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Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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nicht denken; nun ist es aber klar: die Katze, die auf Kohlen steht, ist meine Frau im Fegefeuer; denn unter uns gesagt, sie kam mir manchmal nicht aufrichtig vor. Nun aber laß uns für ihre arme Seele beten.

Ihr thut ihr Unrecht, sagte Don Ciccio.

Laß uns beten, sagte Strintillo, vor Gott sind wir Alle Sünder!

Zum Glück wurde seine schöne Tochter Angiolina nicht von ihm erzogen, sondern von einer verständigen Muhme, die er ins Haus genommen, und wuchs an Seel' und Leib so herrlich heran, daß sie mit sechzehn Jahren das Wunder der ganzen Gegend war. Unzählige Freier hatten sich bereits vergeblich bei dem wunderlichen Vater um sie beworben, als eines Tages zwei bei ihm zusammentrafen, welche sich besser berechtigt glaubten als alle früheren. Der ältere dieser Freier, Don Granco, war zwar von Gestalt häßlicher und drolliger, als man irgend ein Figürchen aus Brod kneten könnte, dabei jedoch der wohlhabendste Mann in Gragnano und, was ihn bei Strintillo gleichermaßen empfahl, wie er, ein leidenschaftlicher Liebhaber von Träumen. Der andere dieser Freier aber war das Gegentheil von diesem, weder ein Träumer noch mit Reichthümern gesegnet, aber sonst mit Allem ausgestattet, was an jungen Leuten wohlgefällt. Er war jung und schön, kräftig und rührig und rasch in Allem was er that, der beste Tänzer am Ort und geliebt von Jung und Alt. Begabt mit der süßesten Stimme,

nicht denken; nun ist es aber klar: die Katze, die auf Kohlen steht, ist meine Frau im Fegefeuer; denn unter uns gesagt, sie kam mir manchmal nicht aufrichtig vor. Nun aber laß uns für ihre arme Seele beten.

Ihr thut ihr Unrecht, sagte Don Ciccio.

Laß uns beten, sagte Strintillo, vor Gott sind wir Alle Sünder!

Zum Glück wurde seine schöne Tochter Angiolina nicht von ihm erzogen, sondern von einer verständigen Muhme, die er ins Haus genommen, und wuchs an Seel' und Leib so herrlich heran, daß sie mit sechzehn Jahren das Wunder der ganzen Gegend war. Unzählige Freier hatten sich bereits vergeblich bei dem wunderlichen Vater um sie beworben, als eines Tages zwei bei ihm zusammentrafen, welche sich besser berechtigt glaubten als alle früheren. Der ältere dieser Freier, Don Granco, war zwar von Gestalt häßlicher und drolliger, als man irgend ein Figürchen aus Brod kneten könnte, dabei jedoch der wohlhabendste Mann in Gragnano und, was ihn bei Strintillo gleichermaßen empfahl, wie er, ein leidenschaftlicher Liebhaber von Träumen. Der andere dieser Freier aber war das Gegentheil von diesem, weder ein Träumer noch mit Reichthümern gesegnet, aber sonst mit Allem ausgestattet, was an jungen Leuten wohlgefällt. Er war jung und schön, kräftig und rührig und rasch in Allem was er that, der beste Tänzer am Ort und geliebt von Jung und Alt. Begabt mit der süßesten Stimme,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:35:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910/11>, abgerufen am 29.03.2024.