Kortum, Carl Arnold: Die Jobsiade. Bd. 1. Dortmund, 1799.27. Bei einem so vertraulichen Wandel, Merkte zuletzt Hieronimus den Handel, Daß es der alten Dame nun Um etwas mehr, als Singen zu thun. 28. Ob dieser so wichtigen Entdeckung Ueberfiel ihn eine heftige Schreckung, Und ob solcher großen Gefahr Saß er da fast sprachlos und starr. 29. Als er sich von der ersten Bewegung Erholet, dachte er, mit vieler Regung, An das vormals genossene Glück Mit der schönen Amalie zurück. 30. Diese war schön, lieblich und ohne Mängel, Die Dame hingegen häßlich, wie ein schwar- zer Engel, Gelb, zahnlos, kahl, hager und grau, Kurz, eine unerträgliche Frau. 31. Nun hätte er sich sollen drücken Und in die Umstände einstweilen schicken, Und die Sache mit der alten Frau Nicht eben nehmen so genau; 32. Allein dieses wollte ihm nicht passen, Er hatte also freiwillig sie verlassen, Und so blieb dann hinfort die Dame allein Mit ihrem Gesangbuch und Branntewein. Sechs
27. Bei einem ſo vertraulichen Wandel, Merkte zuletzt Hieronimus den Handel, Daß es der alten Dame nun Um etwas mehr, als Singen zu thun. 28. Ob dieſer ſo wichtigen Entdeckung Ueberfiel ihn eine heftige Schreckung, Und ob ſolcher großen Gefahr Saß er da faſt ſprachlos und ſtarr. 29. Als er ſich von der erſten Bewegung Erholet, dachte er, mit vieler Regung, An das vormals genoſſene Gluͤck Mit der ſchoͤnen Amalie zuruͤck. 30. Dieſe war ſchoͤn, lieblich und ohne Maͤngel, Die Dame hingegen haͤßlich, wie ein ſchwar- zer Engel, Gelb, zahnlos, kahl, hager und grau, Kurz, eine unertraͤgliche Frau. 31. Nun haͤtte er ſich ſollen druͤcken Und in die Umſtaͤnde einſtweilen ſchicken, Und die Sache mit der alten Frau Nicht eben nehmen ſo genau; 32. Allein dieſes wollte ihm nicht paſſen, Er hatte alſo freiwillig ſie verlaſſen, Und ſo blieb dann hinfort die Dame allein Mit ihrem Geſangbuch und Branntewein. Sechs
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27. Bei einem ſo vertraulichen Wandel,
Merkte zuletzt Hieronimus den Handel,
Daß es der alten Dame nun
Um etwas mehr, als Singen zu thun.
28. Ob dieſer ſo wichtigen Entdeckung
Ueberfiel ihn eine heftige Schreckung,
Und ob ſolcher großen Gefahr
Saß er da faſt ſprachlos und ſtarr.
29. Als er ſich von der erſten Bewegung
Erholet, dachte er, mit vieler Regung,
An das vormals genoſſene Gluͤck
Mit der ſchoͤnen Amalie zuruͤck.
30. Dieſe war ſchoͤn, lieblich und ohne Maͤngel,
Die Dame hingegen haͤßlich, wie ein ſchwar-
zer Engel,
Gelb, zahnlos, kahl, hager und grau,
Kurz, eine unertraͤgliche Frau.
31. Nun haͤtte er ſich ſollen druͤcken
Und in die Umſtaͤnde einſtweilen ſchicken,
Und die Sache mit der alten Frau
Nicht eben nehmen ſo genau;
32. Allein dieſes wollte ihm nicht paſſen,
Er hatte alſo freiwillig ſie verlaſſen,
Und ſo blieb dann hinfort die Dame allein
Mit ihrem Geſangbuch und Branntewein.
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