Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Zwei starke Männer, jeder bedacht, das Uebergewicht zu erlangen, keiner eigentlich den Andern hassend und doch bemüht, ihm selbst ans Leben zu gehen, wie es die Noth erforderte! Dem Bauer war es fast gelungen, sich von seinem Gegner loszuringen; er biß Josseph in den rechten Fuß, daß dieser vor Schmerz laut aufschrie und wegtaumelte.

Du Pfaffenfreund! . . . du Pfaff, schrie Parzik, und raffte sich auf, wart', dir will ich auch zeigen . . . du Pfaff!

Es geht ums Leben, Parzik! rief bebend vor Kampf und Erschöpfung Josseph. Einer geht nicht lebendig fort von hier.

Parzik wollte mit dem Blicke eines Habichts, der seine Beute in nächster Nähe bemerkt, auf Josseph mit einem Sprunge losfahren, als hinter der Kapelle ein furchtbarer Schrei ertönte, der den beiden Ringern das Blut im Leibe gefrieren machte. Gleich darauf stürzte eine Gestalt hervor, die an Josseph zusammengeknickt darniedersank. Es war ein Weib.

Schlagt ihn nicht todt, bat sie mit hochaufgehobenen Händen, schlagt ihn nicht todt, es ist ja mein Vater!

Aus der Laterne vor dem blumenbekränzten Heiligen fiel ein dürftiger Strahl auf die knieende Gestalt. Die Männer erkannten sie.

Es war Anezka.

Zwei starke Männer, jeder bedacht, das Uebergewicht zu erlangen, keiner eigentlich den Andern hassend und doch bemüht, ihm selbst ans Leben zu gehen, wie es die Noth erforderte! Dem Bauer war es fast gelungen, sich von seinem Gegner loszuringen; er biß Josseph in den rechten Fuß, daß dieser vor Schmerz laut aufschrie und wegtaumelte.

Du Pfaffenfreund! . . . du Pfaff, schrie Parzik, und raffte sich auf, wart', dir will ich auch zeigen . . . du Pfaff!

Es geht ums Leben, Parzik! rief bebend vor Kampf und Erschöpfung Josseph. Einer geht nicht lebendig fort von hier.

Parzik wollte mit dem Blicke eines Habichts, der seine Beute in nächster Nähe bemerkt, auf Josseph mit einem Sprunge losfahren, als hinter der Kapelle ein furchtbarer Schrei ertönte, der den beiden Ringern das Blut im Leibe gefrieren machte. Gleich darauf stürzte eine Gestalt hervor, die an Josseph zusammengeknickt darniedersank. Es war ein Weib.

Schlagt ihn nicht todt, bat sie mit hochaufgehobenen Händen, schlagt ihn nicht todt, es ist ja mein Vater!

Aus der Laterne vor dem blumenbekränzten Heiligen fiel ein dürftiger Strahl auf die knieende Gestalt. Die Männer erkannten sie.

Es war Anezka.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="10">
        <p><pb facs="#f0152"/>
Zwei starke Männer, jeder bedacht, das Uebergewicht zu erlangen, keiner eigentlich                den Andern hassend und doch bemüht, ihm selbst ans Leben zu gehen, wie es die Noth                erforderte! Dem Bauer war es fast gelungen, sich von seinem Gegner loszuringen; er                biß Josseph in den rechten Fuß, daß dieser vor Schmerz laut aufschrie und                wegtaumelte.</p><lb/>
        <p>Du Pfaffenfreund! . . . du Pfaff, schrie Parzik, und raffte sich auf, wart', dir will                ich auch zeigen . . . du Pfaff!</p><lb/>
        <p>Es geht ums Leben, Parzik! rief bebend vor Kampf und Erschöpfung Josseph. Einer geht                nicht lebendig fort von hier.</p><lb/>
        <p>Parzik wollte mit dem Blicke eines Habichts, der seine Beute in nächster Nähe                bemerkt, auf Josseph mit einem Sprunge losfahren, als hinter der Kapelle ein                furchtbarer Schrei ertönte, der den beiden Ringern das Blut im Leibe gefrieren                machte. Gleich darauf stürzte eine Gestalt hervor, die an Josseph zusammengeknickt                darniedersank. Es war ein Weib.</p><lb/>
        <p>Schlagt ihn nicht todt, bat sie mit hochaufgehobenen Händen, schlagt ihn nicht todt,                es ist ja mein Vater!</p><lb/>
        <p>Aus der Laterne vor dem blumenbekränzten Heiligen fiel ein dürftiger Strahl auf die                knieende Gestalt. Die Männer erkannten sie.</p><lb/>
        <p>Es war Anezka.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0152] Zwei starke Männer, jeder bedacht, das Uebergewicht zu erlangen, keiner eigentlich den Andern hassend und doch bemüht, ihm selbst ans Leben zu gehen, wie es die Noth erforderte! Dem Bauer war es fast gelungen, sich von seinem Gegner loszuringen; er biß Josseph in den rechten Fuß, daß dieser vor Schmerz laut aufschrie und wegtaumelte. Du Pfaffenfreund! . . . du Pfaff, schrie Parzik, und raffte sich auf, wart', dir will ich auch zeigen . . . du Pfaff! Es geht ums Leben, Parzik! rief bebend vor Kampf und Erschöpfung Josseph. Einer geht nicht lebendig fort von hier. Parzik wollte mit dem Blicke eines Habichts, der seine Beute in nächster Nähe bemerkt, auf Josseph mit einem Sprunge losfahren, als hinter der Kapelle ein furchtbarer Schrei ertönte, der den beiden Ringern das Blut im Leibe gefrieren machte. Gleich darauf stürzte eine Gestalt hervor, die an Josseph zusammengeknickt darniedersank. Es war ein Weib. Schlagt ihn nicht todt, bat sie mit hochaufgehobenen Händen, schlagt ihn nicht todt, es ist ja mein Vater! Aus der Laterne vor dem blumenbekränzten Heiligen fiel ein dürftiger Strahl auf die knieende Gestalt. Die Männer erkannten sie. Es war Anezka.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/152
Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/152>, abgerufen am 27.11.2024.