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Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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den Verstand verlieren. O du bist nicht so allein, wie du glaubst, alle verschmähten Freier helfen mit Spectakel machen. -- So betrübt Giovanni war, so mußte er doch über diese sonderbaren Aeußerungen von Liebe lachen und sagte: Herzlichen Dank, meine Freunde, für euren guten Willen; aber lasset das Gelärm, damit wird Strintillo's Sinn nicht geändert und Granco's auch nicht. Unverbesserlich eigensinnig ist Einer wie der Andere; nein, wenn keine andere Hülfe kommt, muß ich mich in Gottes Schickung ergeben! Verzweifelnd ging ich aus, aber ein wunderbarer Vorfall, von dem ich zu schweigen versprochen, hat mich überzeugt, daß Gottes Hand sichtbar über mir ist, und daß ich noch leben soll.

Unter solchen Gesprächen gingen sie durch den Wald hinab, in dem unzählige Nachtigallen schlugen. Die herrliche Natur und die Liebe der Freunde tröstete Giovanni, und sein herber Schmerz ward sanfte Wehmuth. Als er heimkam, zwangen ihn seine Freunde, Speise und Trank zu nehmen, wogegen er einen Widerwillen gefaßt. Trink ein Glas mehr, wie sonst, es wird dir gut thun, sagte Ciccio. Guten Ausgang! riefen seine Freunde und stießen mit ihm an. Gott kann noch Alles wenden! sagte Ciccio. -- Fast hoffe ich es, sagte Giovanni und lachte, mit Thränen in den Augen. Seine Freunde blieben bei ihm, bis er vor Mattigkeit die Augen schloß: da legten sie ihn auf sein Bett, löschten seine Lampe aus und verließen ihn.

den Verstand verlieren. O du bist nicht so allein, wie du glaubst, alle verschmähten Freier helfen mit Spectakel machen. — So betrübt Giovanni war, so mußte er doch über diese sonderbaren Aeußerungen von Liebe lachen und sagte: Herzlichen Dank, meine Freunde, für euren guten Willen; aber lasset das Gelärm, damit wird Strintillo's Sinn nicht geändert und Granco's auch nicht. Unverbesserlich eigensinnig ist Einer wie der Andere; nein, wenn keine andere Hülfe kommt, muß ich mich in Gottes Schickung ergeben! Verzweifelnd ging ich aus, aber ein wunderbarer Vorfall, von dem ich zu schweigen versprochen, hat mich überzeugt, daß Gottes Hand sichtbar über mir ist, und daß ich noch leben soll.

Unter solchen Gesprächen gingen sie durch den Wald hinab, in dem unzählige Nachtigallen schlugen. Die herrliche Natur und die Liebe der Freunde tröstete Giovanni, und sein herber Schmerz ward sanfte Wehmuth. Als er heimkam, zwangen ihn seine Freunde, Speise und Trank zu nehmen, wogegen er einen Widerwillen gefaßt. Trink ein Glas mehr, wie sonst, es wird dir gut thun, sagte Ciccio. Guten Ausgang! riefen seine Freunde und stießen mit ihm an. Gott kann noch Alles wenden! sagte Ciccio. — Fast hoffe ich es, sagte Giovanni und lachte, mit Thränen in den Augen. Seine Freunde blieben bei ihm, bis er vor Mattigkeit die Augen schloß: da legten sie ihn auf sein Bett, löschten seine Lampe aus und verließen ihn.

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[0042] den Verstand verlieren. O du bist nicht so allein, wie du glaubst, alle verschmähten Freier helfen mit Spectakel machen. — So betrübt Giovanni war, so mußte er doch über diese sonderbaren Aeußerungen von Liebe lachen und sagte: Herzlichen Dank, meine Freunde, für euren guten Willen; aber lasset das Gelärm, damit wird Strintillo's Sinn nicht geändert und Granco's auch nicht. Unverbesserlich eigensinnig ist Einer wie der Andere; nein, wenn keine andere Hülfe kommt, muß ich mich in Gottes Schickung ergeben! Verzweifelnd ging ich aus, aber ein wunderbarer Vorfall, von dem ich zu schweigen versprochen, hat mich überzeugt, daß Gottes Hand sichtbar über mir ist, und daß ich noch leben soll. Unter solchen Gesprächen gingen sie durch den Wald hinab, in dem unzählige Nachtigallen schlugen. Die herrliche Natur und die Liebe der Freunde tröstete Giovanni, und sein herber Schmerz ward sanfte Wehmuth. Als er heimkam, zwangen ihn seine Freunde, Speise und Trank zu nehmen, wogegen er einen Widerwillen gefaßt. Trink ein Glas mehr, wie sonst, es wird dir gut thun, sagte Ciccio. Guten Ausgang! riefen seine Freunde und stießen mit ihm an. Gott kann noch Alles wenden! sagte Ciccio. — Fast hoffe ich es, sagte Giovanni und lachte, mit Thränen in den Augen. Seine Freunde blieben bei ihm, bis er vor Mattigkeit die Augen schloß: da legten sie ihn auf sein Bett, löschten seine Lampe aus und verließen ihn.

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:35:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:35:42Z)

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Zitationshilfe: Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910/42>, abgerufen am 16.04.2024.