Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ist ihnen nichts, die können sie sterben sehen, und es wird ihnen kein Aug' davon naß.

Machte ihm die Mutter dann Einwürfe, daß Madlena sich nur in ihr Schicksal füge, wenn sie den Beruf einer Bäuerin vollständig ausfülle, daß sie eben darin einen Beweis ihrer guten Abstammung aufstelle, wenn sie sich des Hauswesens tüchtig annähme, so lautete die Gegenrede aus Josseph's Munde gewöhnlich:

Das hätt' sie nicht werden müssen. Hätt' der Vater sie nicht beim Geborenwerden schon verflucht, wenn er gewußt hätt', daß sein Kind einmal Mist auf den Wagen legen, die Küh' melken oder Erdäpfel aus dem Felde ausgraben wird? Red mir nichts von den Bauern, und was ist aus ihr, Gott sei's ewig geklagt, geworden, Gott hat uns und sie gestraft.

Wie wunderbar muß die Wandlung in dem durch zehn Jahre vergrollten Gemüthe Josseph's gewesen sein, als ihm die Mutter Meldung that von der Frucht, die ihre alten Augen unter dem Herzen Madlena's entdeckt hatten! Marjim hatte ihn nicht gefragt, wohin er in der Nacht gegangen war, warum er erst mit dem Morgengrauen wieder zurückgekommen.

Wir aber können jenen nächtlichen Gang verrathen.

Er war an zwei Stunden vor der Wohnung seiner Schwester gestanden.

ist ihnen nichts, die können sie sterben sehen, und es wird ihnen kein Aug' davon naß.

Machte ihm die Mutter dann Einwürfe, daß Madlena sich nur in ihr Schicksal füge, wenn sie den Beruf einer Bäuerin vollständig ausfülle, daß sie eben darin einen Beweis ihrer guten Abstammung aufstelle, wenn sie sich des Hauswesens tüchtig annähme, so lautete die Gegenrede aus Josseph's Munde gewöhnlich:

Das hätt' sie nicht werden müssen. Hätt' der Vater sie nicht beim Geborenwerden schon verflucht, wenn er gewußt hätt', daß sein Kind einmal Mist auf den Wagen legen, die Küh' melken oder Erdäpfel aus dem Felde ausgraben wird? Red mir nichts von den Bauern, und was ist aus ihr, Gott sei's ewig geklagt, geworden, Gott hat uns und sie gestraft.

Wie wunderbar muß die Wandlung in dem durch zehn Jahre vergrollten Gemüthe Josseph's gewesen sein, als ihm die Mutter Meldung that von der Frucht, die ihre alten Augen unter dem Herzen Madlena's entdeckt hatten! Marjim hatte ihn nicht gefragt, wohin er in der Nacht gegangen war, warum er erst mit dem Morgengrauen wieder zurückgekommen.

Wir aber können jenen nächtlichen Gang verrathen.

Er war an zwei Stunden vor der Wohnung seiner Schwester gestanden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0038"/>
ist ihnen nichts, die können sie sterben sehen, und es wird                ihnen kein Aug' davon naß.</p><lb/>
        <p>Machte ihm die Mutter dann Einwürfe, daß Madlena sich nur in ihr Schicksal füge, wenn                sie den Beruf einer Bäuerin vollständig ausfülle, daß sie eben darin einen Beweis                ihrer guten Abstammung aufstelle, wenn sie sich des Hauswesens tüchtig annähme, so                lautete die Gegenrede aus Josseph's Munde gewöhnlich:</p><lb/>
        <p>Das hätt' sie nicht werden müssen. Hätt' der Vater sie nicht beim Geborenwerden schon                verflucht, wenn er gewußt hätt', daß sein Kind einmal Mist auf den Wagen legen, die                Küh' melken oder Erdäpfel aus dem Felde ausgraben wird? Red mir nichts von den                Bauern, und was ist aus ihr, Gott sei's ewig geklagt, geworden, Gott hat uns und sie                gestraft.</p><lb/>
        <p>Wie wunderbar muß die Wandlung in dem durch zehn Jahre vergrollten Gemüthe Josseph's                gewesen sein, als ihm die Mutter Meldung that von der Frucht, die ihre alten Augen                unter dem Herzen Madlena's entdeckt hatten! Marjim hatte ihn nicht gefragt, wohin er                in der Nacht gegangen war, warum er erst mit dem Morgengrauen wieder                zurückgekommen.</p><lb/>
        <p>Wir aber können jenen nächtlichen Gang verrathen.</p><lb/>
        <p>Er war an zwei Stunden vor der Wohnung seiner Schwester gestanden.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0038] ist ihnen nichts, die können sie sterben sehen, und es wird ihnen kein Aug' davon naß. Machte ihm die Mutter dann Einwürfe, daß Madlena sich nur in ihr Schicksal füge, wenn sie den Beruf einer Bäuerin vollständig ausfülle, daß sie eben darin einen Beweis ihrer guten Abstammung aufstelle, wenn sie sich des Hauswesens tüchtig annähme, so lautete die Gegenrede aus Josseph's Munde gewöhnlich: Das hätt' sie nicht werden müssen. Hätt' der Vater sie nicht beim Geborenwerden schon verflucht, wenn er gewußt hätt', daß sein Kind einmal Mist auf den Wagen legen, die Küh' melken oder Erdäpfel aus dem Felde ausgraben wird? Red mir nichts von den Bauern, und was ist aus ihr, Gott sei's ewig geklagt, geworden, Gott hat uns und sie gestraft. Wie wunderbar muß die Wandlung in dem durch zehn Jahre vergrollten Gemüthe Josseph's gewesen sein, als ihm die Mutter Meldung that von der Frucht, die ihre alten Augen unter dem Herzen Madlena's entdeckt hatten! Marjim hatte ihn nicht gefragt, wohin er in der Nacht gegangen war, warum er erst mit dem Morgengrauen wieder zurückgekommen. Wir aber können jenen nächtlichen Gang verrathen. Er war an zwei Stunden vor der Wohnung seiner Schwester gestanden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/38
Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/38>, abgerufen am 21.11.2024.