Korn, Philipp Anton: Die erste deutsche Frauen-Conferenz in Leipzig. Leipzig, 1865.der gebildeten Familien die Hörsäle der Universitäten zu erschließen. Es kann nicht gewünscht werden, daß die Töchter mit den Studenten zusammen Collegia hören sollen, sondern das Sittlichkeitsgefühl des Weibes erheischt es, daß für die Mädchen besondere Hörsäle eingerichtet werden. Ich möchte bei meinem weitgehenden Ziele zur Entwickelung der intellectuellen Kräfte des weiblichen Geschlechtes es nicht gerade aussprechen, daß den Mädchen zwei Facultäten als wie Jurisprudenz und Theologie verschlossen bleiben sollten; aber es herrscht nicht das Bedürfniß vor, sie jetzt damit befassen zu lassen; hingegen erheischt es die Nothwendigkeit, daß sie sich dem Studium der Heilkunde mit Fleiß und Liebe zuwenden, um Frauen- und Kinderkrankheiten behandeln zu können. Die Frauen haben bis jetzt in der Krankenpflege geleistet, was menschliche Aufopferung nur zu leisten vermag. Sie wissen es alle, welcher Hingebung die Frauen in dieser Beziehung fähig sind; ich laufe daher wohl nicht Gefahr, der Uebertreibung geziehen zu werden, wenn ich es an dieser geeigneten Stelle ausspreche: die Frauen sind geborene Aerzte, die Natur hat ihnen den Instinkt gegeben, die Wünsche der Kranken zu errathen, und wenn es ihnen gelehrt würde, die Krankheiten zu heilen, so werden sie auch mit Geschick die Heilmittel rasch zu finden wissen, um der leidenden Menschheit zu helfen. Gestatten sie mir, meine Damen, Ihnen noch zum Schlusse folgende Mahnung zuzurufen. Wenn Sie in die Berathung eintreten, um für das Wohl Ihres Geschlechtes zu sprechen, lassen Sie alle die unedlen Triebe hinter sich, die das edelste Streben, das beste Wollen in der Ausführung verhindern können, bedenken Sie, daß ein großer Theil der civilisirten Welt seine hoffnungsvollen Blicke nach dem Orte richtet, wo Sie tagen und für die Rechte der ganzen Hälfte des Menschengeschlechts Beschlüsse fassen. Und Sie, meine Herren, die Sie sich mit uns vereinigen zur Mittagung und Mithülfe, lassen Sie, wenn wenn Sie den Berathungssaal betreten, alle Partheigesinnungen bei Seite und nehmen Sie in dieser Frage nur den humanen Standpunkt mit aller Kraft ein; das arme zerfleischte Vaterland sehnt sich nach Einigung, verschaffen Sie ihm durch Ihr Beispiel den Trost, daß es noch möglich sei, eine Einigkeit der Gesinnung in Deutschland herzustellen. der gebildeten Familien die Hörsäle der Universitäten zu erschließen. Es kann nicht gewünscht werden, daß die Töchter mit den Studenten zusammen Collegia hören sollen, sondern das Sittlichkeitsgefühl des Weibes erheischt es, daß für die Mädchen besondere Hörsäle eingerichtet werden. Ich möchte bei meinem weitgehenden Ziele zur Entwickelung der intellectuellen Kräfte des weiblichen Geschlechtes es nicht gerade aussprechen, daß den Mädchen zwei Facultäten als wie Jurisprudenz und Theologie verschlossen bleiben sollten; aber es herrscht nicht das Bedürfniß vor, sie jetzt damit befassen zu lassen; hingegen erheischt es die Nothwendigkeit, daß sie sich dem Studium der Heilkunde mit Fleiß und Liebe zuwenden, um Frauen- und Kinderkrankheiten behandeln zu können. Die Frauen haben bis jetzt in der Krankenpflege geleistet, was menschliche Aufopferung nur zu leisten vermag. Sie wissen es alle, welcher Hingebung die Frauen in dieser Beziehung fähig sind; ich laufe daher wohl nicht Gefahr, der Uebertreibung geziehen zu werden, wenn ich es an dieser geeigneten Stelle ausspreche: die Frauen sind geborene Aerzte, die Natur hat ihnen den Instinkt gegeben, die Wünsche der Kranken zu errathen, und wenn es ihnen gelehrt würde, die Krankheiten zu heilen, so werden sie auch mit Geschick die Heilmittel rasch zu finden wissen, um der leidenden Menschheit zu helfen. Gestatten sie mir, meine Damen, Ihnen noch zum Schlusse folgende Mahnung zuzurufen. Wenn Sie in die Berathung eintreten, um für das Wohl Ihres Geschlechtes zu sprechen, lassen Sie alle die unedlen Triebe hinter sich, die das edelste Streben, das beste Wollen in der Ausführung verhindern können, bedenken Sie, daß ein großer Theil der civilisirten Welt seine hoffnungsvollen Blicke nach dem Orte richtet, wo Sie tagen und für die Rechte der ganzen Hälfte des Menschengeschlechts Beschlüsse fassen. Und Sie, meine Herren, die Sie sich mit uns vereinigen zur Mittagung und Mithülfe, lassen Sie, wenn wenn Sie den Berathungssaal betreten, alle Partheigesinnungen bei Seite und nehmen Sie in dieser Frage nur den humanen Standpunkt mit aller Kraft ein; das arme zerfleischte Vaterland sehnt sich nach Einigung, verschaffen Sie ihm durch Ihr Beispiel den Trost, daß es noch möglich sei, eine Einigkeit der Gesinnung in Deutschland herzustellen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0020" n="20"/> der gebildeten Familien die Hörsäle der Universitäten zu erschließen. Es kann nicht gewünscht werden, daß die Töchter mit den Studenten zusammen Collegia hören sollen, sondern das Sittlichkeitsgefühl des Weibes erheischt es, daß für die Mädchen besondere Hörsäle eingerichtet werden. Ich möchte bei meinem weitgehenden Ziele zur Entwickelung der intellectuellen Kräfte des weiblichen Geschlechtes es nicht gerade aussprechen, daß den Mädchen zwei Facultäten als wie Jurisprudenz und Theologie verschlossen bleiben sollten; aber es herrscht nicht das Bedürfniß vor, sie jetzt damit befassen zu lassen; hingegen erheischt es die Nothwendigkeit, daß sie sich dem Studium der Heilkunde mit Fleiß und Liebe zuwenden, um Frauen- und Kinderkrankheiten behandeln zu können. Die Frauen haben bis jetzt in der Krankenpflege geleistet, was menschliche Aufopferung nur zu leisten vermag. Sie wissen es alle, welcher Hingebung die Frauen in dieser Beziehung fähig sind; ich laufe daher wohl nicht Gefahr, der Uebertreibung geziehen zu werden, wenn ich es an dieser geeigneten Stelle ausspreche: <hi rendition="#aq">die Frauen sind geborene Aerzte</hi>, die Natur hat ihnen den Instinkt gegeben, die Wünsche der Kranken zu errathen, und wenn es ihnen gelehrt würde, die Krankheiten zu heilen, so werden sie auch mit Geschick die Heilmittel rasch zu finden wissen, um der leidenden Menschheit zu helfen.</p> <p>Gestatten sie mir, meine Damen, Ihnen noch zum Schlusse folgende Mahnung zuzurufen. 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der gebildeten Familien die Hörsäle der Universitäten zu erschließen. Es kann nicht gewünscht werden, daß die Töchter mit den Studenten zusammen Collegia hören sollen, sondern das Sittlichkeitsgefühl des Weibes erheischt es, daß für die Mädchen besondere Hörsäle eingerichtet werden. Ich möchte bei meinem weitgehenden Ziele zur Entwickelung der intellectuellen Kräfte des weiblichen Geschlechtes es nicht gerade aussprechen, daß den Mädchen zwei Facultäten als wie Jurisprudenz und Theologie verschlossen bleiben sollten; aber es herrscht nicht das Bedürfniß vor, sie jetzt damit befassen zu lassen; hingegen erheischt es die Nothwendigkeit, daß sie sich dem Studium der Heilkunde mit Fleiß und Liebe zuwenden, um Frauen- und Kinderkrankheiten behandeln zu können. Die Frauen haben bis jetzt in der Krankenpflege geleistet, was menschliche Aufopferung nur zu leisten vermag. Sie wissen es alle, welcher Hingebung die Frauen in dieser Beziehung fähig sind; ich laufe daher wohl nicht Gefahr, der Uebertreibung geziehen zu werden, wenn ich es an dieser geeigneten Stelle ausspreche: die Frauen sind geborene Aerzte, die Natur hat ihnen den Instinkt gegeben, die Wünsche der Kranken zu errathen, und wenn es ihnen gelehrt würde, die Krankheiten zu heilen, so werden sie auch mit Geschick die Heilmittel rasch zu finden wissen, um der leidenden Menschheit zu helfen.
Gestatten sie mir, meine Damen, Ihnen noch zum Schlusse folgende Mahnung zuzurufen. Wenn Sie in die Berathung eintreten, um für das Wohl Ihres Geschlechtes zu sprechen, lassen Sie alle die unedlen Triebe hinter sich, die das edelste Streben, das beste Wollen in der Ausführung verhindern können, bedenken Sie, daß ein großer Theil der civilisirten Welt seine hoffnungsvollen Blicke nach dem Orte richtet, wo Sie tagen und für die Rechte der ganzen Hälfte des Menschengeschlechts Beschlüsse fassen. Und Sie, meine Herren, die Sie sich mit uns vereinigen zur Mittagung und Mithülfe, lassen Sie, wenn wenn Sie den Berathungssaal betreten, alle Partheigesinnungen bei Seite und nehmen Sie in dieser Frage nur den humanen Standpunkt mit aller Kraft ein; das arme zerfleischte Vaterland sehnt sich nach Einigung, verschaffen Sie ihm durch Ihr Beispiel den Trost, daß es noch möglich sei, eine Einigkeit der Gesinnung in Deutschland herzustellen.
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