb/> einen Grundzug seines Wesens bildete, angehangen. Curtius’ Universitäts-<lb/> studien fallen in die Zeit, in welcher die classische Philologie, die ihn schon<lb/> auf dem Gymnasium an sich gezogen hatte, als Alterthumskunde einen<lb/> neuen Inhalt gewonnen hatte und damit zu ihrer gröſsten Blüthe gelangte,<lb/> und es ist ihm vergönnt gewesen, in Bonn, Göttingen und Berlin den Lehr-<lb/> vorträgen derjenigen Männer, welche an der Spitze dieser wissenschaft-<lb/> lichen Bewegung standen, zu folgen und dieselbe in vollem Maſse auf seinen<lb/> empfänglichen Geist einwirken zu lassen. An die Lehrjahre haben die<lb/> Wanderjahre sich angeschlossen: eine glückliche Fügung hat Curtius un-<lb/> mittelbar von der Universität weg nach Griechenland, welches er sich be-<lb/> reits gewöhnt hatte als seine geistige Heimath anzusehen, geführt und ihn<lb/> während eines mehrjährigen Aufenthaltes in Athen im Hause des dahin<lb/> übergesiedelten Philosophen Brandis, eines seiner Bonner Lehrer, und<lb/> durch Reisen auf dem Festlande, sowie auf den Inseln, die lebendige An-<lb/> schauung des classischen Bodens und seiner Denkmäler sich erwerben lassen,<lb/> die von so groſser Bedeutung für seine spätere wissenschaftliche Thätigkeit<lb/> gewesen ist. Curtius' Heimkehr aus Griechenland fällt in den Anfang<lb/> des Jahres 1841; ein Paar Jahre später, nachdem er mittlerweile eine öffent-<lb/> liche Lehrthätigkeit in Berlin übernommen hatte, ist er, wie bekannt in<lb/> Folge eines vor einem auserlesenen Publicum gehaltenen Vortrags über die<lb/> Akropolis von Athen als Erzieher des jungen Prinzen Friedrich Wilhelm<lb/> in das persönliche Verhältniſs zu dem, dem Throne am nächsten stehenden<lb/> Zweige des preuſsischen Königshauses getreten, welches den Höhepunkt<lb/> seiner Entwickelung bezeichnet. In seiner Stellung zum Hofe hat sich Cur-<lb/> tius den freien Blick, der über die Schranken des berufsmäſsigen Gelehrten-<lb/> thums weit hinaus reichte, und zugleich die weltmännischen Formen, welche<lb/> auch den Gelehrten zieren, angeeignet; sein Verhältniſs als Prinzenerzieher</p> </div> </body> </text> </TEI> [6/0006]
U. KÖHLER:
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man es wohl aussprechen hört. Im Jahr 1814 in der alten Hansestadt
Lübeck als Sohn eines hochgebildeten, patriotisch gesinnten Vaters geboren
und von der Natur körperlich wie geistig mit freigebiger Hand ausgestattet,
ist er in Verhältnissen aufgewachsen, welche eine harmonische Ausbildung
der ihm verliehenen Gaben und Fähigkeiten ermöglichten und ihn gegen
den niederdrückenden Einfluſs materieller Nothdurft sicher stellten. Seiner
Vaterstadt hat Curtius, auch nachdem ihm die geschichtliche Mission
Preuſsens in Deutschland zum Bewuſstsein gekommen und nachdem die
Stunde der Erfüllung geschlagen hatte, mit der pietätvollen Treue, welche
einen Grundzug seines Wesens bildete, angehangen. Curtius’ Universitäts-
studien fallen in die Zeit, in welcher die classische Philologie, die ihn schon
auf dem Gymnasium an sich gezogen hatte, als Alterthumskunde einen
neuen Inhalt gewonnen hatte und damit zu ihrer gröſsten Blüthe gelangte,
und es ist ihm vergönnt gewesen, in Bonn, Göttingen und Berlin den Lehr-
vorträgen derjenigen Männer, welche an der Spitze dieser wissenschaft-
lichen Bewegung standen, zu folgen und dieselbe in vollem Maſse auf seinen
empfänglichen Geist einwirken zu lassen. An die Lehrjahre haben die
Wanderjahre sich angeschlossen: eine glückliche Fügung hat Curtius un-
mittelbar von der Universität weg nach Griechenland, welches er sich be-
reits gewöhnt hatte als seine geistige Heimath anzusehen, geführt und ihn
während eines mehrjährigen Aufenthaltes in Athen im Hause des dahin
übergesiedelten Philosophen Brandis, eines seiner Bonner Lehrer, und
durch Reisen auf dem Festlande, sowie auf den Inseln, die lebendige An-
schauung des classischen Bodens und seiner Denkmäler sich erwerben lassen,
die von so groſser Bedeutung für seine spätere wissenschaftliche Thätigkeit
gewesen ist. Curtius' Heimkehr aus Griechenland fällt in den Anfang
des Jahres 1841; ein Paar Jahre später, nachdem er mittlerweile eine öffent-
liche Lehrthätigkeit in Berlin übernommen hatte, ist er, wie bekannt in
Folge eines vor einem auserlesenen Publicum gehaltenen Vortrags über die
Akropolis von Athen als Erzieher des jungen Prinzen Friedrich Wilhelm
in das persönliche Verhältniſs zu dem, dem Throne am nächsten stehenden
Zweige des preuſsischen Königshauses getreten, welches den Höhepunkt
seiner Entwickelung bezeichnet. In seiner Stellung zum Hofe hat sich Cur-
tius den freien Blick, der über die Schranken des berufsmäſsigen Gelehrten-
thums weit hinaus reichte, und zugleich die weltmännischen Formen, welche
auch den Gelehrten zieren, angeeignet; sein Verhältniſs als Prinzenerzieher
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