Korn, Philipp Anton: Die erste deutsche Frauen-Conferenz in Leipzig. Leipzig, 1865.Frauen und Mädchen unbeschäftigt; angenommen, daß davon 1/2 Million so gut situirt sind, daß sie nicht für Brot zu arbeiten brauchen, so bleiben noch 5 Millionen Bedürftige beschäftigungslos. Diese in den Stand gesetzt, so arbeiten und erwerben zu können, daß sie durchschnitlich 3 Thlr. pro Woche, also jährlich 156 Thlr. verdienen, so würde ein Gesamteinkommen von 780 Millionen Thalern jährlich erreicht werden. Es wird eingewendet, daß die Mobilmachung der weiblichen Arbeitskraft den Lohn der männlichen Arbeit herabdrücken würde, dieser Satz wäre insofern richtig, wenn wir in Deutschland eine Ueberproduction zu befürchten hätten, wenn das Angebot der Arbeit das Ausgebot übersteigen möchte, aber bei dem in vielen Provinzen Deutschlands fühlenden Mangel an Arbeitskräften ist diese Befürchtung eine ungegründete; es wird nur des Mittels der Freizügigkeit bedürfen, um den Ueberfluß der Arbeitskräfte in der einen Provinz dahin zu ziehen, wo Mangel derselben vorhanden ist. Es sind Berufszweige und Gewerbe, wo das Eintreten der Frauen en masse sehnlichst gewünscht wird. Ich nenne Ihnen beispielsweise zwei von einander sehr verschiedene, wo es an männlichen Gehülfen mangelt und weibliche Hülfe verlangt wird. Das erste ist das Apothekerfach. Ich habe mit mehreren einsichtsvollen Pharmazeuten in verschiedenen Städten Deutschlands gesprochen, die mir die Versicherung gaben, daß 1000 gebildete Mädchen sofort in Apotheken Anstellung bekämen, wenn sie sich dieser Branche zuwendeten; die pharmazeutischen Blätter haben auch schon Aufforderungen in dieser Beziehung ergehen lassen. Der durchschnittliche Gehalt wäre 150 Thaler jährlich nebst freier Station. Diese 1000 für die lateinische Küche verwendeten Mädchen würden eine Gesammteinnahme von 150,000 Thlrn. jährlich erzielen, und sie käme nur mehr jenen Töchtern der gebildeten Stände zu gut, die sich eines Handwerks schämen. - Das zweite ist ein Metier, welches in einem Jahre gelernt werden kann und wozu man nicht einmal Schulbildung braucht. Es ist das Damenschuh-Handwerk. Nach den Versicherungen Berliner und Dresdner Schuhmachermeister könnten in Deutschland sofort 10,000 Mädchen in Damenschuhmachen Beschäftigung finden und einen durchschnittlichen Lohn von 3 Thlrn. wöchentlich, also 156 Thlr. jährlich verdienen, was eine Gesammteinnahme von 1,560,000 Thalern jährlich beträgt. Sie ersehen hieraus, daß ich eine praktische Basis angenommen habe bei Aufstellung der Berechnung von 780 Millionen Thalern, welche durch die Mobilmachung der weiblichen Arbeitskraft erzielt werden würde. Um diese Mobilmachung endlich in Angriff nehmen zu können, ist in Vorlage 1 eine permanente Industrie-Ausstellung weiblicher Erzeugnisse, und in Vorlage 4 die Errichtung weiblicher Industrie-, Frauen und Mädchen unbeschäftigt; angenommen, daß davon ½ Million so gut situirt sind, daß sie nicht für Brot zu arbeiten brauchen, so bleiben noch 5 Millionen Bedürftige beschäftigungslos. Diese in den Stand gesetzt, so arbeiten und erwerben zu können, daß sie durchschnitlich 3 Thlr. pro Woche, also jährlich 156 Thlr. verdienen, so würde ein Gesamteinkommen von 780 Millionen Thalern jährlich erreicht werden. Es wird eingewendet, daß die Mobilmachung der weiblichen Arbeitskraft den Lohn der männlichen Arbeit herabdrücken würde, dieser Satz wäre insofern richtig, wenn wir in Deutschland eine Ueberproduction zu befürchten hätten, wenn das Angebot der Arbeit das Ausgebot übersteigen möchte, aber bei dem in vielen Provinzen Deutschlands fühlenden Mangel an Arbeitskräften ist diese Befürchtung eine ungegründete; es wird nur des Mittels der Freizügigkeit bedürfen, um den Ueberfluß der Arbeitskräfte in der einen Provinz dahin zu ziehen, wo Mangel derselben vorhanden ist. Es sind Berufszweige und Gewerbe, wo das Eintreten der Frauen en masse sehnlichst gewünscht wird. Ich nenne Ihnen beispielsweise zwei von einander sehr verschiedene, wo es an männlichen Gehülfen mangelt und weibliche Hülfe verlangt wird. Das erste ist das Apothekerfach. Ich habe mit mehreren einsichtsvollen Pharmazeuten in verschiedenen Städten Deutschlands gesprochen, die mir die Versicherung gaben, daß 1000 gebildete Mädchen sofort in Apotheken Anstellung bekämen, wenn sie sich dieser Branche zuwendeten; die pharmazeutischen Blätter haben auch schon Aufforderungen in dieser Beziehung ergehen lassen. Der durchschnittliche Gehalt wäre 150 Thaler jährlich nebst freier Station. Diese 1000 für die lateinische Küche verwendeten Mädchen würden eine Gesammteinnahme von 150,000 Thlrn. jährlich erzielen, und sie käme nur mehr jenen Töchtern der gebildeten Stände zu gut, die sich eines Handwerks schämen. – Das zweite ist ein Metier, welches in einem Jahre gelernt werden kann und wozu man nicht einmal Schulbildung braucht. Es ist das Damenschuh-Handwerk. Nach den Versicherungen Berliner und Dresdner Schuhmachermeister könnten in Deutschland sofort 10,000 Mädchen in Damenschuhmachen Beschäftigung finden und einen durchschnittlichen Lohn von 3 Thlrn. wöchentlich, also 156 Thlr. jährlich verdienen, was eine Gesammteinnahme von 1,560,000 Thalern jährlich beträgt. Sie ersehen hieraus, daß ich eine praktische Basis angenommen habe bei Aufstellung der Berechnung von 780 Millionen Thalern, welche durch die Mobilmachung der weiblichen Arbeitskraft erzielt werden würde. Um diese Mobilmachung endlich in Angriff nehmen zu können, ist in Vorlage 1 eine permanente Industrie-Ausstellung weiblicher Erzeugnisse, und in Vorlage 4 die Errichtung weiblicher Industrie-, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0018" n="18"/> Frauen und Mädchen unbeschäftigt; angenommen, daß davon ½ Million so gut situirt sind, daß sie nicht für Brot zu arbeiten brauchen, so bleiben noch 5 Millionen Bedürftige beschäftigungslos. Diese in den Stand gesetzt, so arbeiten und erwerben zu können, daß sie durchschnitlich 3 Thlr. pro Woche, also jährlich 156 Thlr. verdienen, so würde ein Gesamteinkommen von 780 Millionen Thalern jährlich erreicht werden.</p> <p>Es wird eingewendet, daß die Mobilmachung der weiblichen Arbeitskraft den Lohn der männlichen Arbeit herabdrücken würde, dieser Satz wäre insofern richtig, wenn wir in Deutschland eine Ueberproduction zu befürchten hätten, wenn das Angebot der Arbeit das Ausgebot übersteigen möchte, aber bei dem in vielen Provinzen Deutschlands fühlenden Mangel an Arbeitskräften ist diese Befürchtung eine ungegründete; es wird nur des Mittels der Freizügigkeit bedürfen, um den Ueberfluß der Arbeitskräfte in der einen Provinz dahin zu ziehen, wo Mangel derselben vorhanden ist.</p> <p>Es sind Berufszweige und Gewerbe, wo das Eintreten der Frauen <hi rendition="#aq">en masse</hi> sehnlichst gewünscht wird. Ich nenne Ihnen beispielsweise zwei von einander sehr verschiedene, wo es an männlichen Gehülfen mangelt und weibliche Hülfe verlangt wird. Das erste ist das Apothekerfach. Ich habe mit mehreren einsichtsvollen Pharmazeuten in verschiedenen Städten Deutschlands gesprochen, die mir die Versicherung gaben, daß 1000 gebildete Mädchen sofort in Apotheken Anstellung bekämen, wenn sie sich dieser Branche zuwendeten; die pharmazeutischen Blätter haben auch schon Aufforderungen in dieser Beziehung ergehen lassen. Der durchschnittliche Gehalt wäre 150 Thaler jährlich nebst freier Station. Diese 1000 für die lateinische Küche verwendeten Mädchen würden eine Gesammteinnahme von 150,000 Thlrn. jährlich erzielen, und sie käme nur mehr jenen Töchtern der gebildeten Stände zu gut, die sich eines Handwerks schämen. – Das zweite ist ein Metier, welches in einem Jahre gelernt werden kann und wozu man nicht einmal Schulbildung braucht. Es ist das Damenschuh-Handwerk. Nach den Versicherungen Berliner und Dresdner Schuhmachermeister könnten in Deutschland sofort 10,000 Mädchen in Damenschuhmachen Beschäftigung finden und einen durchschnittlichen Lohn von 3 Thlrn. wöchentlich, also 156 Thlr. jährlich verdienen, was eine Gesammteinnahme von 1,560,000 Thalern jährlich beträgt. Sie ersehen hieraus, daß ich eine praktische Basis angenommen habe bei Aufstellung der Berechnung von 780 Millionen Thalern, welche durch die Mobilmachung der weiblichen Arbeitskraft erzielt werden würde.</p> <p>Um diese Mobilmachung endlich in Angriff nehmen zu können, ist in Vorlage 1 eine permanente Industrie-Ausstellung weiblicher Erzeugnisse, und in Vorlage 4 die Errichtung weiblicher Industrie-, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [18/0018]
Frauen und Mädchen unbeschäftigt; angenommen, daß davon ½ Million so gut situirt sind, daß sie nicht für Brot zu arbeiten brauchen, so bleiben noch 5 Millionen Bedürftige beschäftigungslos. Diese in den Stand gesetzt, so arbeiten und erwerben zu können, daß sie durchschnitlich 3 Thlr. pro Woche, also jährlich 156 Thlr. verdienen, so würde ein Gesamteinkommen von 780 Millionen Thalern jährlich erreicht werden.
Es wird eingewendet, daß die Mobilmachung der weiblichen Arbeitskraft den Lohn der männlichen Arbeit herabdrücken würde, dieser Satz wäre insofern richtig, wenn wir in Deutschland eine Ueberproduction zu befürchten hätten, wenn das Angebot der Arbeit das Ausgebot übersteigen möchte, aber bei dem in vielen Provinzen Deutschlands fühlenden Mangel an Arbeitskräften ist diese Befürchtung eine ungegründete; es wird nur des Mittels der Freizügigkeit bedürfen, um den Ueberfluß der Arbeitskräfte in der einen Provinz dahin zu ziehen, wo Mangel derselben vorhanden ist.
Es sind Berufszweige und Gewerbe, wo das Eintreten der Frauen en masse sehnlichst gewünscht wird. Ich nenne Ihnen beispielsweise zwei von einander sehr verschiedene, wo es an männlichen Gehülfen mangelt und weibliche Hülfe verlangt wird. Das erste ist das Apothekerfach. Ich habe mit mehreren einsichtsvollen Pharmazeuten in verschiedenen Städten Deutschlands gesprochen, die mir die Versicherung gaben, daß 1000 gebildete Mädchen sofort in Apotheken Anstellung bekämen, wenn sie sich dieser Branche zuwendeten; die pharmazeutischen Blätter haben auch schon Aufforderungen in dieser Beziehung ergehen lassen. Der durchschnittliche Gehalt wäre 150 Thaler jährlich nebst freier Station. Diese 1000 für die lateinische Küche verwendeten Mädchen würden eine Gesammteinnahme von 150,000 Thlrn. jährlich erzielen, und sie käme nur mehr jenen Töchtern der gebildeten Stände zu gut, die sich eines Handwerks schämen. – Das zweite ist ein Metier, welches in einem Jahre gelernt werden kann und wozu man nicht einmal Schulbildung braucht. Es ist das Damenschuh-Handwerk. Nach den Versicherungen Berliner und Dresdner Schuhmachermeister könnten in Deutschland sofort 10,000 Mädchen in Damenschuhmachen Beschäftigung finden und einen durchschnittlichen Lohn von 3 Thlrn. wöchentlich, also 156 Thlr. jährlich verdienen, was eine Gesammteinnahme von 1,560,000 Thalern jährlich beträgt. Sie ersehen hieraus, daß ich eine praktische Basis angenommen habe bei Aufstellung der Berechnung von 780 Millionen Thalern, welche durch die Mobilmachung der weiblichen Arbeitskraft erzielt werden würde.
Um diese Mobilmachung endlich in Angriff nehmen zu können, ist in Vorlage 1 eine permanente Industrie-Ausstellung weiblicher Erzeugnisse, und in Vorlage 4 die Errichtung weiblicher Industrie-,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-01-14T09:32:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-14T09:32:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-14T09:32:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |