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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Fünfunddreissigste Vorlesung.
in die Faserschicht hinein, die Lebercylinder von Remak, welche,
nach Art der Anlage traubenförmiger Drüsen weiter wuchernd, sich
verästeln und zugleich -- und diess ist der Leber eigenthümlich --
auch durch Anastomosen sich verbinden, in der Art, dass auch die
Sprossen der beiden Lebergänge unmittelbar in Verbindung treten.
Ist dieser Vorgang zu einiger Entwicklung gediehen, so findet man
dann im Innern der beiden Leberlappen ein schon ziemlich ent-
wickeltes Netzwerk von Lebercylindern, von denen eine gewisse Zahl
mit den gleichfalls leicht ästig gewordenen Epithelialschläuchen der
ursprünglichen Lebergänge zusammenhängt, während das Ganze von
der Faserschicht umhüllt und durchzogen wird, welche im Innern
als Trägerin der reichlichen Blutgefässe dient, die alle Lücken zwi-
schen dem Netzwerk der Cylinder erfüllen. Beim Hühnchen hat die
Leber am Ende des fünften und am sechsten Tage den hier geschil-
derten Bau und sind um diese Zeit alle ursprünglich dagewesenen
freien Enden von Lebercylindern verschwunden, mit andern Wor-
ten, in der Netzbildung derselben aufgegangen.

Bei den Säugethieren ist die weitere Entwicklung der primiti-
ven Leberanlage noch von Niemand verfolgt, dagegen besitzen wir
einige Daten über den Bau der jungen Leber selbst, welche an die
Angaben Remak's vom Hühnchen sich anreihen. Schon vor längerer
Zeit hat Valentin angegeben (Entw. St 519), dass er bei einem 5'''
langen Schweineembryo Anastomosen der Gallenkanälchen ge-
sehen zu haben glaube. Später wurde dann von mir mitgetheilt
(Mikr. Anat. II, 2. St. 246), dass die Leber eines sieben Wochen
alten menschlichen Embryo schon ganz und gar aus den zier-
lichsten Netzen von Leberzellenbalken gebildet sei und einige Jahre
später meldete Remak dasselbe von 6''' langen Kaninchenembryonen
(Unters. St. 119). Diesen Erfahrungen kann ich jetzt noch die über
einen 6''' langen menschlichen Embryo der vierten Woche anreihen,
bei dem die Leber im Innern, abgesehen von den Blutgefässen, eben-
falls einzig und allein aus Netzen solider Leberzellenbalken oder Le-
bercylinder bestand, an denen keine freien Enden zu sehen waren.
Diesem zufolge wird wohl nicht zu bezweifeln sein, dass auch bei den
Säugethieren die Leberanlage nach demselben Typus zur jungen Le-
ber sich entwickelt, welchen Remak beim Hühnchen aufgedeckt hat.

Die Art und Weise wie die Netze der Lebercylinder der ganz
jungen Leber zu den Drüsenelementen der fertigen Leber sich um-
wandeln, ist noch wenig verfolgt. Immerhin kann ich Ihnen einen

Fünfunddreissigste Vorlesung.
in die Faserschicht hinein, die Lebercylinder von Remak, welche,
nach Art der Anlage traubenförmiger Drüsen weiter wuchernd, sich
verästeln und zugleich — und diess ist der Leber eigenthümlich —
auch durch Anastomosen sich verbinden, in der Art, dass auch die
Sprossen der beiden Lebergänge unmittelbar in Verbindung treten.
Ist dieser Vorgang zu einiger Entwicklung gediehen, so findet man
dann im Innern der beiden Leberlappen ein schon ziemlich ent-
wickeltes Netzwerk von Lebercylindern, von denen eine gewisse Zahl
mit den gleichfalls leicht ästig gewordenen Epithelialschläuchen der
ursprünglichen Lebergänge zusammenhängt, während das Ganze von
der Faserschicht umhüllt und durchzogen wird, welche im Innern
als Trägerin der reichlichen Blutgefässe dient, die alle Lücken zwi-
schen dem Netzwerk der Cylinder erfüllen. Beim Hühnchen hat die
Leber am Ende des fünften und am sechsten Tage den hier geschil-
derten Bau und sind um diese Zeit alle ursprünglich dagewesenen
freien Enden von Lebercylindern verschwunden, mit andern Wor-
ten, in der Netzbildung derselben aufgegangen.

Bei den Säugethieren ist die weitere Entwicklung der primiti-
ven Leberanlage noch von Niemand verfolgt, dagegen besitzen wir
einige Daten über den Bau der jungen Leber selbst, welche an die
Angaben Remak’s vom Hühnchen sich anreihen. Schon vor längerer
Zeit hat Valentin angegeben (Entw. St 519), dass er bei einem 5‴
langen Schweineembryo Anastomosen der Gallenkanälchen ge-
sehen zu haben glaube. Später wurde dann von mir mitgetheilt
(Mikr. Anat. II, 2. St. 246), dass die Leber eines sieben Wochen
alten menschlichen Embryo schon ganz und gar aus den zier-
lichsten Netzen von Leberzellenbalken gebildet sei und einige Jahre
später meldete Remak dasselbe von 6‴ langen Kaninchenembryonen
(Unters. St. 119). Diesen Erfahrungen kann ich jetzt noch die über
einen 6‴ langen menschlichen Embryo der vierten Woche anreihen,
bei dem die Leber im Innern, abgesehen von den Blutgefässen, eben-
falls einzig und allein aus Netzen solider Leberzellenbalken oder Le-
bercylinder bestand, an denen keine freien Enden zu sehen waren.
Diesem zufolge wird wohl nicht zu bezweifeln sein, dass auch bei den
Säugethieren die Leberanlage nach demselben Typus zur jungen Le-
ber sich entwickelt, welchen Remak beim Hühnchen aufgedeckt hat.

Die Art und Weise wie die Netze der Lebercylinder der ganz
jungen Leber zu den Drüsenelementen der fertigen Leber sich um-
wandeln, ist noch wenig verfolgt. Immerhin kann ich Ihnen einen

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[384/0400] Fünfunddreissigste Vorlesung. in die Faserschicht hinein, die Lebercylinder von Remak, welche, nach Art der Anlage traubenförmiger Drüsen weiter wuchernd, sich verästeln und zugleich — und diess ist der Leber eigenthümlich — auch durch Anastomosen sich verbinden, in der Art, dass auch die Sprossen der beiden Lebergänge unmittelbar in Verbindung treten. Ist dieser Vorgang zu einiger Entwicklung gediehen, so findet man dann im Innern der beiden Leberlappen ein schon ziemlich ent- wickeltes Netzwerk von Lebercylindern, von denen eine gewisse Zahl mit den gleichfalls leicht ästig gewordenen Epithelialschläuchen der ursprünglichen Lebergänge zusammenhängt, während das Ganze von der Faserschicht umhüllt und durchzogen wird, welche im Innern als Trägerin der reichlichen Blutgefässe dient, die alle Lücken zwi- schen dem Netzwerk der Cylinder erfüllen. Beim Hühnchen hat die Leber am Ende des fünften und am sechsten Tage den hier geschil- derten Bau und sind um diese Zeit alle ursprünglich dagewesenen freien Enden von Lebercylindern verschwunden, mit andern Wor- ten, in der Netzbildung derselben aufgegangen. Bei den Säugethieren ist die weitere Entwicklung der primiti- ven Leberanlage noch von Niemand verfolgt, dagegen besitzen wir einige Daten über den Bau der jungen Leber selbst, welche an die Angaben Remak’s vom Hühnchen sich anreihen. Schon vor längerer Zeit hat Valentin angegeben (Entw. St 519), dass er bei einem 5‴ langen Schweineembryo Anastomosen der Gallenkanälchen ge- sehen zu haben glaube. Später wurde dann von mir mitgetheilt (Mikr. Anat. II, 2. St. 246), dass die Leber eines sieben Wochen alten menschlichen Embryo schon ganz und gar aus den zier- lichsten Netzen von Leberzellenbalken gebildet sei und einige Jahre später meldete Remak dasselbe von 6‴ langen Kaninchenembryonen (Unters. St. 119). Diesen Erfahrungen kann ich jetzt noch die über einen 6‴ langen menschlichen Embryo der vierten Woche anreihen, bei dem die Leber im Innern, abgesehen von den Blutgefässen, eben- falls einzig und allein aus Netzen solider Leberzellenbalken oder Le- bercylinder bestand, an denen keine freien Enden zu sehen waren. Diesem zufolge wird wohl nicht zu bezweifeln sein, dass auch bei den Säugethieren die Leberanlage nach demselben Typus zur jungen Le- ber sich entwickelt, welchen Remak beim Hühnchen aufgedeckt hat. Die Art und Weise wie die Netze der Lebercylinder der ganz jungen Leber zu den Drüsenelementen der fertigen Leber sich um- wandeln, ist noch wenig verfolgt. Immerhin kann ich Ihnen einen

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/400>, abgerufen am 22.11.2024.