Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.wo das Geld bei mir gestanden ist, kommen gerade 578 fl. 35 kr.; da darf kein "Pehm" daran fehlen. Der alte Kopf der Großmutter begann von dieser Mittheilung, die ihr so unerwartet kam, zu schwindeln. Schmah Jisroel! rief sie, für was bist du ihr's denn schuldig? Das ist ja ein gewaltig groß Stück Geld. Das ist das Geld, was ihr von Vaterswegen kommt, sagte Josseph mit eisiger Kälte. Zehn Jahre ist's bei mir gestanden, ich halt' mir keinen "Pehm" davon, Zinsen von Zinsen des Capitals zahl' ich ihr auch zurück, mit fünf Procent berechnet. Ehrlicher kann doch kein Bruder gegen seine Schwester handeln. Hast du ihr denn damals das Geld nicht ausgezahlt? fragte Marjim nach einer minutenlangen Pause, während welcher sich alle Lebenskräfte ihres Verstandes auf einen Punkt hindrängten, um nur diesmal nicht zu unterliegen. Weißt du denn das nicht? entgegnete Josseph mit merkwürdiger Unbefangenheit. Ich hätt' ihr etwa noch aus des Vaters Erbschaft ihr Theil abgeben sollen? Wie wäre sie dazu gekommen? Erst hat sie ihn in die Grub' gebracht, und hernach will sie noch ihr Theil? Ich hätt' keinen Kreuzer herausgelassen, und wenn sie vor meiner Thür umgefallen wär'! Josseph, Josseph! rief die alte Marjim vorwurfsvoll. Milder sagte er dann: wo das Geld bei mir gestanden ist, kommen gerade 578 fl. 35 kr.; da darf kein „Pehm“ daran fehlen. Der alte Kopf der Großmutter begann von dieser Mittheilung, die ihr so unerwartet kam, zu schwindeln. Schmah Jisroel! rief sie, für was bist du ihr's denn schuldig? Das ist ja ein gewaltig groß Stück Geld. Das ist das Geld, was ihr von Vaterswegen kommt, sagte Josseph mit eisiger Kälte. Zehn Jahre ist's bei mir gestanden, ich halt' mir keinen „Pehm“ davon, Zinsen von Zinsen des Capitals zahl' ich ihr auch zurück, mit fünf Procent berechnet. Ehrlicher kann doch kein Bruder gegen seine Schwester handeln. Hast du ihr denn damals das Geld nicht ausgezahlt? fragte Marjim nach einer minutenlangen Pause, während welcher sich alle Lebenskräfte ihres Verstandes auf einen Punkt hindrängten, um nur diesmal nicht zu unterliegen. Weißt du denn das nicht? entgegnete Josseph mit merkwürdiger Unbefangenheit. Ich hätt' ihr etwa noch aus des Vaters Erbschaft ihr Theil abgeben sollen? Wie wäre sie dazu gekommen? Erst hat sie ihn in die Grub' gebracht, und hernach will sie noch ihr Theil? Ich hätt' keinen Kreuzer herausgelassen, und wenn sie vor meiner Thür umgefallen wär'! Josseph, Josseph! rief die alte Marjim vorwurfsvoll. Milder sagte er dann: <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="9"> <p><pb facs="#f0132"/> wo das Geld bei mir gestanden ist, kommen gerade 578 fl. 35 kr.; da darf kein „Pehm“ daran fehlen.</p><lb/> <p>Der alte Kopf der Großmutter begann von dieser Mittheilung, die ihr so unerwartet kam, zu schwindeln.</p><lb/> <p>Schmah Jisroel! rief sie, für was bist du ihr's denn schuldig? Das ist ja ein gewaltig groß Stück Geld.</p><lb/> <p>Das ist das Geld, was ihr von Vaterswegen kommt, sagte Josseph mit eisiger Kälte. Zehn Jahre ist's bei mir gestanden, ich halt' mir keinen „Pehm“ davon, Zinsen von Zinsen des Capitals zahl' ich ihr auch zurück, mit fünf Procent berechnet. Ehrlicher kann doch kein Bruder gegen seine Schwester handeln.</p><lb/> <p>Hast du ihr denn damals das Geld nicht ausgezahlt? fragte Marjim nach einer minutenlangen Pause, während welcher sich alle Lebenskräfte ihres Verstandes auf einen Punkt hindrängten, um nur diesmal nicht zu unterliegen.</p><lb/> <p>Weißt du denn das nicht? entgegnete Josseph mit merkwürdiger Unbefangenheit. Ich hätt' ihr etwa noch aus des Vaters Erbschaft ihr Theil abgeben sollen? Wie wäre sie dazu gekommen? Erst hat sie ihn in die Grub' gebracht, und hernach will sie noch ihr Theil? Ich hätt' keinen Kreuzer herausgelassen, und wenn sie vor meiner Thür umgefallen wär'!</p><lb/> <p>Josseph, Josseph! rief die alte Marjim vorwurfsvoll.</p><lb/> <p>Milder sagte er dann:</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0132]
wo das Geld bei mir gestanden ist, kommen gerade 578 fl. 35 kr.; da darf kein „Pehm“ daran fehlen.
Der alte Kopf der Großmutter begann von dieser Mittheilung, die ihr so unerwartet kam, zu schwindeln.
Schmah Jisroel! rief sie, für was bist du ihr's denn schuldig? Das ist ja ein gewaltig groß Stück Geld.
Das ist das Geld, was ihr von Vaterswegen kommt, sagte Josseph mit eisiger Kälte. Zehn Jahre ist's bei mir gestanden, ich halt' mir keinen „Pehm“ davon, Zinsen von Zinsen des Capitals zahl' ich ihr auch zurück, mit fünf Procent berechnet. Ehrlicher kann doch kein Bruder gegen seine Schwester handeln.
Hast du ihr denn damals das Geld nicht ausgezahlt? fragte Marjim nach einer minutenlangen Pause, während welcher sich alle Lebenskräfte ihres Verstandes auf einen Punkt hindrängten, um nur diesmal nicht zu unterliegen.
Weißt du denn das nicht? entgegnete Josseph mit merkwürdiger Unbefangenheit. Ich hätt' ihr etwa noch aus des Vaters Erbschaft ihr Theil abgeben sollen? Wie wäre sie dazu gekommen? Erst hat sie ihn in die Grub' gebracht, und hernach will sie noch ihr Theil? Ich hätt' keinen Kreuzer herausgelassen, und wenn sie vor meiner Thür umgefallen wär'!
Josseph, Josseph! rief die alte Marjim vorwurfsvoll.
Milder sagte er dann:
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Zitationshilfe: | Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/132>, abgerufen am 18.07.2024. |