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Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Jugend; er war ganz böhmischer Bauer geworden, nur schien er eine gewisse Unabhängigkeit in "geistlichen" Sachen, als Erbtheil ehemaliger Studien, gerettet zu haben. Er lag Jahr aus Jahr ein mit dem Pfarrer im Streit; so oft der Zehent abzuliefern kam, konnte man gewiß sein, daß in des Bauern Hause der Geist des offenen Aufruhrs nur durch die Diener der Gewalt gebändigt werden konnte.

Im Dorfe kannte man diese wilde Natur nur unter dem Namen der "Dechant"! man hatte ihm, der sich der geistlichen Gewalt gegenüber als gleichbedeutende, immer rege Macht betrug, mit richtigem Verständniß die Stola über den Bauernkittel geworfen.

Seit dem März des Jahres 1848 war dieser Bauer noch wilder, noch unbändiger geworden. Man fand eines Tages eine brennende Schwefellunte auf der Schwelle der Pfarrei, und kein Mensch im Dorfe zweifelte, daß sie von dem "Dechant" dorthin gelegt war.

Er war der Erste, der die Flinte ergriff und das Wild der Herrschaft in dem Walde niederschoß, der Erste nach jenen Tagen, der vor dem Oberamtmann mit bedecktem Haupte stehen blieb, der dem Geistlichen noch vor dem Robbotgesetz Zehent und Robbot verweigerte, der in einer Nacht die Sturmglocke läutete und die Bauern zusammenrief, um ihnen das "Neueste" vom Wiener Reichstage vorzulesen. Es war die Robbotfreiung, die in jener Nacht Hunderte von Menschenherzen wie mit Peitschenhieben aufjagte, daß sie auf-

Jugend; er war ganz böhmischer Bauer geworden, nur schien er eine gewisse Unabhängigkeit in „geistlichen“ Sachen, als Erbtheil ehemaliger Studien, gerettet zu haben. Er lag Jahr aus Jahr ein mit dem Pfarrer im Streit; so oft der Zehent abzuliefern kam, konnte man gewiß sein, daß in des Bauern Hause der Geist des offenen Aufruhrs nur durch die Diener der Gewalt gebändigt werden konnte.

Im Dorfe kannte man diese wilde Natur nur unter dem Namen der „Dechant“! man hatte ihm, der sich der geistlichen Gewalt gegenüber als gleichbedeutende, immer rege Macht betrug, mit richtigem Verständniß die Stola über den Bauernkittel geworfen.

Seit dem März des Jahres 1848 war dieser Bauer noch wilder, noch unbändiger geworden. Man fand eines Tages eine brennende Schwefellunte auf der Schwelle der Pfarrei, und kein Mensch im Dorfe zweifelte, daß sie von dem „Dechant“ dorthin gelegt war.

Er war der Erste, der die Flinte ergriff und das Wild der Herrschaft in dem Walde niederschoß, der Erste nach jenen Tagen, der vor dem Oberamtmann mit bedecktem Haupte stehen blieb, der dem Geistlichen noch vor dem Robbotgesetz Zehent und Robbot verweigerte, der in einer Nacht die Sturmglocke läutete und die Bauern zusammenrief, um ihnen das „Neueste“ vom Wiener Reichstage vorzulesen. Es war die Robbotfreiung, die in jener Nacht Hunderte von Menschenherzen wie mit Peitschenhieben aufjagte, daß sie auf-

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[0059] Jugend; er war ganz böhmischer Bauer geworden, nur schien er eine gewisse Unabhängigkeit in „geistlichen“ Sachen, als Erbtheil ehemaliger Studien, gerettet zu haben. Er lag Jahr aus Jahr ein mit dem Pfarrer im Streit; so oft der Zehent abzuliefern kam, konnte man gewiß sein, daß in des Bauern Hause der Geist des offenen Aufruhrs nur durch die Diener der Gewalt gebändigt werden konnte. Im Dorfe kannte man diese wilde Natur nur unter dem Namen der „Dechant“! man hatte ihm, der sich der geistlichen Gewalt gegenüber als gleichbedeutende, immer rege Macht betrug, mit richtigem Verständniß die Stola über den Bauernkittel geworfen. Seit dem März des Jahres 1848 war dieser Bauer noch wilder, noch unbändiger geworden. Man fand eines Tages eine brennende Schwefellunte auf der Schwelle der Pfarrei, und kein Mensch im Dorfe zweifelte, daß sie von dem „Dechant“ dorthin gelegt war. Er war der Erste, der die Flinte ergriff und das Wild der Herrschaft in dem Walde niederschoß, der Erste nach jenen Tagen, der vor dem Oberamtmann mit bedecktem Haupte stehen blieb, der dem Geistlichen noch vor dem Robbotgesetz Zehent und Robbot verweigerte, der in einer Nacht die Sturmglocke läutete und die Bauern zusammenrief, um ihnen das „Neueste“ vom Wiener Reichstage vorzulesen. Es war die Robbotfreiung, die in jener Nacht Hunderte von Menschenherzen wie mit Peitschenhieben aufjagte, daß sie auf-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

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Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/59>, abgerufen am 04.12.2024.