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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Sechzehnte Vorlesung.
Die einfachen Drüsenkanälchen wachsen im weiteren Verlaufe und
beginnen sich zu schlängeln, so dass die lange, schmale Drüse nach
und nach eine mehr compacte Form annimmt und ein zusammen-
hängender Drüsenkörper sich bildet. Auf dem Höhestadium seiner
Entwicklung erscheint der Wolff'sche Körper als eine beiläufig
spindelförmige, ziemlich dicke Drüse, deren Ausführungsgang
an der vordern, äusseren Fläche gerade herunter läuft und nimmt,
immer noch von derselben Längenerstreckung wie früher, einen
bedeutenden Raum seitlich vom Gekröse des Mitteldarmes in der
Bauchhöhle ein. Bezüglich auf den Bau, so besteht der Wolff'sche
Körper wesentlich aus den schon erwähnten geschlängelten Drü-
senkanälchen, die, ausser dass sie einen grösseren Durchmesser
besitzen, in allen Beziehungen mit den Kanälchen der bleibenden
Nieren übereinstimmen, und jedes für sich in den Ausführungsgang
einmünden. Ausserdem finden sich noch zahlreiche Blutgefässe, die
von mehrfachen, von der Aorta unter rechten Winkeln abgehenden
Malpighische
Körper.
kleinen Arterien abstammen und im Innern mit Malpighischen
Knäueln
enden, die auch in den Urnieren von Säugethieren nicht
fehlen, und in derselben Weise mit den Drüsenkanälchen sich ver-
binden, wie diess von der eigentlichen Niere bekannt ist. -- Bei Ei-
Flimmerung in
den Urnieren.
dechsenembryonen ist von Remak und mir selbst Flimmerung in
den Kanälen der Urnieren beobachtet worden, welche bei andern
Thieren bis jetzt noch nicht zu sehen war.

Nachdem die Urnieren eine Zeit lang in voller Grösse bestan-
den haben, beginnen sie nach und nach im Wachsthum stille zu
stehen und ändern dann ihre Lage in der Bauchhöhle in der Art,
dass sie scheinbar mehr nach hinten rücken. Zuletzt fallen sie mit
Ausnahme gewisser Theile, die mit den Geschlechtsorganen sich
verbinden, einer Auflösung anheim, wie diess später ausführlich
geschildert werden soll.

Verrichtungen
der Urnieren.
Ueber die Function dieser Organe besitzen wir ganz be-
stimmte Aufschlüsse. Joh. Müller hat zuerst in den Kanälchen der
Urnieren ein eigenthümlich geformtes Secret in Gestalt von körnigen
Massen gefunden, eine Beobachtung, die später von Volkmann und
Rathke bei Eidechsenembryonen, von Remak beim Hühnchen und
von Bischoff bei Säugethieren bestätigt wurde. Remak hat ausser-
dem gezeigt, dass dieses körnige Secret Harnsäure enthält, indem
auf Zusatz von Essigsäure die characteristischen Harnsäurekrystalle
auftraten, und die Zusammensetzung desselben aus harnsaurem Am-

Sechzehnte Vorlesung.
Die einfachen Drüsenkanälchen wachsen im weiteren Verlaufe und
beginnen sich zu schlängeln, so dass die lange, schmale Drüse nach
und nach eine mehr compacte Form annimmt und ein zusammen-
hängender Drüsenkörper sich bildet. Auf dem Höhestadium seiner
Entwicklung erscheint der Wolff’sche Körper als eine beiläufig
spindelförmige, ziemlich dicke Drüse, deren Ausführungsgang
an der vordern, äusseren Fläche gerade herunter läuft und nimmt,
immer noch von derselben Längenerstreckung wie früher, einen
bedeutenden Raum seitlich vom Gekröse des Mitteldarmes in der
Bauchhöhle ein. Bezüglich auf den Bau, so besteht der Wolff’sche
Körper wesentlich aus den schon erwähnten geschlängelten Drü-
senkanälchen, die, ausser dass sie einen grösseren Durchmesser
besitzen, in allen Beziehungen mit den Kanälchen der bleibenden
Nieren übereinstimmen, und jedes für sich in den Ausführungsgang
einmünden. Ausserdem finden sich noch zahlreiche Blutgefässe, die
von mehrfachen, von der Aorta unter rechten Winkeln abgehenden
Malpighische
Körper.
kleinen Arterien abstammen und im Innern mit Malpighischen
Knäueln
enden, die auch in den Urnieren von Säugethieren nicht
fehlen, und in derselben Weise mit den Drüsenkanälchen sich ver-
binden, wie diess von der eigentlichen Niere bekannt ist. — Bei Ei-
Flimmerung in
den Urnieren.
dechsenembryonen ist von Remak und mir selbst Flimmerung in
den Kanälen der Urnieren beobachtet worden, welche bei andern
Thieren bis jetzt noch nicht zu sehen war.

Nachdem die Urnieren eine Zeit lang in voller Grösse bestan-
den haben, beginnen sie nach und nach im Wachsthum stille zu
stehen und ändern dann ihre Lage in der Bauchhöhle in der Art,
dass sie scheinbar mehr nach hinten rücken. Zuletzt fallen sie mit
Ausnahme gewisser Theile, die mit den Geschlechtsorganen sich
verbinden, einer Auflösung anheim, wie diess später ausführlich
geschildert werden soll.

Verrichtungen
der Urnieren.
Ueber die Function dieser Organe besitzen wir ganz be-
stimmte Aufschlüsse. Joh. Müller hat zuerst in den Kanälchen der
Urnieren ein eigenthümlich geformtes Secret in Gestalt von körnigen
Massen gefunden, eine Beobachtung, die später von Volkmann und
Rathke bei Eidechsenembryonen, von Remak beim Hühnchen und
von Bischoff bei Säugethieren bestätigt wurde. Remak hat ausser-
dem gezeigt, dass dieses körnige Secret Harnsäure enthält, indem
auf Zusatz von Essigsäure die characteristischen Harnsäurekrystalle
auftraten, und die Zusammensetzung desselben aus harnsaurem Am-

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[114/0130] Sechzehnte Vorlesung. Die einfachen Drüsenkanälchen wachsen im weiteren Verlaufe und beginnen sich zu schlängeln, so dass die lange, schmale Drüse nach und nach eine mehr compacte Form annimmt und ein zusammen- hängender Drüsenkörper sich bildet. Auf dem Höhestadium seiner Entwicklung erscheint der Wolff’sche Körper als eine beiläufig spindelförmige, ziemlich dicke Drüse, deren Ausführungsgang an der vordern, äusseren Fläche gerade herunter läuft und nimmt, immer noch von derselben Längenerstreckung wie früher, einen bedeutenden Raum seitlich vom Gekröse des Mitteldarmes in der Bauchhöhle ein. Bezüglich auf den Bau, so besteht der Wolff’sche Körper wesentlich aus den schon erwähnten geschlängelten Drü- senkanälchen, die, ausser dass sie einen grösseren Durchmesser besitzen, in allen Beziehungen mit den Kanälchen der bleibenden Nieren übereinstimmen, und jedes für sich in den Ausführungsgang einmünden. Ausserdem finden sich noch zahlreiche Blutgefässe, die von mehrfachen, von der Aorta unter rechten Winkeln abgehenden kleinen Arterien abstammen und im Innern mit Malpighischen Knäueln enden, die auch in den Urnieren von Säugethieren nicht fehlen, und in derselben Weise mit den Drüsenkanälchen sich ver- binden, wie diess von der eigentlichen Niere bekannt ist. — Bei Ei- dechsenembryonen ist von Remak und mir selbst Flimmerung in den Kanälen der Urnieren beobachtet worden, welche bei andern Thieren bis jetzt noch nicht zu sehen war. Malpighische Körper. Flimmerung in den Urnieren. Nachdem die Urnieren eine Zeit lang in voller Grösse bestan- den haben, beginnen sie nach und nach im Wachsthum stille zu stehen und ändern dann ihre Lage in der Bauchhöhle in der Art, dass sie scheinbar mehr nach hinten rücken. Zuletzt fallen sie mit Ausnahme gewisser Theile, die mit den Geschlechtsorganen sich verbinden, einer Auflösung anheim, wie diess später ausführlich geschildert werden soll. Ueber die Function dieser Organe besitzen wir ganz be- stimmte Aufschlüsse. Joh. Müller hat zuerst in den Kanälchen der Urnieren ein eigenthümlich geformtes Secret in Gestalt von körnigen Massen gefunden, eine Beobachtung, die später von Volkmann und Rathke bei Eidechsenembryonen, von Remak beim Hühnchen und von Bischoff bei Säugethieren bestätigt wurde. Remak hat ausser- dem gezeigt, dass dieses körnige Secret Harnsäure enthält, indem auf Zusatz von Essigsäure die characteristischen Harnsäurekrystalle auftraten, und die Zusammensetzung desselben aus harnsaurem Am- Verrichtungen der Urnieren.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/130>, abgerufen am 27.11.2024.