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Kortum, Carl Arnold: Die Jobsiade. Bd. 3. Dortmund, 1799.

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wie es sonderbar sey, daß das Kind Elsabetchen
grade im Anfange des neuen Sekulums und noch
dazu an einem Sonntage geboren sey; so wie
auch, daß es über zwei Sonntage ohne Taufe
gelegen habe. Sie behauptete, daß solche Sonn-
tagskinder von der Natur die Gabe hätten, Vor-
geschichten und Gespenster zu sehen. Sie be-
stätigte ihre Meinung zugleich aus Erfahrung
und sagte; daß sie selbst eine Verwandte gehabt
habe, welche nolens volens zu gewissen Zeiten,
besonders des Nachts aus dem Bette aufstehen
müssen, da sie dann auf der Straße, bald ein
Eulengeschrey, bald ein Katzenmiauen gehört
habe, und daß dann gewöhnlich binnen Jahr und
Tag im Orte entweder ein Todesfall oder ein
Hochzeitsfest erfolgt sey. Die andern Taufgä-
ste widersprachen jener nicht, sondern hielten
solche Folgen der Sonntagsgeburten für ganz
natürlich, obgleich sie es nicht begreifen konn-
ten. Genug, sie wußten einmal, daß Frau
Gevatterin Stripps mehr als gemeine Weis-
heit besitze; denn sie verstand auch das Wahrsa-
gen aus Kaffee und Karten, so wie besonders
die Kunst aus den Linien der Hände die Pla-
neten zu lesen, welches letztere sie von einer Zi-
geunerin erlernt hatte, die sehr berühmt war,

wie es ſonderbar ſey, daß das Kind Elſabetchen
grade im Anfange des neuen Sekulums und noch
dazu an einem Sonntage geboren ſey; ſo wie
auch, daß es uͤber zwei Sonntage ohne Taufe
gelegen habe. Sie behauptete, daß ſolche Sonn-
tagskinder von der Natur die Gabe haͤtten, Vor-
geſchichten und Geſpenſter zu ſehen. Sie be-
ſtaͤtigte ihre Meinung zugleich aus Erfahrung
und ſagte; daß ſie ſelbſt eine Verwandte gehabt
habe, welche nolens volens zu gewiſſen Zeiten,
beſonders des Nachts aus dem Bette aufſtehen
muͤſſen, da ſie dann auf der Straße, bald ein
Eulengeſchrey, bald ein Katzenmiauen gehoͤrt
habe, und daß dann gewoͤhnlich binnen Jahr und
Tag im Orte entweder ein Todesfall oder ein
Hochzeitsfeſt erfolgt ſey. Die andern Taufgaͤ-
ſte widerſprachen jener nicht, ſondern hielten
ſolche Folgen der Sonntagsgeburten fuͤr ganz
natuͤrlich, obgleich ſie es nicht begreifen konn-
ten. Genug, ſie wußten einmal, daß Frau
Gevatterin Stripps mehr als gemeine Weis-
heit beſitze; denn ſie verſtand auch das Wahrſa-
gen aus Kaffee und Karten, ſo wie beſonders
die Kunſt aus den Linien der Haͤnde die Pla-
neten zu leſen, welches letztere ſie von einer Zi-
geunerin erlernt hatte, die ſehr beruͤhmt war,

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[9/0215] wie es ſonderbar ſey, daß das Kind Elſabetchen grade im Anfange des neuen Sekulums und noch dazu an einem Sonntage geboren ſey; ſo wie auch, daß es uͤber zwei Sonntage ohne Taufe gelegen habe. Sie behauptete, daß ſolche Sonn- tagskinder von der Natur die Gabe haͤtten, Vor- geſchichten und Geſpenſter zu ſehen. Sie be- ſtaͤtigte ihre Meinung zugleich aus Erfahrung und ſagte; daß ſie ſelbſt eine Verwandte gehabt habe, welche nolens volens zu gewiſſen Zeiten, beſonders des Nachts aus dem Bette aufſtehen muͤſſen, da ſie dann auf der Straße, bald ein Eulengeſchrey, bald ein Katzenmiauen gehoͤrt habe, und daß dann gewoͤhnlich binnen Jahr und Tag im Orte entweder ein Todesfall oder ein Hochzeitsfeſt erfolgt ſey. Die andern Taufgaͤ- ſte widerſprachen jener nicht, ſondern hielten ſolche Folgen der Sonntagsgeburten fuͤr ganz natuͤrlich, obgleich ſie es nicht begreifen konn- ten. Genug, ſie wußten einmal, daß Frau Gevatterin Stripps mehr als gemeine Weis- heit beſitze; denn ſie verſtand auch das Wahrſa- gen aus Kaffee und Karten, ſo wie beſonders die Kunſt aus den Linien der Haͤnde die Pla- neten zu leſen, welches letztere ſie von einer Zi- geunerin erlernt hatte, die ſehr beruͤhmt war,

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Zitationshilfe: Kortum, Carl Arnold: Die Jobsiade. Bd. 3. Dortmund, 1799, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kortum_jobsiade03_1799/215>, abgerufen am 23.11.2024.