Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

hätte sein Vetter Ciccio nicht Wasser in die Grube gegossen und ihm ein Glas daraus geschöpft und zu trinken gereicht. -- Wer hat nun Recht? fragte Don Strintillo und trank das Glas rein aus. Zwar kam später, trotz alles Grabens, kein Wasser mehr nach; aber Don Strintillo hielt den Traum für erfüllt und war zufrieden, und als man ihm einige Zeit nachher von Ciccio's List sagte, sprach er: So sagt ihr nur, damit ich nicht Recht haben soll, und Alles endigte damit, daß er nur desto mehr im Glauben an seine Träume bestärkt wurde, recht nach dem alten Sprichwort: zerstoße den Narren im Mörser, und er wird ein Narr bleiben nach wie vor. Jeden Morgen, sogleich nach dem Frühgebet, langte Don Strintillo nach seinen Traumbüchern, deren er nicht genug bekommen konnte. Dieselben widersprachen sich zwar hie und da; aber das war ihm eben recht; denn traf sein Traum nach dem einen Buche nicht ein, so fand er in dem andern Trost. Alles, was ihm widerfuhr, wußte er immer hinterher den Träumen anzupassen, die er kurz vorher oder lange vorher gehabt hatte. Als ihm seine gute Frau starb, sagte er zu seinem Vetter Ciccio mit Thränen in den Augen: Da sieh, wie meine Träume zuletzt doch eintreffen! -- Vor drei Jahren, just in derselben Nacht, sah ich im Traum eine Katze, die auf glühenden Kohlen stand und gewaltig schrie. Was diese Katze bedeuten sollte, konnte ich damals in meinen Büchern nicht finden und auch

hätte sein Vetter Ciccio nicht Wasser in die Grube gegossen und ihm ein Glas daraus geschöpft und zu trinken gereicht. — Wer hat nun Recht? fragte Don Strintillo und trank das Glas rein aus. Zwar kam später, trotz alles Grabens, kein Wasser mehr nach; aber Don Strintillo hielt den Traum für erfüllt und war zufrieden, und als man ihm einige Zeit nachher von Ciccio's List sagte, sprach er: So sagt ihr nur, damit ich nicht Recht haben soll, und Alles endigte damit, daß er nur desto mehr im Glauben an seine Träume bestärkt wurde, recht nach dem alten Sprichwort: zerstoße den Narren im Mörser, und er wird ein Narr bleiben nach wie vor. Jeden Morgen, sogleich nach dem Frühgebet, langte Don Strintillo nach seinen Traumbüchern, deren er nicht genug bekommen konnte. Dieselben widersprachen sich zwar hie und da; aber das war ihm eben recht; denn traf sein Traum nach dem einen Buche nicht ein, so fand er in dem andern Trost. Alles, was ihm widerfuhr, wußte er immer hinterher den Träumen anzupassen, die er kurz vorher oder lange vorher gehabt hatte. Als ihm seine gute Frau starb, sagte er zu seinem Vetter Ciccio mit Thränen in den Augen: Da sieh, wie meine Träume zuletzt doch eintreffen! — Vor drei Jahren, just in derselben Nacht, sah ich im Traum eine Katze, die auf glühenden Kohlen stand und gewaltig schrie. Was diese Katze bedeuten sollte, konnte ich damals in meinen Büchern nicht finden und auch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0010"/>
hätte sein                     Vetter Ciccio nicht Wasser in die Grube gegossen und ihm ein Glas daraus                     geschöpft und zu trinken gereicht. &#x2014; Wer hat nun Recht? fragte Don Strintillo                     und trank das Glas rein aus. Zwar kam später, trotz alles Grabens, kein Wasser                     mehr nach; aber Don Strintillo hielt den Traum für erfüllt und war zufrieden,                     und als man ihm einige Zeit nachher von Ciccio's List sagte, sprach er: So sagt                     ihr nur, damit ich nicht Recht haben soll, und Alles endigte damit, daß er nur                     desto mehr im Glauben an seine Träume bestärkt wurde, recht nach dem alten                     Sprichwort: zerstoße den Narren im Mörser, und er wird ein Narr bleiben nach wie                     vor. Jeden Morgen, sogleich nach dem Frühgebet, langte Don Strintillo nach                     seinen Traumbüchern, deren er nicht genug bekommen konnte. Dieselben                     widersprachen sich zwar hie und da; aber das war ihm eben recht; denn traf sein                     Traum nach dem einen Buche nicht ein, so fand er in dem andern Trost. Alles, was                     ihm widerfuhr, wußte er immer hinterher den Träumen anzupassen, die er kurz                     vorher oder lange vorher gehabt hatte. Als ihm seine gute Frau starb, sagte er                     zu seinem Vetter Ciccio mit Thränen in den Augen: Da sieh, wie meine Träume                     zuletzt doch eintreffen! &#x2014; Vor drei Jahren, just in derselben Nacht, sah ich im                     Traum eine Katze, die auf glühenden Kohlen stand und gewaltig schrie. Was diese                     Katze bedeuten sollte, konnte ich damals in meinen Büchern nicht finden und auch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0010] hätte sein Vetter Ciccio nicht Wasser in die Grube gegossen und ihm ein Glas daraus geschöpft und zu trinken gereicht. — Wer hat nun Recht? fragte Don Strintillo und trank das Glas rein aus. Zwar kam später, trotz alles Grabens, kein Wasser mehr nach; aber Don Strintillo hielt den Traum für erfüllt und war zufrieden, und als man ihm einige Zeit nachher von Ciccio's List sagte, sprach er: So sagt ihr nur, damit ich nicht Recht haben soll, und Alles endigte damit, daß er nur desto mehr im Glauben an seine Träume bestärkt wurde, recht nach dem alten Sprichwort: zerstoße den Narren im Mörser, und er wird ein Narr bleiben nach wie vor. Jeden Morgen, sogleich nach dem Frühgebet, langte Don Strintillo nach seinen Traumbüchern, deren er nicht genug bekommen konnte. Dieselben widersprachen sich zwar hie und da; aber das war ihm eben recht; denn traf sein Traum nach dem einen Buche nicht ein, so fand er in dem andern Trost. Alles, was ihm widerfuhr, wußte er immer hinterher den Träumen anzupassen, die er kurz vorher oder lange vorher gehabt hatte. Als ihm seine gute Frau starb, sagte er zu seinem Vetter Ciccio mit Thränen in den Augen: Da sieh, wie meine Träume zuletzt doch eintreffen! — Vor drei Jahren, just in derselben Nacht, sah ich im Traum eine Katze, die auf glühenden Kohlen stand und gewaltig schrie. Was diese Katze bedeuten sollte, konnte ich damals in meinen Büchern nicht finden und auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:35:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:35:42Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910/10
Zitationshilfe: Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910/10>, abgerufen am 23.11.2024.