Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Kleidern hindurcharbeitete. Es war -- jener von Checco geprellte Waldbruder. Herr Don Orzo, begann er athemlos, ich habe Euch wichtige Dinge zu sagen, die nicht aufgeschoben werden können; hört mich armen Mann und dann richtet! -- Alles war mäuschenstill. Rede, sprach Don Orzo. Diesen Morgen, fuhr der Eremit fort, diesen Morgen erfuhr ich von einem Pilger, der zu mir kam, daß hier in Gragnano ein Engel mit einem Goldregen erschienen sei und diesen Abend wiedererscheinen wolle. Ja, eben war er da! riefen Alle. Das habe ich eben gehört, sagte der Eremit, und ich komme nun über den Engel zu berichten! Aha! rief Don Granco, nun werden wir etwas hören! Still! rief der Richter. Auch ich habe Engelserscheinungen gehabt, sprach der Eremit, obwohl sie mich nicht so glücklich machten, als den Bräutigam hier! Nun erzählt, erzählt! riefen Alle. Fünf Nächte sind vergangen, seit ich einsam in meiner friedlichen Hütte schlief; da ward ich plötzlich von einer traurigen Musik erweckt, die Thür that sich wie von selbst auf, ein Licht verbreitete sich in meiner Zelle, und, brennende Kerzen in der Hand, traten drei Kleidern hindurcharbeitete. Es war — jener von Checco geprellte Waldbruder. Herr Don Orzo, begann er athemlos, ich habe Euch wichtige Dinge zu sagen, die nicht aufgeschoben werden können; hört mich armen Mann und dann richtet! — Alles war mäuschenstill. Rede, sprach Don Orzo. Diesen Morgen, fuhr der Eremit fort, diesen Morgen erfuhr ich von einem Pilger, der zu mir kam, daß hier in Gragnano ein Engel mit einem Goldregen erschienen sei und diesen Abend wiedererscheinen wolle. Ja, eben war er da! riefen Alle. Das habe ich eben gehört, sagte der Eremit, und ich komme nun über den Engel zu berichten! Aha! rief Don Granco, nun werden wir etwas hören! Still! rief der Richter. Auch ich habe Engelserscheinungen gehabt, sprach der Eremit, obwohl sie mich nicht so glücklich machten, als den Bräutigam hier! Nun erzählt, erzählt! riefen Alle. Fünf Nächte sind vergangen, seit ich einsam in meiner friedlichen Hütte schlief; da ward ich plötzlich von einer traurigen Musik erweckt, die Thür that sich wie von selbst auf, ein Licht verbreitete sich in meiner Zelle, und, brennende Kerzen in der Hand, traten drei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0065"/> Kleidern hindurcharbeitete. Es war — jener von Checco geprellte Waldbruder.</p><lb/> <p>Herr Don Orzo, begann er athemlos, ich habe Euch wichtige Dinge zu sagen, die nicht aufgeschoben werden können; hört mich armen Mann und dann richtet! —</p><lb/> <p>Alles war mäuschenstill.</p><lb/> <p>Rede, sprach Don Orzo.</p><lb/> <p>Diesen Morgen, fuhr der Eremit fort, diesen Morgen erfuhr ich von einem Pilger, der zu mir kam, daß hier in Gragnano ein Engel mit einem Goldregen erschienen sei und diesen Abend wiedererscheinen wolle.</p><lb/> <p>Ja, eben war er da! riefen Alle.</p><lb/> <p>Das habe ich eben gehört, sagte der Eremit, und ich komme nun über den Engel zu berichten!</p><lb/> <p>Aha! rief Don Granco, nun werden wir etwas hören!</p><lb/> <p>Still! rief der Richter.</p><lb/> <p>Auch ich habe Engelserscheinungen gehabt, sprach der Eremit, obwohl sie mich nicht so glücklich machten, als den Bräutigam hier!</p><lb/> <p>Nun erzählt, erzählt! riefen Alle.</p><lb/> <p>Fünf Nächte sind vergangen, seit ich einsam in meiner friedlichen Hütte schlief; da ward ich plötzlich von einer traurigen Musik erweckt, die Thür that sich wie von selbst auf, ein Licht verbreitete sich in meiner Zelle, und, brennende Kerzen in der Hand, traten drei<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0065]
Kleidern hindurcharbeitete. Es war — jener von Checco geprellte Waldbruder.
Herr Don Orzo, begann er athemlos, ich habe Euch wichtige Dinge zu sagen, die nicht aufgeschoben werden können; hört mich armen Mann und dann richtet! —
Alles war mäuschenstill.
Rede, sprach Don Orzo.
Diesen Morgen, fuhr der Eremit fort, diesen Morgen erfuhr ich von einem Pilger, der zu mir kam, daß hier in Gragnano ein Engel mit einem Goldregen erschienen sei und diesen Abend wiedererscheinen wolle.
Ja, eben war er da! riefen Alle.
Das habe ich eben gehört, sagte der Eremit, und ich komme nun über den Engel zu berichten!
Aha! rief Don Granco, nun werden wir etwas hören!
Still! rief der Richter.
Auch ich habe Engelserscheinungen gehabt, sprach der Eremit, obwohl sie mich nicht so glücklich machten, als den Bräutigam hier!
Nun erzählt, erzählt! riefen Alle.
Fünf Nächte sind vergangen, seit ich einsam in meiner friedlichen Hütte schlief; da ward ich plötzlich von einer traurigen Musik erweckt, die Thür that sich wie von selbst auf, ein Licht verbreitete sich in meiner Zelle, und, brennende Kerzen in der Hand, traten drei
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Zitationshilfe: | Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910/65>, abgerufen am 16.07.2024. |