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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane.
eine Verkürzung, jedoch weniger durch Contraction als in Folge der
eigenthümlichen Entwicklung seiner Elemente annehmen zu dürfen,
eine Verkürzung, welche auch H. Meckel mit Recht derjenigen ver-
glichen hat, die junges Bindegewebe in Narben erleidet, durch welche
bekanntlich unter Umständen mächtige mechanische Wirkungen aus-
geübt werden. Beim weiblichen Embryo, bei dem der Descensus
nicht so weit geht, scheint dieses letztere Moment wegzufallen und
das Lig. rotundum später mit den übrigen Theilen im Wachsthume
gleichen Schritt zu halten.

Zum Schlusse schildere ich Ihnen nun noch die Entwicklung derEntwicklung der
äusseren
Genitalien.

äusseren Genitalien, bei welcher Gelegenheit wir auf eine sehr
frühe Periode zurückzugehen haben. In der vierten Woche (s. Fig.
77) bemerkt man nahe am hinteren Leibesende eine einfache Oeff-
nung, welche die gemeinsame Mündung des Darmes und des Urachus
oder der späteren Harnblase darstellt, in welche auch die Urnieren-
gänge einmünden und die aus diesem Grunde als Kloakenmün-Kloake.
dung
bezeichnet wird, indem der letzte Abschnitt des Darmes nach
der Vereinigung mit dem Urachus die Kloake heisst. Noch bevor
eine Trennung dieser einfachen Oeffnung in zwei, die Aftermündung
und die Harngeschlechtsöffnung, eintritt, erheben sich ungefähr in
der sechsten Woche vor derselben ein einfacher Wulst, der Ge-Geschlechts-
höcker.
Geschlechts-
falten.

schlechtshöcker
und bald auch zwei seitliche Falten, die Ge-
schlechtsfalten
. Gegen das Ende des zweiten Monates erhebt
sich der Höcker mehr und zeigt sich an seiner unteren Seite eine zur
Kloakenmündung verlaufende Furche, die Geschlechtsfurche.Geschlechts-
furche.

Im dritten Monate treten diese Theile alle deutlicher hervor und er-
scheint der Höcker nun schon deutlich als das spätere Geschlechts-
glied, und in der Mitte ungefähr dieses Monates scheidet sich
auch die Kloakenmündung in die zwei vorhin genannten Oeffnungen
durch einen Vorgang, der noch nicht genau ermittelt ist. Nach
Rathke (Abhandl. z. Entw. I. St. 57) kommt die Trennung dadurch
zu Stande, dass einmal an der Seitenwand der Kloake zwei Falten
entstehen, die immer mehr vortreten und zweitens auch die Stelle,
wo der Mastdarm und der Urachus zusammenstossen, vorwächst,
bis endlich diese drei Theile sich vereinigen und so eine Scheidewand
zwischen den betreffenden beiden Kanälen bilden. Valentin dagegen
lässt die Trennung durch ein Schwinden der Kloake sich bilden,
ohne jedoch für diese Annahme genauere Beweise vorzubringen. Sei
dem wie ihm wolle, so ist so viel sicher, dass unmittelbar nach der

Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane.
eine Verkürzung, jedoch weniger durch Contraction als in Folge der
eigenthümlichen Entwicklung seiner Elemente annehmen zu dürfen,
eine Verkürzung, welche auch H. Meckel mit Recht derjenigen ver-
glichen hat, die junges Bindegewebe in Narben erleidet, durch welche
bekanntlich unter Umständen mächtige mechanische Wirkungen aus-
geübt werden. Beim weiblichen Embryo, bei dem der Descensus
nicht so weit geht, scheint dieses letztere Moment wegzufallen und
das Lig. rotundum später mit den übrigen Theilen im Wachsthume
gleichen Schritt zu halten.

Zum Schlusse schildere ich Ihnen nun noch die Entwicklung derEntwicklung der
äusseren
Genitalien.

äusseren Genitalien, bei welcher Gelegenheit wir auf eine sehr
frühe Periode zurückzugehen haben. In der vierten Woche (s. Fig.
77) bemerkt man nahe am hinteren Leibesende eine einfache Oeff-
nung, welche die gemeinsame Mündung des Darmes und des Urachus
oder der späteren Harnblase darstellt, in welche auch die Urnieren-
gänge einmünden und die aus diesem Grunde als Kloakenmün-Kloake.
dung
bezeichnet wird, indem der letzte Abschnitt des Darmes nach
der Vereinigung mit dem Urachus die Kloake heisst. Noch bevor
eine Trennung dieser einfachen Oeffnung in zwei, die Aftermündung
und die Harngeschlechtsöffnung, eintritt, erheben sich ungefähr in
der sechsten Woche vor derselben ein einfacher Wulst, der Ge-Geschlechts-
höcker.
Geschlechts-
falten.

schlechtshöcker
und bald auch zwei seitliche Falten, die Ge-
schlechtsfalten
. Gegen das Ende des zweiten Monates erhebt
sich der Höcker mehr und zeigt sich an seiner unteren Seite eine zur
Kloakenmündung verlaufende Furche, die Geschlechtsfurche.Geschlechts-
furche.

Im dritten Monate treten diese Theile alle deutlicher hervor und er-
scheint der Höcker nun schon deutlich als das spätere Geschlechts-
glied, und in der Mitte ungefähr dieses Monates scheidet sich
auch die Kloakenmündung in die zwei vorhin genannten Oeffnungen
durch einen Vorgang, der noch nicht genau ermittelt ist. Nach
Rathke (Abhandl. z. Entw. I. St. 57) kommt die Trennung dadurch
zu Stande, dass einmal an der Seitenwand der Kloake zwei Falten
entstehen, die immer mehr vortreten und zweitens auch die Stelle,
wo der Mastdarm und der Urachus zusammenstossen, vorwächst,
bis endlich diese drei Theile sich vereinigen und so eine Scheidewand
zwischen den betreffenden beiden Kanälen bilden. Valentin dagegen
lässt die Trennung durch ein Schwinden der Kloake sich bilden,
ohne jedoch für diese Annahme genauere Beweise vorzubringen. Sei
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[459/0475] Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane. eine Verkürzung, jedoch weniger durch Contraction als in Folge der eigenthümlichen Entwicklung seiner Elemente annehmen zu dürfen, eine Verkürzung, welche auch H. Meckel mit Recht derjenigen ver- glichen hat, die junges Bindegewebe in Narben erleidet, durch welche bekanntlich unter Umständen mächtige mechanische Wirkungen aus- geübt werden. Beim weiblichen Embryo, bei dem der Descensus nicht so weit geht, scheint dieses letztere Moment wegzufallen und das Lig. rotundum später mit den übrigen Theilen im Wachsthume gleichen Schritt zu halten. Zum Schlusse schildere ich Ihnen nun noch die Entwicklung der äusseren Genitalien, bei welcher Gelegenheit wir auf eine sehr frühe Periode zurückzugehen haben. In der vierten Woche (s. Fig. 77) bemerkt man nahe am hinteren Leibesende eine einfache Oeff- nung, welche die gemeinsame Mündung des Darmes und des Urachus oder der späteren Harnblase darstellt, in welche auch die Urnieren- gänge einmünden und die aus diesem Grunde als Kloakenmün- dung bezeichnet wird, indem der letzte Abschnitt des Darmes nach der Vereinigung mit dem Urachus die Kloake heisst. Noch bevor eine Trennung dieser einfachen Oeffnung in zwei, die Aftermündung und die Harngeschlechtsöffnung, eintritt, erheben sich ungefähr in der sechsten Woche vor derselben ein einfacher Wulst, der Ge- schlechtshöcker und bald auch zwei seitliche Falten, die Ge- schlechtsfalten. Gegen das Ende des zweiten Monates erhebt sich der Höcker mehr und zeigt sich an seiner unteren Seite eine zur Kloakenmündung verlaufende Furche, die Geschlechtsfurche. Im dritten Monate treten diese Theile alle deutlicher hervor und er- scheint der Höcker nun schon deutlich als das spätere Geschlechts- glied, und in der Mitte ungefähr dieses Monates scheidet sich auch die Kloakenmündung in die zwei vorhin genannten Oeffnungen durch einen Vorgang, der noch nicht genau ermittelt ist. Nach Rathke (Abhandl. z. Entw. I. St. 57) kommt die Trennung dadurch zu Stande, dass einmal an der Seitenwand der Kloake zwei Falten entstehen, die immer mehr vortreten und zweitens auch die Stelle, wo der Mastdarm und der Urachus zusammenstossen, vorwächst, bis endlich diese drei Theile sich vereinigen und so eine Scheidewand zwischen den betreffenden beiden Kanälen bilden. Valentin dagegen lässt die Trennung durch ein Schwinden der Kloake sich bilden, ohne jedoch für diese Annahme genauere Beweise vorzubringen. Sei dem wie ihm wolle, so ist so viel sicher, dass unmittelbar nach der Entwicklung der äusseren Genitalien. Geschlechts- furche.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/475>, abgerufen am 25.11.2024.