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Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Wer weiß, sprach es in ihm, ob sie gar so schlecht ist; man meint oft nur, man hat einen schlechten Menschen vor sich, und wenn man ihn in einer rechten Stunde antrifft, so sieht man erst, wie man sich betrogen hat. Und woher sollt' denn das Schlechte ihr auch kommen? Hat sie keine jüdische Ader in sich? Hat ihr Vater nicht Reb Schmul geheißen? Ich möcht' nur das Eine gerne wissen, ob sie in den zehn Jahren, die sie fort ist aus dem Haus, einmal zu Gott gebetet hat. Ich kann mir das nicht denken; jüdisch kann sie und darf sie ja nicht beten, also muß sie's böhmisch thun. -- Gott, Lebendiger! und welcher Mensch könnt' mir einreden, daß sie dort in der Kirche mit den Bauern und vor dem Johann von Nepomuk auf der Brücke, oder vor der heiligen Maria so mit ganzer Seele, mit Leib und Leben sich ausbeten kann und ihr beschwertes gedrückt' Herz ausschütten? -- Dinah, Rebb Schmul's Tochter! Wenn sie also nicht beten kann, wie sie will, was muß da herauskommen? Was wird aus einem blanken Stück Silber, was ich in der Erd' vergrab'? Es kömmt der Rost darüber und verzehrt's fast. Und Madlena sollt' den Rost nicht schon auf ihrer Seele haben? Der Wein wird dumpf, wenn man den Keller nicht lüftet, und das schönste Kleid zerfällt, wenn man's nicht anzieht -- -- und Madlena sollt' gut geblieben sein? Schlecht, grundschlecht und verfault wie ein wurmiger Apfel muß die sein, die zehn Jahre schon fort ist aus einem jüdischen Haus,

Wer weiß, sprach es in ihm, ob sie gar so schlecht ist; man meint oft nur, man hat einen schlechten Menschen vor sich, und wenn man ihn in einer rechten Stunde antrifft, so sieht man erst, wie man sich betrogen hat. Und woher sollt' denn das Schlechte ihr auch kommen? Hat sie keine jüdische Ader in sich? Hat ihr Vater nicht Reb Schmul geheißen? Ich möcht' nur das Eine gerne wissen, ob sie in den zehn Jahren, die sie fort ist aus dem Haus, einmal zu Gott gebetet hat. Ich kann mir das nicht denken; jüdisch kann sie und darf sie ja nicht beten, also muß sie's böhmisch thun. — Gott, Lebendiger! und welcher Mensch könnt' mir einreden, daß sie dort in der Kirche mit den Bauern und vor dem Johann von Nepomuk auf der Brücke, oder vor der heiligen Maria so mit ganzer Seele, mit Leib und Leben sich ausbeten kann und ihr beschwertes gedrückt' Herz ausschütten? — Dinah, Rebb Schmul's Tochter! Wenn sie also nicht beten kann, wie sie will, was muß da herauskommen? Was wird aus einem blanken Stück Silber, was ich in der Erd' vergrab'? Es kömmt der Rost darüber und verzehrt's fast. Und Madlena sollt' den Rost nicht schon auf ihrer Seele haben? Der Wein wird dumpf, wenn man den Keller nicht lüftet, und das schönste Kleid zerfällt, wenn man's nicht anzieht — — und Madlena sollt' gut geblieben sein? Schlecht, grundschlecht und verfault wie ein wurmiger Apfel muß die sein, die zehn Jahre schon fort ist aus einem jüdischen Haus,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

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Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/55>, abgerufen am 04.12.2024.