Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

in Dienst bin, schon das sei eine große Sünde, besonders aber bei so einem, wie Ihr, Herr Josseph. Es wäre nicht erhört, wie Ihr Eure Schwester behandelt, bloß weil sie eine Katholikin geworden ist, und wenn ich nicht wollt', daß sich meine Mutter im Grabe umkehrt, so sollt' ich machen, daß ich fortkomme. Allerwärts sei es besser, und selbst wenn ich Hunger leide, als bei so Einem, der seine eigne Schwester, die niederfällt vor seinem Hause und fast umkommt unter der Last, im Staub liegen läßt und ihr nicht aufhilft und das Kind fortjagt, welches ihr helfen will. Der Pfarrer hat gesagt: das hätt' nur der Ahasverus gethan, als sie den Herrn und Heiland zum Kreuz geschleppt haben, der hätt' aber auch seine Strafe bekommen.

Schmah Jisroel, murmelte Josseph vor sich, das ist's also! Und auch das, was auf der Gewölbthür geschrieben stand, fragte er tonlos, ist das auch vom Pfarrer gekommen?

Das hab' ich in der Nacht schreiben müssen, wie Alles geschlafen hat.

Du? rief Josseph überrascht. Und der Pfarrer hat dir's befohlen?

Er hat zu mir gesagt, das Haus des Juden muß bezeichnet werden als die Wohnung eines Menschen, der nicht besser gethan hat, als Ahasverus gegen unseren Herrn und Heiland.

Selbst daß die Magd sich beim Aussprechen des

in Dienst bin, schon das sei eine große Sünde, besonders aber bei so einem, wie Ihr, Herr Josseph. Es wäre nicht erhört, wie Ihr Eure Schwester behandelt, bloß weil sie eine Katholikin geworden ist, und wenn ich nicht wollt', daß sich meine Mutter im Grabe umkehrt, so sollt' ich machen, daß ich fortkomme. Allerwärts sei es besser, und selbst wenn ich Hunger leide, als bei so Einem, der seine eigne Schwester, die niederfällt vor seinem Hause und fast umkommt unter der Last, im Staub liegen läßt und ihr nicht aufhilft und das Kind fortjagt, welches ihr helfen will. Der Pfarrer hat gesagt: das hätt' nur der Ahasverus gethan, als sie den Herrn und Heiland zum Kreuz geschleppt haben, der hätt' aber auch seine Strafe bekommen.

Schmah Jisroel, murmelte Josseph vor sich, das ist's also! Und auch das, was auf der Gewölbthür geschrieben stand, fragte er tonlos, ist das auch vom Pfarrer gekommen?

Das hab' ich in der Nacht schreiben müssen, wie Alles geschlafen hat.

Du? rief Josseph überrascht. Und der Pfarrer hat dir's befohlen?

Er hat zu mir gesagt, das Haus des Juden muß bezeichnet werden als die Wohnung eines Menschen, der nicht besser gethan hat, als Ahasverus gegen unseren Herrn und Heiland.

Selbst daß die Magd sich beim Aussprechen des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="11">
        <p><pb facs="#f0159"/>
in Dienst bin, schon das sei eine große                Sünde, besonders aber bei so einem, wie Ihr, Herr Josseph. Es wäre nicht erhört, wie                Ihr Eure Schwester behandelt, bloß weil sie eine Katholikin geworden ist, und wenn                ich nicht wollt', daß sich meine Mutter im Grabe umkehrt, so sollt' ich machen, daß                ich fortkomme. Allerwärts sei es besser, und selbst wenn ich Hunger leide, als bei so                Einem, der seine eigne Schwester, die niederfällt vor seinem Hause und fast umkommt                unter der Last, im Staub liegen läßt und ihr nicht aufhilft und das Kind fortjagt,                welches ihr helfen will. Der Pfarrer hat gesagt: das hätt' nur der Ahasverus gethan,                als sie den Herrn und Heiland zum Kreuz geschleppt haben, der hätt' aber auch seine                Strafe bekommen.</p><lb/>
        <p>Schmah Jisroel, murmelte Josseph vor sich, das ist's also! Und auch das, was auf der                Gewölbthür geschrieben stand, fragte er tonlos, ist das auch vom Pfarrer                gekommen?</p><lb/>
        <p>Das hab' ich in der Nacht schreiben müssen, wie Alles geschlafen hat.</p><lb/>
        <p>Du? rief Josseph überrascht. Und der Pfarrer hat dir's befohlen?</p><lb/>
        <p>Er hat zu mir gesagt, das Haus des Juden muß bezeichnet werden als die Wohnung eines                Menschen, der nicht besser gethan hat, als Ahasverus gegen unseren Herrn und                Heiland.</p><lb/>
        <p>Selbst daß die Magd sich beim Aussprechen des<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0159] in Dienst bin, schon das sei eine große Sünde, besonders aber bei so einem, wie Ihr, Herr Josseph. Es wäre nicht erhört, wie Ihr Eure Schwester behandelt, bloß weil sie eine Katholikin geworden ist, und wenn ich nicht wollt', daß sich meine Mutter im Grabe umkehrt, so sollt' ich machen, daß ich fortkomme. Allerwärts sei es besser, und selbst wenn ich Hunger leide, als bei so Einem, der seine eigne Schwester, die niederfällt vor seinem Hause und fast umkommt unter der Last, im Staub liegen läßt und ihr nicht aufhilft und das Kind fortjagt, welches ihr helfen will. Der Pfarrer hat gesagt: das hätt' nur der Ahasverus gethan, als sie den Herrn und Heiland zum Kreuz geschleppt haben, der hätt' aber auch seine Strafe bekommen. Schmah Jisroel, murmelte Josseph vor sich, das ist's also! Und auch das, was auf der Gewölbthür geschrieben stand, fragte er tonlos, ist das auch vom Pfarrer gekommen? Das hab' ich in der Nacht schreiben müssen, wie Alles geschlafen hat. Du? rief Josseph überrascht. Und der Pfarrer hat dir's befohlen? Er hat zu mir gesagt, das Haus des Juden muß bezeichnet werden als die Wohnung eines Menschen, der nicht besser gethan hat, als Ahasverus gegen unseren Herrn und Heiland. Selbst daß die Magd sich beim Aussprechen des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/159
Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/159>, abgerufen am 23.05.2024.