Körner, Josef: Einführung in die Poetik. Frankfurt (Main), 1949.pko_042.001 pko_042.004 pko_042.013 pko_042.019 a) Erzählung in gebundener Rede (Versepik). pko_042.020 1) pko_042.036
Man ersetzt diesen Ausdruck daher jetzt allgemein durch den unmißverständlichen pko_042.037 "Heldenepos". pko_042.001 pko_042.004 pko_042.013 pko_042.019 a) Erzählung in gebundener Rede (Versepik). pko_042.020 1) pko_042.036
Man ersetzt diesen Ausdruck daher jetzt allgemein durch den unmißverständlichen pko_042.037 „Heldenepos“. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0046" n="42"/><lb n="pko_042.001"/> seiner Züs Bünzlin („Die drei gerechten Kammacher“) nicht die <lb n="pko_042.002"/> eindringliche Anschaulichkeit bewirken, die des Mädchens Raritäten- <lb n="pko_042.003"/> Lade mit ihrem lächerlichen Krimskrams vermittelt.</p> <p><lb n="pko_042.004"/> „Die Epopöe, der Roman, die einfache Erzählung“, schreibt Schiller, <lb n="pko_042.005"/> „rücken die Handlung schon ihrer Form nach in die Ferne, weil sie <lb n="pko_042.006"/> zwischen Leser und die handelnden Personen den Erzähler einschieben“. <lb n="pko_042.007"/> Alle Epik stellt Vergangenes dar: ein Gelebt-Haben, Gesehen-Haben, <lb n="pko_042.008"/> Geschehen-Sein; denn jegliches Erzählen ist, ausdrücklich oder verdeckt, <lb n="pko_042.009"/> ein besinnliches Zurückblicken, vom ʻEs war einmal' des Märchens bis <lb n="pko_042.010"/> zur modernen Erinnerungsnovelle (Heyse, Storm, v. Saar); und dies <lb n="pko_042.011"/> zwingt die Erzählung schon rein formal zu größerer Ruhe und Gemessenheit, <lb n="pko_042.012"/> zum Distanzhalten, zu gelassenem Stil.</p> <p><lb n="pko_042.013"/> Diese drei Merkmale: der Totalität, der sinnlichen Anschaulichkeit <lb n="pko_042.014"/> und des ruhevollen Vortrags eignen sämtlichen Arten epischer Dichtung, <lb n="pko_042.015"/> die übrigens, literargeschichtlich wie stilistisch, zunächst in zwei große <lb n="pko_042.016"/> Gruppen sich scheiden: die Erzählung in gebundener und die in ungebundener <lb n="pko_042.017"/> Rede; beide Gruppen gliedern sich ihrerseits wieder nach dem <lb n="pko_042.018"/> jeweiligen Umfang in Groß-, Mittel- und Kleinformen.</p> <div n="5"> <head> <hi rendition="#c"><lb n="pko_042.019"/> a) <hi rendition="#i">Erzählung in gebundener Rede (Versepik).</hi></hi> </head> <p><lb n="pko_042.020"/> 1. Das Epos im engeren Sinn <hi rendition="#i">(Epopöe, Heldengedicht)</hi> ist die <lb n="pko_042.021"/> typisierend stilisierte Großerzählung kultureller Frühzeit, jene Dichtungsgattung, <lb n="pko_042.022"/> in der junge Völker die Erinnerung an die eignen großen <lb n="pko_042.023"/> Schicksale und an die Taten ihrer Helden (Heldensage) idealisierend <lb n="pko_042.024"/> festhalten; es ist Ausdruck eines noch undifferenzierten Weltgefühls, <lb n="pko_042.025"/> seine Gestalten stellen nicht Einzelindividuen unverwechselbarer Besonderheit <lb n="pko_042.026"/> dar, sondern sind festgeprägte Typen, die sich nur reliefartig <lb n="pko_042.027"/> abheben vom Hintergrund einer völkischen Gemeinschaft. In diesem <lb n="pko_042.028"/> Sinne darf man noch heute vom <hi rendition="#i">Volksepos</hi> sprechen, wiewohl die früher <lb n="pko_042.029"/> mit dieser Bezeichnung verbundene Vorstellung vom dichtenden Volk, <lb n="pko_042.030"/> von naturhaftem Gemeinschaftswerk längst als romantisches Phantasma <lb n="pko_042.031"/> abgetan und erkannt ist, daß auch die großen Volksepen<note xml:id="PKO_042_1" place="foot" n="1)"><lb n="pko_042.036"/> Man ersetzt diesen Ausdruck daher jetzt allgemein durch den unmißverständlichen <lb n="pko_042.037"/> „Heldenepos“.</note> (Homer: <lb n="pko_042.032"/> Ilias und Odyssee; die indischen Epen: Mahabharata, Ramajana; <lb n="pko_042.033"/> die französische „Chanson de Roland“; das Nibelungenlied; das finnische <lb n="pko_042.034"/> „Kalewala“) von je <hi rendition="#g">einem,</hi> wenn auch namentlich unbekannten, <lb n="pko_042.035"/> großen Dichter herstammen. Epen, deren Dichter man kennt (Vergils </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [42/0046]
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seiner Züs Bünzlin („Die drei gerechten Kammacher“) nicht die pko_042.002
eindringliche Anschaulichkeit bewirken, die des Mädchens Raritäten- pko_042.003
Lade mit ihrem lächerlichen Krimskrams vermittelt.
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„Die Epopöe, der Roman, die einfache Erzählung“, schreibt Schiller, pko_042.005
„rücken die Handlung schon ihrer Form nach in die Ferne, weil sie pko_042.006
zwischen Leser und die handelnden Personen den Erzähler einschieben“. pko_042.007
Alle Epik stellt Vergangenes dar: ein Gelebt-Haben, Gesehen-Haben, pko_042.008
Geschehen-Sein; denn jegliches Erzählen ist, ausdrücklich oder verdeckt, pko_042.009
ein besinnliches Zurückblicken, vom ʻEs war einmal' des Märchens bis pko_042.010
zur modernen Erinnerungsnovelle (Heyse, Storm, v. Saar); und dies pko_042.011
zwingt die Erzählung schon rein formal zu größerer Ruhe und Gemessenheit, pko_042.012
zum Distanzhalten, zu gelassenem Stil.
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Diese drei Merkmale: der Totalität, der sinnlichen Anschaulichkeit pko_042.014
und des ruhevollen Vortrags eignen sämtlichen Arten epischer Dichtung, pko_042.015
die übrigens, literargeschichtlich wie stilistisch, zunächst in zwei große pko_042.016
Gruppen sich scheiden: die Erzählung in gebundener und die in ungebundener pko_042.017
Rede; beide Gruppen gliedern sich ihrerseits wieder nach dem pko_042.018
jeweiligen Umfang in Groß-, Mittel- und Kleinformen.
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a) Erzählung in gebundener Rede (Versepik). pko_042.020
1. Das Epos im engeren Sinn (Epopöe, Heldengedicht) ist die pko_042.021
typisierend stilisierte Großerzählung kultureller Frühzeit, jene Dichtungsgattung, pko_042.022
in der junge Völker die Erinnerung an die eignen großen pko_042.023
Schicksale und an die Taten ihrer Helden (Heldensage) idealisierend pko_042.024
festhalten; es ist Ausdruck eines noch undifferenzierten Weltgefühls, pko_042.025
seine Gestalten stellen nicht Einzelindividuen unverwechselbarer Besonderheit pko_042.026
dar, sondern sind festgeprägte Typen, die sich nur reliefartig pko_042.027
abheben vom Hintergrund einer völkischen Gemeinschaft. In diesem pko_042.028
Sinne darf man noch heute vom Volksepos sprechen, wiewohl die früher pko_042.029
mit dieser Bezeichnung verbundene Vorstellung vom dichtenden Volk, pko_042.030
von naturhaftem Gemeinschaftswerk längst als romantisches Phantasma pko_042.031
abgetan und erkannt ist, daß auch die großen Volksepen 1) (Homer: pko_042.032
Ilias und Odyssee; die indischen Epen: Mahabharata, Ramajana; pko_042.033
die französische „Chanson de Roland“; das Nibelungenlied; das finnische pko_042.034
„Kalewala“) von je einem, wenn auch namentlich unbekannten, pko_042.035
großen Dichter herstammen. Epen, deren Dichter man kennt (Vergils
1) pko_042.036
Man ersetzt diesen Ausdruck daher jetzt allgemein durch den unmißverständlichen pko_042.037
„Heldenepos“.
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