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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Vierunddreissigste Vorlesung.
benden Zähne bestimmt, schnüren sich gleichfalls zu besonderen
Säckchen, den Reservesäckchen ab, die anfangs über den Säckchen
der Milchzähne liegen, nach und nach aber an deren hintere Seite
rücken, um später die bleibenden Zähne zu erzeugen. Die Zähne
selbst bilden sich aus den Papillen und Säckchen in der Art, dass
das Elfenbein oder die Hauptmasse des Zahnes durch eine Ossi-
fication eines Theiles der Zahnpapille entsteht, wie man den hierbei
stattfindenden Vorgang -- obgleich von der gewöhnlichen Verknö-
cherung abweichend -- von einem allgemeinen Gesichtspuncte aus
zu nennen hat. Der Schmelz ist eine verkalkte Ausscheidung der
Epithelialzellen des Zahnsäckchens, das zur Bildung desselben ein
besonderes Organ, das sogenannte Schmelzorgan, erzeugt, und das
Cement ist nichts als eine nach Art der Periostablagerungen vom
Zahnsäckchen auf die Wurzel des Zahnes sich ablagernde ächte
Knochensubstanz.

Die Annahme einer Bildung der Zähne auf freien Papillen, die
erst in zweiter Linie in Säckchen zu liegen kommen, ist in neuester
Zeit von mehreren französischen Autoren (Robin, Guillot) als un-
richtig bezeichnet worden und halte ich es daher nicht für über-
flüssig, Sie speciell sowohl auf eine früher gegebene Abbildung (Fig.
97, St. 213) als auf Fig. 176 aufmerksam zu machen, welche beide
schon vor Jahren von einem meiner früheren Schüler, Herrn Dr. Goll
in Zürich, nach der Natur dargestellt worden sind. Es ist demzu-
folge wenigstens für den Menschen sicher, dass anfangs freie Zahn-
papillen und eine Zahnfurche da sind. Säugethiere habe ich nicht
untersucht, es sollte mich aber sehr wundern, wenn hier nicht
auch anfangs freie Papillen da wären, um so mehr da es keinem
Zweifel unterliegt, dass sehr viele Zähne von Fischen einfach Ossifi-
cationen von Schleimhautpapillen sind, die nie in Säckchen einge-
schlossen werden, bei welchen Zähnen dann übrigens ein Schmelz-
überzug fehlt.

Speicheldrüsen.Die Speicheldrüsen sind mit Bezug auf die allererste Ent-
wicklung noch nicht erforscht, dagegen kennt man dieselben durch
die Untersuchungen von Ernst Heinrich Weber, Rathke, Johannes
Müller, Rudolf Wagner
u. Anderen, aus einer so frühen Zeit, dass
es, zusammengehalten mit anderen Erfahrungen, nicht schwer ist, ihr
Entwicklungsgesetz zu bestimmen. Die Speicheldrüsen sind in früher
Zeit sehr einfache, wenig verästelte Gebilde von sehr zierlicher Form,
die im Wesentlichen mit den in der Fig. 147 dargestellten Thränen-

Vierunddreissigste Vorlesung.
benden Zähne bestimmt, schnüren sich gleichfalls zu besonderen
Säckchen, den Reservesäckchen ab, die anfangs über den Säckchen
der Milchzähne liegen, nach und nach aber an deren hintere Seite
rücken, um später die bleibenden Zähne zu erzeugen. Die Zähne
selbst bilden sich aus den Papillen und Säckchen in der Art, dass
das Elfenbein oder die Hauptmasse des Zahnes durch eine Ossi-
fication eines Theiles der Zahnpapille entsteht, wie man den hierbei
stattfindenden Vorgang — obgleich von der gewöhnlichen Verknö-
cherung abweichend — von einem allgemeinen Gesichtspuncte aus
zu nennen hat. Der Schmelz ist eine verkalkte Ausscheidung der
Epithelialzellen des Zahnsäckchens, das zur Bildung desselben ein
besonderes Organ, das sogenannte Schmelzorgan, erzeugt, und das
Cement ist nichts als eine nach Art der Periostablagerungen vom
Zahnsäckchen auf die Wurzel des Zahnes sich ablagernde ächte
Knochensubstanz.

Die Annahme einer Bildung der Zähne auf freien Papillen, die
erst in zweiter Linie in Säckchen zu liegen kommen, ist in neuester
Zeit von mehreren französischen Autoren (Robin, Guillot) als un-
richtig bezeichnet worden und halte ich es daher nicht für über-
flüssig, Sie speciell sowohl auf eine früher gegebene Abbildung (Fig.
97, St. 213) als auf Fig. 176 aufmerksam zu machen, welche beide
schon vor Jahren von einem meiner früheren Schüler, Herrn Dr. Goll
in Zürich, nach der Natur dargestellt worden sind. Es ist demzu-
folge wenigstens für den Menschen sicher, dass anfangs freie Zahn-
papillen und eine Zahnfurche da sind. Säugethiere habe ich nicht
untersucht, es sollte mich aber sehr wundern, wenn hier nicht
auch anfangs freie Papillen da wären, um so mehr da es keinem
Zweifel unterliegt, dass sehr viele Zähne von Fischen einfach Ossifi-
cationen von Schleimhautpapillen sind, die nie in Säckchen einge-
schlossen werden, bei welchen Zähnen dann übrigens ein Schmelz-
überzug fehlt.

Speicheldrüsen.Die Speicheldrüsen sind mit Bezug auf die allererste Ent-
wicklung noch nicht erforscht, dagegen kennt man dieselben durch
die Untersuchungen von Ernst Heinrich Weber, Rathke, Johannes
Müller, Rudolf Wagner
u. Anderen, aus einer so frühen Zeit, dass
es, zusammengehalten mit anderen Erfahrungen, nicht schwer ist, ihr
Entwicklungsgesetz zu bestimmen. Die Speicheldrüsen sind in früher
Zeit sehr einfache, wenig verästelte Gebilde von sehr zierlicher Form,
die im Wesentlichen mit den in der Fig. 147 dargestellten Thränen-

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[356/0372] Vierunddreissigste Vorlesung. benden Zähne bestimmt, schnüren sich gleichfalls zu besonderen Säckchen, den Reservesäckchen ab, die anfangs über den Säckchen der Milchzähne liegen, nach und nach aber an deren hintere Seite rücken, um später die bleibenden Zähne zu erzeugen. Die Zähne selbst bilden sich aus den Papillen und Säckchen in der Art, dass das Elfenbein oder die Hauptmasse des Zahnes durch eine Ossi- fication eines Theiles der Zahnpapille entsteht, wie man den hierbei stattfindenden Vorgang — obgleich von der gewöhnlichen Verknö- cherung abweichend — von einem allgemeinen Gesichtspuncte aus zu nennen hat. Der Schmelz ist eine verkalkte Ausscheidung der Epithelialzellen des Zahnsäckchens, das zur Bildung desselben ein besonderes Organ, das sogenannte Schmelzorgan, erzeugt, und das Cement ist nichts als eine nach Art der Periostablagerungen vom Zahnsäckchen auf die Wurzel des Zahnes sich ablagernde ächte Knochensubstanz. Die Annahme einer Bildung der Zähne auf freien Papillen, die erst in zweiter Linie in Säckchen zu liegen kommen, ist in neuester Zeit von mehreren französischen Autoren (Robin, Guillot) als un- richtig bezeichnet worden und halte ich es daher nicht für über- flüssig, Sie speciell sowohl auf eine früher gegebene Abbildung (Fig. 97, St. 213) als auf Fig. 176 aufmerksam zu machen, welche beide schon vor Jahren von einem meiner früheren Schüler, Herrn Dr. Goll in Zürich, nach der Natur dargestellt worden sind. Es ist demzu- folge wenigstens für den Menschen sicher, dass anfangs freie Zahn- papillen und eine Zahnfurche da sind. Säugethiere habe ich nicht untersucht, es sollte mich aber sehr wundern, wenn hier nicht auch anfangs freie Papillen da wären, um so mehr da es keinem Zweifel unterliegt, dass sehr viele Zähne von Fischen einfach Ossifi- cationen von Schleimhautpapillen sind, die nie in Säckchen einge- schlossen werden, bei welchen Zähnen dann übrigens ein Schmelz- überzug fehlt. Die Speicheldrüsen sind mit Bezug auf die allererste Ent- wicklung noch nicht erforscht, dagegen kennt man dieselben durch die Untersuchungen von Ernst Heinrich Weber, Rathke, Johannes Müller, Rudolf Wagner u. Anderen, aus einer so frühen Zeit, dass es, zusammengehalten mit anderen Erfahrungen, nicht schwer ist, ihr Entwicklungsgesetz zu bestimmen. Die Speicheldrüsen sind in früher Zeit sehr einfache, wenig verästelte Gebilde von sehr zierlicher Form, die im Wesentlichen mit den in der Fig. 147 dargestellten Thränen- Speicheldrüsen.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/372>, abgerufen am 22.11.2024.