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Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Dabei freute sich der eitle Mann noch, daß seiner Tochter zu Ehren nun so große Feste zugerichtet würden, wodurch er hoffte, sein Name werde überall auf lange berühmt werden, ohne daß er dabei sonderlich viel Unkosten hätte. Alle diese Gedanken machten ihn so närrisch vergnügt, daß er zu seiner Tochter ging und sie streichelte und küßte, wie er nie gethan, und bei jedem Kusse gab er ihr einen Schmeichelnamen, wie: mein Zuckernüßchen, meine Taube, mein Wieselchen, mein Hündchen, mein Kätzchen, mein Affe, mein Eselchen, mein Lämmchen, mein Hühnchen, mein Kaninchen, gieb mir das Pfötchen, streichele dein Papachen, zupf ihn am Naschen, kraue ihn ums Bärtchen! So, so, gieb ihm ein Schwätzchen, du Zuckerbirne, laß dich anbeißen, du Marzipan, du Artischocke! Geh, du Senfgurke, du machst deinem Vater Kummer und Sorge, und doch liegst du ihm näher am Herzen, als das Hemde auf seinem Leibe! Du Meerkrebs du, warte, ich will dich folgen lehren, sei deinem Vater gut, komm, blase ihm aufs Aeugelchen, so! aufs andere auch! O mein Goldfischchen, deine Wängelchen sind wie die Aepfelchen! Ja, ja, die jungen Burschen müssen wie die Narren werden, wenn sie dich sehen, warte nur, du wirst zwei Hochzeitsfeste auf einmal erleben, so was hast du mir zu danken, denn wo bliebe das Alles, wenn dein Vater nicht gut zu träumen verstände? Danke Gott täglich auf Knieen, daß dein Vater im Schlafe besser sieht, wie jeder Andere im Wachen. Das

Dabei freute sich der eitle Mann noch, daß seiner Tochter zu Ehren nun so große Feste zugerichtet würden, wodurch er hoffte, sein Name werde überall auf lange berühmt werden, ohne daß er dabei sonderlich viel Unkosten hätte. Alle diese Gedanken machten ihn so närrisch vergnügt, daß er zu seiner Tochter ging und sie streichelte und küßte, wie er nie gethan, und bei jedem Kusse gab er ihr einen Schmeichelnamen, wie: mein Zuckernüßchen, meine Taube, mein Wieselchen, mein Hündchen, mein Kätzchen, mein Affe, mein Eselchen, mein Lämmchen, mein Hühnchen, mein Kaninchen, gieb mir das Pfötchen, streichele dein Papachen, zupf ihn am Naschen, kraue ihn ums Bärtchen! So, so, gieb ihm ein Schwätzchen, du Zuckerbirne, laß dich anbeißen, du Marzipan, du Artischocke! Geh, du Senfgurke, du machst deinem Vater Kummer und Sorge, und doch liegst du ihm näher am Herzen, als das Hemde auf seinem Leibe! Du Meerkrebs du, warte, ich will dich folgen lehren, sei deinem Vater gut, komm, blase ihm aufs Aeugelchen, so! aufs andere auch! O mein Goldfischchen, deine Wängelchen sind wie die Aepfelchen! Ja, ja, die jungen Burschen müssen wie die Narren werden, wenn sie dich sehen, warte nur, du wirst zwei Hochzeitsfeste auf einmal erleben, so was hast du mir zu danken, denn wo bliebe das Alles, wenn dein Vater nicht gut zu träumen verstände? Danke Gott täglich auf Knieen, daß dein Vater im Schlafe besser sieht, wie jeder Andere im Wachen. Das

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[0046] Dabei freute sich der eitle Mann noch, daß seiner Tochter zu Ehren nun so große Feste zugerichtet würden, wodurch er hoffte, sein Name werde überall auf lange berühmt werden, ohne daß er dabei sonderlich viel Unkosten hätte. Alle diese Gedanken machten ihn so närrisch vergnügt, daß er zu seiner Tochter ging und sie streichelte und küßte, wie er nie gethan, und bei jedem Kusse gab er ihr einen Schmeichelnamen, wie: mein Zuckernüßchen, meine Taube, mein Wieselchen, mein Hündchen, mein Kätzchen, mein Affe, mein Eselchen, mein Lämmchen, mein Hühnchen, mein Kaninchen, gieb mir das Pfötchen, streichele dein Papachen, zupf ihn am Naschen, kraue ihn ums Bärtchen! So, so, gieb ihm ein Schwätzchen, du Zuckerbirne, laß dich anbeißen, du Marzipan, du Artischocke! Geh, du Senfgurke, du machst deinem Vater Kummer und Sorge, und doch liegst du ihm näher am Herzen, als das Hemde auf seinem Leibe! Du Meerkrebs du, warte, ich will dich folgen lehren, sei deinem Vater gut, komm, blase ihm aufs Aeugelchen, so! aufs andere auch! O mein Goldfischchen, deine Wängelchen sind wie die Aepfelchen! Ja, ja, die jungen Burschen müssen wie die Narren werden, wenn sie dich sehen, warte nur, du wirst zwei Hochzeitsfeste auf einmal erleben, so was hast du mir zu danken, denn wo bliebe das Alles, wenn dein Vater nicht gut zu träumen verstände? Danke Gott täglich auf Knieen, daß dein Vater im Schlafe besser sieht, wie jeder Andere im Wachen. Das

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:35:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:35:42Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910/46>, abgerufen am 29.03.2024.