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Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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jauchzten und aufbrüllten, halb Fluch, halb Segen, Haß und Jubel, Gift und Freude vor sich ausgießend.

Man konnte nicht sagen, daß Stepan Parzik irgend einen Anhang im Dorfe hatte, er war eine jener Lebensgestalten, wie wir sie in der Gesellschaft allein und unbegriffen stehend finden, wie sie auch das Dorf erzeugt. Es war ihm Keiner wild und aufrührerisch genug, und darum zeigte er ihnen Verachtung, wo er nur konnte.

Zu dem Judenhause stand er in einem eigenthümlichen Verhältnisse; seine Tochter war nach dem Abfalle Madlena's als zehnjähriges Kind ins Haus gekommen und diente dort als Magd; sie war bei den Juden gleichsam erzogen worden. Mit zärtlicher Liebe hing das Mädchen an ihrem Dienstherrn, und war nie zu bewegen gewesen, in ihres Vaters Haus zurückzukehren. Seinerseits betrachtete Stepan dieses Mädchen als eine Abgefallene und nannte sie eine "Jüdin"; aber er hatte sich mehr als einmal geäußert, es sei ihm im Grunde das gleichgültig, und wenn sie gleich als Jüdin geboren worden, so wäre ihm das noch lieber, denn die Juden hätten's gut, müßten an ihre Pfaffen keinen Zehent zahlen, brauchten nicht zur Beichte zu gehen und hätten das ganze Geld der Erde.

Wer eine Natur, wie die Josseph's, begreift, wird den Schluß leicht finden, warum ihm Stepan Parzik mit seiner Freigeisterei ein innerlicher Abscheu war, warum es ihn graute, wenn diese wilde, ungeschlachte

jauchzten und aufbrüllten, halb Fluch, halb Segen, Haß und Jubel, Gift und Freude vor sich ausgießend.

Man konnte nicht sagen, daß Stepan Parzik irgend einen Anhang im Dorfe hatte, er war eine jener Lebensgestalten, wie wir sie in der Gesellschaft allein und unbegriffen stehend finden, wie sie auch das Dorf erzeugt. Es war ihm Keiner wild und aufrührerisch genug, und darum zeigte er ihnen Verachtung, wo er nur konnte.

Zu dem Judenhause stand er in einem eigenthümlichen Verhältnisse; seine Tochter war nach dem Abfalle Madlena's als zehnjähriges Kind ins Haus gekommen und diente dort als Magd; sie war bei den Juden gleichsam erzogen worden. Mit zärtlicher Liebe hing das Mädchen an ihrem Dienstherrn, und war nie zu bewegen gewesen, in ihres Vaters Haus zurückzukehren. Seinerseits betrachtete Stepan dieses Mädchen als eine Abgefallene und nannte sie eine „Jüdin“; aber er hatte sich mehr als einmal geäußert, es sei ihm im Grunde das gleichgültig, und wenn sie gleich als Jüdin geboren worden, so wäre ihm das noch lieber, denn die Juden hätten's gut, müßten an ihre Pfaffen keinen Zehent zahlen, brauchten nicht zur Beichte zu gehen und hätten das ganze Geld der Erde.

Wer eine Natur, wie die Josseph's, begreift, wird den Schluß leicht finden, warum ihm Stepan Parzik mit seiner Freigeisterei ein innerlicher Abscheu war, warum es ihn graute, wenn diese wilde, ungeschlachte

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[0060] jauchzten und aufbrüllten, halb Fluch, halb Segen, Haß und Jubel, Gift und Freude vor sich ausgießend. Man konnte nicht sagen, daß Stepan Parzik irgend einen Anhang im Dorfe hatte, er war eine jener Lebensgestalten, wie wir sie in der Gesellschaft allein und unbegriffen stehend finden, wie sie auch das Dorf erzeugt. Es war ihm Keiner wild und aufrührerisch genug, und darum zeigte er ihnen Verachtung, wo er nur konnte. Zu dem Judenhause stand er in einem eigenthümlichen Verhältnisse; seine Tochter war nach dem Abfalle Madlena's als zehnjähriges Kind ins Haus gekommen und diente dort als Magd; sie war bei den Juden gleichsam erzogen worden. Mit zärtlicher Liebe hing das Mädchen an ihrem Dienstherrn, und war nie zu bewegen gewesen, in ihres Vaters Haus zurückzukehren. Seinerseits betrachtete Stepan dieses Mädchen als eine Abgefallene und nannte sie eine „Jüdin“; aber er hatte sich mehr als einmal geäußert, es sei ihm im Grunde das gleichgültig, und wenn sie gleich als Jüdin geboren worden, so wäre ihm das noch lieber, denn die Juden hätten's gut, müßten an ihre Pfaffen keinen Zehent zahlen, brauchten nicht zur Beichte zu gehen und hätten das ganze Geld der Erde. Wer eine Natur, wie die Josseph's, begreift, wird den Schluß leicht finden, warum ihm Stepan Parzik mit seiner Freigeisterei ein innerlicher Abscheu war, warum es ihn graute, wenn diese wilde, ungeschlachte

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

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Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/60>, abgerufen am 04.12.2024.