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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Entwicklung des Gehörorganes.
bende Vorhof für sich allein, sondern enthält auch die Anlagen der
halbkreisförmigen Kanäle und des Sacculus rotundus. Die Entwick-
lung der ersteren ist zuerst von Rathke bei der Natter aus der Beob-
achtung eines früheren Stadiums richtig erschlossen und dann von
Reissner beim Hühnchen durch directe Beobachtung, wenn auch
nicht ganz vollständig, doch so ermittelt worden, dass nun die Haupt-
puncte als festgestellt bezeichnet werden können. Hiernach bilden
sich am Vorhofe im weiteren Verlaufe an den Stellen der späteren
Kanäle erst rundliche und dann längliche Erweiterungen oder Aus-
sackungen, die dann in ihren mittleren Theilen verwachsen und
vom Vorhofe sich abschnüren. So entstehen kurze, gerade, dem Vor-
hofe dicht anliegende Kanäle, welche dann durch fortschreitendes
Wachsthum nach und nach eine grössere Länge, die typische Krüm-
mung und ihre Ampullen gewinnen. Diese Erfahrungen kann ich für
den Menschen und die Säugethiere ergänzen. Bei dem in der Fig.
151 wiedergegebenen jungen menschlichen Labyrinthe besass der
Vorhof zwei deutliche rundliche Ausbuchtungen innen und aussen,
die nicht wohl etwas anderes sein können, als Anlagen von halb-
kreisförmigen Kanälen, welcher wage ich nicht zu entscheiden, da
mir die nächstfolgenden Stufen unbekannt geblieben sind. Ebenso
hat vielleicht auch die Ausbuchtung bei v in Fig. 151, B oder die bei a
in Fig. 151, A auf den dritten Kanal Bezug, worüber fernere Unter-
suchungen entscheiden werden. Ist so das erste Auftreten der frag-
lichen Kanäle constatirt, so lehren Beobachtungen an 81/2''' langen
Kalbsembryonen auch ihre weiteren Umwandlungen. Hier nämlich
waren dieselben längere stark vortretende Ausbuchtungen des Vesti-
bulum
und zum Theil schon in der Abschnürung begriffen, wie die
Fig. 152 lehrt, in der der Canalis externus, wenn auch nicht ganz
getrennt, doch in der Mitte einen sehr verengten Eingang besitzt. --
Diesem zufolge können keine Zweifel darüber bestehen, dass die
halbkreisförmigen Kanäle in der That so entstehen, wie Rathke und
Reissner annehmen, und will ich Ihnen nun nur noch angeben, dass
der Rest des primitiven Vorhofes, der für die Bildung der Kanäle
nicht verbraucht wird, zum Alveus communis canalium semicir-
cularium
oder zum Sacculus hemiellipticus sich gestaltet. Der Sac-
culus rotundus
ist mit Bezug auf seine Entwicklung noch nicht hin-
reichend verfolgt, doch kann man wohl mit grosser Wahrscheinlich-
keit annehmen, dass derselbe ursprünglich in ähnlicher Gestalt
auftritt wie die halbkreisförmigen Kanäle, dann aber vom Vorhofe

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Entwicklung des Gehörorganes.
bende Vorhof für sich allein, sondern enthält auch die Anlagen der
halbkreisförmigen Kanäle und des Sacculus rotundus. Die Entwick-
lung der ersteren ist zuerst von Rathke bei der Natter aus der Beob-
achtung eines früheren Stadiums richtig erschlossen und dann von
Reissner beim Hühnchen durch directe Beobachtung, wenn auch
nicht ganz vollständig, doch so ermittelt worden, dass nun die Haupt-
puncte als festgestellt bezeichnet werden können. Hiernach bilden
sich am Vorhofe im weiteren Verlaufe an den Stellen der späteren
Kanäle erst rundliche und dann längliche Erweiterungen oder Aus-
sackungen, die dann in ihren mittleren Theilen verwachsen und
vom Vorhofe sich abschnüren. So entstehen kurze, gerade, dem Vor-
hofe dicht anliegende Kanäle, welche dann durch fortschreitendes
Wachsthum nach und nach eine grössere Länge, die typische Krüm-
mung und ihre Ampullen gewinnen. Diese Erfahrungen kann ich für
den Menschen und die Säugethiere ergänzen. Bei dem in der Fig.
151 wiedergegebenen jungen menschlichen Labyrinthe besass der
Vorhof zwei deutliche rundliche Ausbuchtungen innen und aussen,
die nicht wohl etwas anderes sein können, als Anlagen von halb-
kreisförmigen Kanälen, welcher wage ich nicht zu entscheiden, da
mir die nächstfolgenden Stufen unbekannt geblieben sind. Ebenso
hat vielleicht auch die Ausbuchtung bei v in Fig. 151, B oder die bei a
in Fig. 151, A auf den dritten Kanal Bezug, worüber fernere Unter-
suchungen entscheiden werden. Ist so das erste Auftreten der frag-
lichen Kanäle constatirt, so lehren Beobachtungen an 8½‴ langen
Kalbsembryonen auch ihre weiteren Umwandlungen. Hier nämlich
waren dieselben längere stark vortretende Ausbuchtungen des Vesti-
bulum
und zum Theil schon in der Abschnürung begriffen, wie die
Fig. 152 lehrt, in der der Canalis externus, wenn auch nicht ganz
getrennt, doch in der Mitte einen sehr verengten Eingang besitzt. —
Diesem zufolge können keine Zweifel darüber bestehen, dass die
halbkreisförmigen Kanäle in der That so entstehen, wie Rathke und
Reissner annehmen, und will ich Ihnen nun nur noch angeben, dass
der Rest des primitiven Vorhofes, der für die Bildung der Kanäle
nicht verbraucht wird, zum Alveus communis canalium semicir-
cularium
oder zum Sacculus hemiellipticus sich gestaltet. Der Sac-
culus rotundus
ist mit Bezug auf seine Entwicklung noch nicht hin-
reichend verfolgt, doch kann man wohl mit grosser Wahrscheinlich-
keit annehmen, dass derselbe ursprünglich in ähnlicher Gestalt
auftritt wie die halbkreisförmigen Kanäle, dann aber vom Vorhofe

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[307/0323] Entwicklung des Gehörorganes. bende Vorhof für sich allein, sondern enthält auch die Anlagen der halbkreisförmigen Kanäle und des Sacculus rotundus. Die Entwick- lung der ersteren ist zuerst von Rathke bei der Natter aus der Beob- achtung eines früheren Stadiums richtig erschlossen und dann von Reissner beim Hühnchen durch directe Beobachtung, wenn auch nicht ganz vollständig, doch so ermittelt worden, dass nun die Haupt- puncte als festgestellt bezeichnet werden können. Hiernach bilden sich am Vorhofe im weiteren Verlaufe an den Stellen der späteren Kanäle erst rundliche und dann längliche Erweiterungen oder Aus- sackungen, die dann in ihren mittleren Theilen verwachsen und vom Vorhofe sich abschnüren. So entstehen kurze, gerade, dem Vor- hofe dicht anliegende Kanäle, welche dann durch fortschreitendes Wachsthum nach und nach eine grössere Länge, die typische Krüm- mung und ihre Ampullen gewinnen. Diese Erfahrungen kann ich für den Menschen und die Säugethiere ergänzen. Bei dem in der Fig. 151 wiedergegebenen jungen menschlichen Labyrinthe besass der Vorhof zwei deutliche rundliche Ausbuchtungen innen und aussen, die nicht wohl etwas anderes sein können, als Anlagen von halb- kreisförmigen Kanälen, welcher wage ich nicht zu entscheiden, da mir die nächstfolgenden Stufen unbekannt geblieben sind. Ebenso hat vielleicht auch die Ausbuchtung bei v in Fig. 151, B oder die bei a in Fig. 151, A auf den dritten Kanal Bezug, worüber fernere Unter- suchungen entscheiden werden. Ist so das erste Auftreten der frag- lichen Kanäle constatirt, so lehren Beobachtungen an 8½‴ langen Kalbsembryonen auch ihre weiteren Umwandlungen. Hier nämlich waren dieselben längere stark vortretende Ausbuchtungen des Vesti- bulum und zum Theil schon in der Abschnürung begriffen, wie die Fig. 152 lehrt, in der der Canalis externus, wenn auch nicht ganz getrennt, doch in der Mitte einen sehr verengten Eingang besitzt. — Diesem zufolge können keine Zweifel darüber bestehen, dass die halbkreisförmigen Kanäle in der That so entstehen, wie Rathke und Reissner annehmen, und will ich Ihnen nun nur noch angeben, dass der Rest des primitiven Vorhofes, der für die Bildung der Kanäle nicht verbraucht wird, zum Alveus communis canalium semicir- cularium oder zum Sacculus hemiellipticus sich gestaltet. Der Sac- culus rotundus ist mit Bezug auf seine Entwicklung noch nicht hin- reichend verfolgt, doch kann man wohl mit grosser Wahrscheinlich- keit annehmen, dass derselbe ursprünglich in ähnlicher Gestalt auftritt wie die halbkreisförmigen Kanäle, dann aber vom Vorhofe 20*

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/323>, abgerufen am 24.11.2024.