Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

die je von Mannesmund erklungen, verstand er zu Tänzen und Spielen augenblicklich die zierlichsten Weisen und Lieder zu erfinden, und hatte vor Kurzem erst in einem Wettsingen mit den besten Improvisatoren der Umgegend eine schön ausgelegte Mandoline gewonnen, zu deren beseelten Klängen er unter Angiolinens Fenster manch schmelzendes Lied gehaucht. Kurz, Don Granco besaß das Herz des Vaters und Giovanni das Herz der Tochter, und war bei dem Alten ebenfalls so wohl angeschrieben, daß er die beste Hoffnung halte. So gerüstet traten Beide zugleich in das Zimmer, Jeder im Vertrauen auf sein Glück, hatte keiner ein Hehl vor dem Andern, und Giovanni ließ den drolligen Don Granco seine Werbung zuerst anbringen. Dieser hub folgendermaßen an: Mein ehrenwerther Freund Strintillo, vielleicht ist Euch bereits bemerklich geworden, wie mich schon seit geraumer Zeit der Liebesgott quält und peinigt, und zwar um Eurer schönen Tochter willen, welche, wie alle Welt weiß, von der Nasenspitze bis zur kleinen Zehe nichts Andres ist als ein Zucker und ein Honig, und, daß ich es kurz heraussage, durchaus gemacht für Euren Diener Granco. Viel Redens kann ich nicht machen, gebt sie mir zum Weibe: ich stelle sie in ein Glasschränkchen und lasse kein Stäubchen auf sie fallen, so wahr ich Granco bin, es soll Euch nicht leid werden! -- Ihr wundert Euch vielleicht, woher ich den Muth nehme, und sogar auf einmal mit der Thür ins Haus falle?

die je von Mannesmund erklungen, verstand er zu Tänzen und Spielen augenblicklich die zierlichsten Weisen und Lieder zu erfinden, und hatte vor Kurzem erst in einem Wettsingen mit den besten Improvisatoren der Umgegend eine schön ausgelegte Mandoline gewonnen, zu deren beseelten Klängen er unter Angiolinens Fenster manch schmelzendes Lied gehaucht. Kurz, Don Granco besaß das Herz des Vaters und Giovanni das Herz der Tochter, und war bei dem Alten ebenfalls so wohl angeschrieben, daß er die beste Hoffnung halte. So gerüstet traten Beide zugleich in das Zimmer, Jeder im Vertrauen auf sein Glück, hatte keiner ein Hehl vor dem Andern, und Giovanni ließ den drolligen Don Granco seine Werbung zuerst anbringen. Dieser hub folgendermaßen an: Mein ehrenwerther Freund Strintillo, vielleicht ist Euch bereits bemerklich geworden, wie mich schon seit geraumer Zeit der Liebesgott quält und peinigt, und zwar um Eurer schönen Tochter willen, welche, wie alle Welt weiß, von der Nasenspitze bis zur kleinen Zehe nichts Andres ist als ein Zucker und ein Honig, und, daß ich es kurz heraussage, durchaus gemacht für Euren Diener Granco. Viel Redens kann ich nicht machen, gebt sie mir zum Weibe: ich stelle sie in ein Glasschränkchen und lasse kein Stäubchen auf sie fallen, so wahr ich Granco bin, es soll Euch nicht leid werden! — Ihr wundert Euch vielleicht, woher ich den Muth nehme, und sogar auf einmal mit der Thür ins Haus falle?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0012"/>
die je von Mannesmund erklungen, verstand                     er zu Tänzen und Spielen augenblicklich die zierlichsten Weisen und Lieder zu                     erfinden, und hatte vor Kurzem erst in einem Wettsingen mit den besten                     Improvisatoren der Umgegend eine schön ausgelegte Mandoline gewonnen, zu deren                     beseelten Klängen er unter Angiolinens Fenster manch schmelzendes Lied gehaucht.                     Kurz, Don Granco besaß das Herz des Vaters und Giovanni das Herz der Tochter,                     und war bei dem Alten ebenfalls so wohl angeschrieben, daß er die beste Hoffnung                     halte. So gerüstet traten Beide zugleich in das Zimmer, Jeder im Vertrauen auf                     sein Glück, hatte keiner ein Hehl vor dem Andern, und Giovanni ließ den                     drolligen Don Granco seine Werbung zuerst anbringen. Dieser hub folgendermaßen                     an: Mein ehrenwerther Freund Strintillo, vielleicht ist Euch bereits bemerklich                     geworden, wie mich schon seit geraumer Zeit der Liebesgott quält und peinigt,                     und zwar um Eurer schönen Tochter willen, welche, wie alle Welt weiß, von der                     Nasenspitze bis zur kleinen Zehe nichts Andres ist als ein Zucker und ein Honig,                     und, daß ich es kurz heraussage, durchaus gemacht für Euren Diener Granco. Viel                     Redens kann ich nicht machen, gebt sie mir zum Weibe: ich stelle sie in ein                     Glasschränkchen und lasse kein Stäubchen auf sie fallen, so wahr ich Granco bin,                     es soll Euch nicht leid werden! &#x2014; Ihr wundert Euch vielleicht, woher ich den                     Muth nehme, und sogar auf einmal mit der Thür ins Haus falle?<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0012] die je von Mannesmund erklungen, verstand er zu Tänzen und Spielen augenblicklich die zierlichsten Weisen und Lieder zu erfinden, und hatte vor Kurzem erst in einem Wettsingen mit den besten Improvisatoren der Umgegend eine schön ausgelegte Mandoline gewonnen, zu deren beseelten Klängen er unter Angiolinens Fenster manch schmelzendes Lied gehaucht. Kurz, Don Granco besaß das Herz des Vaters und Giovanni das Herz der Tochter, und war bei dem Alten ebenfalls so wohl angeschrieben, daß er die beste Hoffnung halte. So gerüstet traten Beide zugleich in das Zimmer, Jeder im Vertrauen auf sein Glück, hatte keiner ein Hehl vor dem Andern, und Giovanni ließ den drolligen Don Granco seine Werbung zuerst anbringen. Dieser hub folgendermaßen an: Mein ehrenwerther Freund Strintillo, vielleicht ist Euch bereits bemerklich geworden, wie mich schon seit geraumer Zeit der Liebesgott quält und peinigt, und zwar um Eurer schönen Tochter willen, welche, wie alle Welt weiß, von der Nasenspitze bis zur kleinen Zehe nichts Andres ist als ein Zucker und ein Honig, und, daß ich es kurz heraussage, durchaus gemacht für Euren Diener Granco. Viel Redens kann ich nicht machen, gebt sie mir zum Weibe: ich stelle sie in ein Glasschränkchen und lasse kein Stäubchen auf sie fallen, so wahr ich Granco bin, es soll Euch nicht leid werden! — Ihr wundert Euch vielleicht, woher ich den Muth nehme, und sogar auf einmal mit der Thür ins Haus falle?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:35:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:35:42Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910/12
Zitationshilfe: Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910/12>, abgerufen am 25.04.2024.