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Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Fast erschrocken sah nun Josseph nach der Mutter hin, doch sie sagte:

Heut' Nacht ist dein Urdede, wie er leibt und lebt, zu mir gekommen und hat zu mir gesprochen. Er ist dir da an meinem Bett gestanden, als wenn ich ihn noch jetzt sehen möcht'. Marjim, hat er zu mir gesagt, dein Mann läßt dich grüßen, auf Schabbes wird er von Prag zurückkommen, da läßt er dich bitten, du sollst dort beim " guten Ort" auf ihn warten. Gut, hab' ich gesagt, Dede Leben, ich werd' warten auf ihn, und ich lass' ihn wieder grüßen. Der Urdede hat ganz so ausgesehen, wie ich ihn noch gekannt hab' als Kind, er hat sein dreieckig Hütel aufgehabt, und in der Hand hat er seinen Stecken mit dem großen silbernen Knopf gehalten. Ich sag' dir, Josseph, daß mein Urdede sich die Mühe genommen hat und ist zu mir gekommen, das will etwas zu bedeuten haben, was, weißt du vielleicht selbst nicht.

Was ist da Merkwürdigs dran? meinte drauf mit ärgerlichem Achselzucken Josseph, willst du dir das vielleicht nicht in den Kopf setzen?

Das sag ja nicht, versetzte die alte Frau drauf ernst, daß das nichts zu bedeuten hat. Meine Mutter und mein Mann sind zu mir oft in der Nacht gekommen, und ich bin doch, Gott sei gelobt und gedankt, gesunderheit auf meinen Füßen, wenn die auch nicht recht mehr fort wollen. Aber daß der Urdede ist zu mir gekommen, red du, was du willst, meinet-

Fast erschrocken sah nun Josseph nach der Mutter hin, doch sie sagte:

Heut' Nacht ist dein Urdede, wie er leibt und lebt, zu mir gekommen und hat zu mir gesprochen. Er ist dir da an meinem Bett gestanden, als wenn ich ihn noch jetzt sehen möcht'. Marjim, hat er zu mir gesagt, dein Mann läßt dich grüßen, auf Schabbes wird er von Prag zurückkommen, da läßt er dich bitten, du sollst dort beim „ guten Ort“ auf ihn warten. Gut, hab' ich gesagt, Dede Leben, ich werd' warten auf ihn, und ich lass' ihn wieder grüßen. Der Urdede hat ganz so ausgesehen, wie ich ihn noch gekannt hab' als Kind, er hat sein dreieckig Hütel aufgehabt, und in der Hand hat er seinen Stecken mit dem großen silbernen Knopf gehalten. Ich sag' dir, Josseph, daß mein Urdede sich die Mühe genommen hat und ist zu mir gekommen, das will etwas zu bedeuten haben, was, weißt du vielleicht selbst nicht.

Was ist da Merkwürdigs dran? meinte drauf mit ärgerlichem Achselzucken Josseph, willst du dir das vielleicht nicht in den Kopf setzen?

Das sag ja nicht, versetzte die alte Frau drauf ernst, daß das nichts zu bedeuten hat. Meine Mutter und mein Mann sind zu mir oft in der Nacht gekommen, und ich bin doch, Gott sei gelobt und gedankt, gesunderheit auf meinen Füßen, wenn die auch nicht recht mehr fort wollen. Aber daß der Urdede ist zu mir gekommen, red du, was du willst, meinet-

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[0167] Fast erschrocken sah nun Josseph nach der Mutter hin, doch sie sagte: Heut' Nacht ist dein Urdede, wie er leibt und lebt, zu mir gekommen und hat zu mir gesprochen. Er ist dir da an meinem Bett gestanden, als wenn ich ihn noch jetzt sehen möcht'. Marjim, hat er zu mir gesagt, dein Mann läßt dich grüßen, auf Schabbes wird er von Prag zurückkommen, da läßt er dich bitten, du sollst dort beim „ guten Ort“ auf ihn warten. Gut, hab' ich gesagt, Dede Leben, ich werd' warten auf ihn, und ich lass' ihn wieder grüßen. Der Urdede hat ganz so ausgesehen, wie ich ihn noch gekannt hab' als Kind, er hat sein dreieckig Hütel aufgehabt, und in der Hand hat er seinen Stecken mit dem großen silbernen Knopf gehalten. Ich sag' dir, Josseph, daß mein Urdede sich die Mühe genommen hat und ist zu mir gekommen, das will etwas zu bedeuten haben, was, weißt du vielleicht selbst nicht. Was ist da Merkwürdigs dran? meinte drauf mit ärgerlichem Achselzucken Josseph, willst du dir das vielleicht nicht in den Kopf setzen? Das sag ja nicht, versetzte die alte Frau drauf ernst, daß das nichts zu bedeuten hat. Meine Mutter und mein Mann sind zu mir oft in der Nacht gekommen, und ich bin doch, Gott sei gelobt und gedankt, gesunderheit auf meinen Füßen, wenn die auch nicht recht mehr fort wollen. Aber daß der Urdede ist zu mir gekommen, red du, was du willst, meinet-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

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Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/167>, abgerufen am 22.05.2024.