Korn, Philipp Anton: Die erste deutsche Frauen-Conferenz in Leipzig. Leipzig, 1865.Handels- und Oekonomieschulen von mir proponirt worden, welche Vorlagen nun Ihrer Berathung unterzogen werden sollen. Zur Förderung der Volksbildung ist dem weiblichen Geschlechte, das von jeher der Pflicht der Erziehung und Veredlung des Menschengeschlechtes oblag, noch eine hohe Aufgabe zu lösen vorbehalten, in deren Interesse Vorlage 5-8 entworfen wurden. Vorlage 5 regt die Errichtung von Jugendgärten als Fortsetzung der Kindergärten an. Vorlage 6 will die Errichtung von Mädchenherbergen für die sittliche Haltung der Dienstmädchen und Arbeiterinnen, zur Zeit der Dienst- und Arbeitslosigkeit. Es ist nicht genug, daß Sie ihre eignen Töchter beaufsichtigen. Sie sollen mit demselben wachsamen Mutterauge auch die fremden Mädchen, namentlich die Töchter des Volkes beaufsichtigen, denn aus diesen Kreisen rekrutirt die Verführung die gefallenen Mädchen, deren Zahl im steten Zunehmen begriffen ist. Wenn die Mädchen bereits gefallen sind, so ist es vergebens, sie in Magdalenenstifte bessern zu wollen, wenigstens muß man aus dem Umstande, daß das preußische Abgeordnetenhaus die Subsidie für das Berliner Magdalenenstift gestrichen hat, annehmen, daß dasselbe nur sehr geringe Resultate aufzuweisen gehabt haben müsse; aber Sie können einen großen Act der Humanität dadurch begehen, daß Sie sich die Aufgabe stellen, es verhindern zu wollen, daß die arbeitenden Mädchen als Opfer der Verführung fallen. Vorlage 7 und 8 will die Errichtung von Frauen-Bildungsvereinen in den verschiedenen Städten Deutschlands, nach dem Muster des Leipziger Vereins. Als ich Ihnen, meine verehrten Damen von Leipzig, im Februar dieses Jahres die Errichtung von Frauen-Bildungsvereinen empfahl, in welchen die gebildeten Frauen und Mädchen zu Gunsten der Ungebildeten, der Arbeiterinnen und Dienstmädchen belehrende Vorträge, Vorlesungen und Declamationen bieten und die ärmere weibliche Volksklasse überhaupt zu sich emporheben soll, da wollten Sie nicht erst abwarten, bis eine Frauenconferenz darüber berathen haben würde, sondern Sie wollten es sofort in Angriff nehmen, um vor der ersten deutschen Frauenversammlung schon mit gewonnenen Resultaten hintreten zu können. Was Ihnen damals nur in der Idee vorschwebte, hat sich bereits verkörpert und ist in Fleisch und Blut des Volkes übergegangen. Die Bevölkerung von Leipzig hat das segensreiche Wirken dieses Instituts anerkannt und in mehreren anderen Städten ist man bemüht, dem Beispiele Leipzigs, Ihrem Vorbilde, zu folgen. Die Frauenconferenz wird hiernach schon auf die Basis der Erfahrung vorgehen können. Ich habe nach der Vorlage 3 Erwähnung zu thun, nach welcher die Mittel und Wege gefunden werden sollen, um den Töchtern Handels- und Oekonomieschulen von mir proponirt worden, welche Vorlagen nun Ihrer Berathung unterzogen werden sollen. Zur Förderung der Volksbildung ist dem weiblichen Geschlechte, das von jeher der Pflicht der Erziehung und Veredlung des Menschengeschlechtes oblag, noch eine hohe Aufgabe zu lösen vorbehalten, in deren Interesse Vorlage 5–8 entworfen wurden. Vorlage 5 regt die Errichtung von Jugendgärten als Fortsetzung der Kindergärten an. Vorlage 6 will die Errichtung von Mädchenherbergen für die sittliche Haltung der Dienstmädchen und Arbeiterinnen, zur Zeit der Dienst- und Arbeitslosigkeit. Es ist nicht genug, daß Sie ihre eignen Töchter beaufsichtigen. Sie sollen mit demselben wachsamen Mutterauge auch die fremden Mädchen, namentlich die Töchter des Volkes beaufsichtigen, denn aus diesen Kreisen rekrutirt die Verführung die gefallenen Mädchen, deren Zahl im steten Zunehmen begriffen ist. Wenn die Mädchen bereits gefallen sind, so ist es vergebens, sie in Magdalenenstifte bessern zu wollen, wenigstens muß man aus dem Umstande, daß das preußische Abgeordnetenhaus die Subsidie für das Berliner Magdalenenstift gestrichen hat, annehmen, daß dasselbe nur sehr geringe Resultate aufzuweisen gehabt haben müsse; aber Sie können einen großen Act der Humanität dadurch begehen, daß Sie sich die Aufgabe stellen, es verhindern zu wollen, daß die arbeitenden Mädchen als Opfer der Verführung fallen. Vorlage 7 und 8 will die Errichtung von Frauen-Bildungsvereinen in den verschiedenen Städten Deutschlands, nach dem Muster des Leipziger Vereins. Als ich Ihnen, meine verehrten Damen von Leipzig, im Februar dieses Jahres die Errichtung von Frauen-Bildungsvereinen empfahl, in welchen die gebildeten Frauen und Mädchen zu Gunsten der Ungebildeten, der Arbeiterinnen und Dienstmädchen belehrende Vorträge, Vorlesungen und Declamationen bieten und die ärmere weibliche Volksklasse überhaupt zu sich emporheben soll, da wollten Sie nicht erst abwarten, bis eine Frauenconferenz darüber berathen haben würde, sondern Sie wollten es sofort in Angriff nehmen, um vor der ersten deutschen Frauenversammlung schon mit gewonnenen Resultaten hintreten zu können. Was Ihnen damals nur in der Idee vorschwebte, hat sich bereits verkörpert und ist in Fleisch und Blut des Volkes übergegangen. Die Bevölkerung von Leipzig hat das segensreiche Wirken dieses Instituts anerkannt und in mehreren anderen Städten ist man bemüht, dem Beispiele Leipzigs, Ihrem Vorbilde, zu folgen. Die Frauenconferenz wird hiernach schon auf die Basis der Erfahrung vorgehen können. 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Sie sollen mit demselben wachsamen Mutterauge auch die fremden Mädchen, namentlich die Töchter des Volkes beaufsichtigen, denn aus diesen Kreisen rekrutirt die Verführung die gefallenen Mädchen, deren Zahl im steten Zunehmen begriffen ist. Wenn die Mädchen bereits gefallen sind, so ist es vergebens, sie in Magdalenenstifte bessern zu wollen, wenigstens muß man aus dem Umstande, daß das preußische Abgeordnetenhaus die Subsidie für das Berliner Magdalenenstift gestrichen hat, annehmen, daß dasselbe nur sehr geringe Resultate aufzuweisen gehabt haben müsse; aber Sie können einen großen Act der Humanität dadurch begehen, daß Sie sich die Aufgabe stellen, es verhindern zu wollen, daß die arbeitenden Mädchen als Opfer der Verführung fallen.</p> <p>Vorlage 7 und 8 will die Errichtung von Frauen-Bildungsvereinen in den verschiedenen Städten Deutschlands, nach dem Muster des Leipziger Vereins.</p> <p>Als ich Ihnen, meine verehrten Damen von Leipzig, im Februar dieses Jahres die Errichtung von Frauen-Bildungsvereinen empfahl, in welchen die gebildeten Frauen und Mädchen zu Gunsten der Ungebildeten, der Arbeiterinnen und Dienstmädchen belehrende Vorträge, Vorlesungen und Declamationen bieten und die ärmere weibliche Volksklasse überhaupt zu sich emporheben soll, da wollten Sie nicht erst abwarten, bis eine Frauenconferenz darüber berathen haben würde, sondern Sie wollten es sofort in Angriff nehmen, um vor der ersten deutschen Frauenversammlung schon mit gewonnenen Resultaten hintreten zu können. Was Ihnen damals nur in der Idee vorschwebte, hat sich bereits verkörpert und ist in Fleisch und Blut des Volkes übergegangen. Die Bevölkerung von Leipzig hat das segensreiche Wirken dieses Instituts anerkannt und in mehreren anderen Städten ist man bemüht, dem Beispiele Leipzigs, <hi rendition="#aq">Ihrem Vorbilde</hi>, zu folgen. Die Frauenconferenz wird hiernach schon auf die Basis der Erfahrung vorgehen können.</p> <p>Ich habe nach der Vorlage 3 Erwähnung zu thun, nach welcher die Mittel und Wege gefunden werden sollen, um den Töchtern </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [19/0019]
Handels- und Oekonomieschulen von mir proponirt worden, welche Vorlagen nun Ihrer Berathung unterzogen werden sollen.
Zur Förderung der Volksbildung ist dem weiblichen Geschlechte, das von jeher der Pflicht der Erziehung und Veredlung des Menschengeschlechtes oblag, noch eine hohe Aufgabe zu lösen vorbehalten, in deren Interesse Vorlage 5–8 entworfen wurden. Vorlage 5 regt die Errichtung von Jugendgärten als Fortsetzung der Kindergärten an. Vorlage 6 will die Errichtung von Mädchenherbergen für die sittliche Haltung der Dienstmädchen und Arbeiterinnen, zur Zeit der Dienst- und Arbeitslosigkeit. Es ist nicht genug, daß Sie ihre eignen Töchter beaufsichtigen. Sie sollen mit demselben wachsamen Mutterauge auch die fremden Mädchen, namentlich die Töchter des Volkes beaufsichtigen, denn aus diesen Kreisen rekrutirt die Verführung die gefallenen Mädchen, deren Zahl im steten Zunehmen begriffen ist. Wenn die Mädchen bereits gefallen sind, so ist es vergebens, sie in Magdalenenstifte bessern zu wollen, wenigstens muß man aus dem Umstande, daß das preußische Abgeordnetenhaus die Subsidie für das Berliner Magdalenenstift gestrichen hat, annehmen, daß dasselbe nur sehr geringe Resultate aufzuweisen gehabt haben müsse; aber Sie können einen großen Act der Humanität dadurch begehen, daß Sie sich die Aufgabe stellen, es verhindern zu wollen, daß die arbeitenden Mädchen als Opfer der Verführung fallen.
Vorlage 7 und 8 will die Errichtung von Frauen-Bildungsvereinen in den verschiedenen Städten Deutschlands, nach dem Muster des Leipziger Vereins.
Als ich Ihnen, meine verehrten Damen von Leipzig, im Februar dieses Jahres die Errichtung von Frauen-Bildungsvereinen empfahl, in welchen die gebildeten Frauen und Mädchen zu Gunsten der Ungebildeten, der Arbeiterinnen und Dienstmädchen belehrende Vorträge, Vorlesungen und Declamationen bieten und die ärmere weibliche Volksklasse überhaupt zu sich emporheben soll, da wollten Sie nicht erst abwarten, bis eine Frauenconferenz darüber berathen haben würde, sondern Sie wollten es sofort in Angriff nehmen, um vor der ersten deutschen Frauenversammlung schon mit gewonnenen Resultaten hintreten zu können. Was Ihnen damals nur in der Idee vorschwebte, hat sich bereits verkörpert und ist in Fleisch und Blut des Volkes übergegangen. Die Bevölkerung von Leipzig hat das segensreiche Wirken dieses Instituts anerkannt und in mehreren anderen Städten ist man bemüht, dem Beispiele Leipzigs, Ihrem Vorbilde, zu folgen. Die Frauenconferenz wird hiernach schon auf die Basis der Erfahrung vorgehen können.
Ich habe nach der Vorlage 3 Erwähnung zu thun, nach welcher die Mittel und Wege gefunden werden sollen, um den Töchtern
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