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Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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daran trug, daß sie jetzt wimmernd und ächzend zu Hause lag, hatte er ihr nicht in demselben Augenblicke geflucht? -- --

Es befiel diesen starken Menschen eine ungeheure Seelenangst, er hätte um Hülfe schreien mögen, um sich von ihr zu befreien. In der That wollte er anfangs um Fischele rufen; er fürchtete sich fast vor sich selbst. Weßwegen er den Knaben sehen wollte, das wußte er selbst nicht; aber eine gewaltige Sehnsucht nach dem Schauen eines Menschenantlitzes hatte ihn ergriffen.

In diesem Augenblicke war es sich Josseph bewußt worden, welches Unrecht er gestern an der Schwester begangen; er fühlte, wie es mit tausend spitzigen Stacheln in sein eigenes Fleisch gefahren war.

Seine Brust hob sich aber, wie befreit von einer schwarzen That, als er Madlena langsam, aber doch aufrechten Ganges eine Weile später auf die Kirche zukommen sah. Zum ersten Mal seit zehn Jahren, daß sie ihm nicht angethan mit den Schrecknissen der Gehennims erschien, daß er ohne Fluch und Zorn sie unter dem Geläute der schrecklichen Glocke in das Gotteshaus eintreten sah! Zum ersten Male seit einer so langen Zeit, daß ihn Madlena's Anblick mit einer Art Freude überkam!

Sie war also nicht krank! Sie hatte sich also nicht überhoben!

Müde von innerer Erschütterung mußte er sich auf eine Bank niederlassen.

daran trug, daß sie jetzt wimmernd und ächzend zu Hause lag, hatte er ihr nicht in demselben Augenblicke geflucht? — —

Es befiel diesen starken Menschen eine ungeheure Seelenangst, er hätte um Hülfe schreien mögen, um sich von ihr zu befreien. In der That wollte er anfangs um Fischele rufen; er fürchtete sich fast vor sich selbst. Weßwegen er den Knaben sehen wollte, das wußte er selbst nicht; aber eine gewaltige Sehnsucht nach dem Schauen eines Menschenantlitzes hatte ihn ergriffen.

In diesem Augenblicke war es sich Josseph bewußt worden, welches Unrecht er gestern an der Schwester begangen; er fühlte, wie es mit tausend spitzigen Stacheln in sein eigenes Fleisch gefahren war.

Seine Brust hob sich aber, wie befreit von einer schwarzen That, als er Madlena langsam, aber doch aufrechten Ganges eine Weile später auf die Kirche zukommen sah. Zum ersten Mal seit zehn Jahren, daß sie ihm nicht angethan mit den Schrecknissen der Gehennims erschien, daß er ohne Fluch und Zorn sie unter dem Geläute der schrecklichen Glocke in das Gotteshaus eintreten sah! Zum ersten Male seit einer so langen Zeit, daß ihn Madlena's Anblick mit einer Art Freude überkam!

Sie war also nicht krank! Sie hatte sich also nicht überhoben!

Müde von innerer Erschütterung mußte er sich auf eine Bank niederlassen.

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[0054] daran trug, daß sie jetzt wimmernd und ächzend zu Hause lag, hatte er ihr nicht in demselben Augenblicke geflucht? — — Es befiel diesen starken Menschen eine ungeheure Seelenangst, er hätte um Hülfe schreien mögen, um sich von ihr zu befreien. In der That wollte er anfangs um Fischele rufen; er fürchtete sich fast vor sich selbst. Weßwegen er den Knaben sehen wollte, das wußte er selbst nicht; aber eine gewaltige Sehnsucht nach dem Schauen eines Menschenantlitzes hatte ihn ergriffen. In diesem Augenblicke war es sich Josseph bewußt worden, welches Unrecht er gestern an der Schwester begangen; er fühlte, wie es mit tausend spitzigen Stacheln in sein eigenes Fleisch gefahren war. Seine Brust hob sich aber, wie befreit von einer schwarzen That, als er Madlena langsam, aber doch aufrechten Ganges eine Weile später auf die Kirche zukommen sah. Zum ersten Mal seit zehn Jahren, daß sie ihm nicht angethan mit den Schrecknissen der Gehennims erschien, daß er ohne Fluch und Zorn sie unter dem Geläute der schrecklichen Glocke in das Gotteshaus eintreten sah! Zum ersten Male seit einer so langen Zeit, daß ihn Madlena's Anblick mit einer Art Freude überkam! Sie war also nicht krank! Sie hatte sich also nicht überhoben! Müde von innerer Erschütterung mußte er sich auf eine Bank niederlassen.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

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Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/54>, abgerufen am 04.12.2024.