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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Entwicklung des Nervensystems.
und der austretende Theil der sensiblen Wurzel hat sich mit der
vorderen Wurzel zum Stamme des Rückenmarksnerven verbunden.

Endlich untersuchte Bidder u. Kupfer noch Schaafembryonen von
12''' Länge. Bei diesen umgab die weisse Masse das Rückenmark ganz
und begann hinten schon die Bildung der hinteren Furche. Zugleich
hatte sich vorn die graue Masse zur Anlage der Vorderhörner vor-
gewölbt, so dass nun der Querschnitt schon mehr an den des aus-
gebildeten Markes erinnerte.

Aus diesen Beobachtungen, die auch bei Hühnchen von drei bis
neun Tagen ihre Bestätigung fanden, zieht Bidder u. Kupfer neben
andern den wichtigen Schluss, dass die Nervenfasern des Markes und
der Wurzeln, die überall als kern- und zellenlose Gebilde auftreten,
nicht durch Verwachsung längsgeordneter Zellen entstehen, sondern
wahrscheinlich einfach als Ausläufer der Nervenzellen des Markes und
des Spinalganglions sich entwickeln. Inwiefern diese Annahme be-
gründet ist, soll später erörtert werden und will ich Ihnen nun vor-
her noch Remak's und meine eigenen Erfahrungen schildern.

Nach Remak (pag. 89) besteht das Mark des Hühnchens anfäng-Beobachtungen
von Remak.

lich aus Zellen, welche im Allgemeinen radienartig um den Central-
kanal herum liegen. Am fünften Tage unterscheidet man zwei Lagen
von nahezu gleicher Mächtigkeit, eine innere, weichere mit radiären
Zellen und eine äussere, festere querfaserige. Erstere ist die Anlage
der grauen Substanz und des Epithels des Centralkanals, die Quer-
fasern dagegen, die mit den Spinalganglien und Nervenwurzeln sich
verbinden, gestalten sich mit der Zeit zu den Fortsetzungen der
Wurzeln in das Innere des Markes hinein und zu den Commissuren.
Ursprünglich an der Oberfläche des Rückenmarks gelegen, werden
diese Querfasern später von den Längsbündeln bedeckt. Diese sind
nach Remak uranfänglich in der vorderen und hinteren Mittellinie
gelegene einfache Stränge, die nach und nach seitlich bis zu den
vorderen und hinteren Wurzeln sich ausbreiten und, die Querfasern
bedeckend, in zwei Hälften sich sondern. Ueber das Auftreten der
Seitenstränge hat Remak keine Beobachtungen, doch hält er es für
wahrscheinlich, dass dieselben als besondere Bildungen auftreten.
-- Die Spinalganglien mit den Nervenwurzeln lässt Remak unabhän-
gig vom Marke aus den Urwirbeln sich bilden (St. 40) und bemerkt
ausserdem, dass die Nerven aus einer feinfaserigen Substanz ohne
Zellen und Kerne bestehen.



Entwicklung des Nervensystems.
und der austretende Theil der sensiblen Wurzel hat sich mit der
vorderen Wurzel zum Stamme des Rückenmarksnerven verbunden.

Endlich untersuchte Bidder u. Kupfer noch Schaafembryonen von
12‴ Länge. Bei diesen umgab die weisse Masse das Rückenmark ganz
und begann hinten schon die Bildung der hinteren Furche. Zugleich
hatte sich vorn die graue Masse zur Anlage der Vorderhörner vor-
gewölbt, so dass nun der Querschnitt schon mehr an den des aus-
gebildeten Markes erinnerte.

Aus diesen Beobachtungen, die auch bei Hühnchen von drei bis
neun Tagen ihre Bestätigung fanden, zieht Bidder u. Kupfer neben
andern den wichtigen Schluss, dass die Nervenfasern des Markes und
der Wurzeln, die überall als kern- und zellenlose Gebilde auftreten,
nicht durch Verwachsung längsgeordneter Zellen entstehen, sondern
wahrscheinlich einfach als Ausläufer der Nervenzellen des Markes und
des Spinalganglions sich entwickeln. Inwiefern diese Annahme be-
gründet ist, soll später erörtert werden und will ich Ihnen nun vor-
her noch Remak’s und meine eigenen Erfahrungen schildern.

Nach Remak (pag. 89) besteht das Mark des Hühnchens anfäng-Beobachtungen
von Remak.

lich aus Zellen, welche im Allgemeinen radienartig um den Central-
kanal herum liegen. Am fünften Tage unterscheidet man zwei Lagen
von nahezu gleicher Mächtigkeit, eine innere, weichere mit radiären
Zellen und eine äussere, festere querfaserige. Erstere ist die Anlage
der grauen Substanz und des Epithels des Centralkanals, die Quer-
fasern dagegen, die mit den Spinalganglien und Nervenwurzeln sich
verbinden, gestalten sich mit der Zeit zu den Fortsetzungen der
Wurzeln in das Innere des Markes hinein und zu den Commissuren.
Ursprünglich an der Oberfläche des Rückenmarks gelegen, werden
diese Querfasern später von den Längsbündeln bedeckt. Diese sind
nach Remak uranfänglich in der vorderen und hinteren Mittellinie
gelegene einfache Stränge, die nach und nach seitlich bis zu den
vorderen und hinteren Wurzeln sich ausbreiten und, die Querfasern
bedeckend, in zwei Hälften sich sondern. Ueber das Auftreten der
Seitenstränge hat Remak keine Beobachtungen, doch hält er es für
wahrscheinlich, dass dieselben als besondere Bildungen auftreten.
— Die Spinalganglien mit den Nervenwurzeln lässt Remak unabhän-
gig vom Marke aus den Urwirbeln sich bilden (St. 40) und bemerkt
ausserdem, dass die Nerven aus einer feinfaserigen Substanz ohne
Zellen und Kerne bestehen.



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[255/0271] Entwicklung des Nervensystems. und der austretende Theil der sensiblen Wurzel hat sich mit der vorderen Wurzel zum Stamme des Rückenmarksnerven verbunden. Endlich untersuchte Bidder u. Kupfer noch Schaafembryonen von 12‴ Länge. Bei diesen umgab die weisse Masse das Rückenmark ganz und begann hinten schon die Bildung der hinteren Furche. Zugleich hatte sich vorn die graue Masse zur Anlage der Vorderhörner vor- gewölbt, so dass nun der Querschnitt schon mehr an den des aus- gebildeten Markes erinnerte. Aus diesen Beobachtungen, die auch bei Hühnchen von drei bis neun Tagen ihre Bestätigung fanden, zieht Bidder u. Kupfer neben andern den wichtigen Schluss, dass die Nervenfasern des Markes und der Wurzeln, die überall als kern- und zellenlose Gebilde auftreten, nicht durch Verwachsung längsgeordneter Zellen entstehen, sondern wahrscheinlich einfach als Ausläufer der Nervenzellen des Markes und des Spinalganglions sich entwickeln. Inwiefern diese Annahme be- gründet ist, soll später erörtert werden und will ich Ihnen nun vor- her noch Remak’s und meine eigenen Erfahrungen schildern. Nach Remak (pag. 89) besteht das Mark des Hühnchens anfäng- lich aus Zellen, welche im Allgemeinen radienartig um den Central- kanal herum liegen. Am fünften Tage unterscheidet man zwei Lagen von nahezu gleicher Mächtigkeit, eine innere, weichere mit radiären Zellen und eine äussere, festere querfaserige. Erstere ist die Anlage der grauen Substanz und des Epithels des Centralkanals, die Quer- fasern dagegen, die mit den Spinalganglien und Nervenwurzeln sich verbinden, gestalten sich mit der Zeit zu den Fortsetzungen der Wurzeln in das Innere des Markes hinein und zu den Commissuren. Ursprünglich an der Oberfläche des Rückenmarks gelegen, werden diese Querfasern später von den Längsbündeln bedeckt. Diese sind nach Remak uranfänglich in der vorderen und hinteren Mittellinie gelegene einfache Stränge, die nach und nach seitlich bis zu den vorderen und hinteren Wurzeln sich ausbreiten und, die Querfasern bedeckend, in zwei Hälften sich sondern. Ueber das Auftreten der Seitenstränge hat Remak keine Beobachtungen, doch hält er es für wahrscheinlich, dass dieselben als besondere Bildungen auftreten. — Die Spinalganglien mit den Nervenwurzeln lässt Remak unabhän- gig vom Marke aus den Urwirbeln sich bilden (St. 40) und bemerkt ausserdem, dass die Nerven aus einer feinfaserigen Substanz ohne Zellen und Kerne bestehen. Beobachtungen von Remak.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/271>, abgerufen am 28.11.2024.