Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.Im Abendthau. -- "O Unschuld," rief ich aus, "O Unschuld, Unschuld," rief ich schwärmerisch Und brünstig aus -- "o bleibe, Himmelskind, "Mir ewig hold und treu! Und mögst du nie "Aus meinem Herzen schwinden! Möge nie "Dein morgenröthlich Licht in meinem Aug', "Auf meiner Wang' erblassen! -- Klaffen mag "Der Kläffer, zähnefletschen mag der Neid; "Dein Kleid bleibt weiss, dein Antlitz ewig hell!" "O Unschuld, Unschuld!" rief ich noch, und brach Die thauende Viole, fügte sie Zum stillen Maaslieb, kränzete mir Brust Und Schläfe mit der Eiche jüngstem Laub, Und ging getröstet und gekräftigt heim. Im Abendthau. — „O Unschuld,“ rief ich aus, „O Unschuld, Unschuld,“ rief ich schwärmerisch Und brünstig aus — „o bleibe, Himmelskind, „Mir ewig hold und treu! Und mögst du nie „Aus meinem Herzen schwinden! Möge nie „Dein morgenröthlich Licht in meinem Aug', „Auf meiner Wang' erblassen! — Klaffen mag „Der Kläffer, zähnefletschen mag der Neid; „Dein Kleid bleibt weiſs, dein Antlitz ewig hell!“ „O Unschuld, Unschuld!“ rief ich noch, und brach Die thauende Viole, fügte sie Zum stillen Maaslieb, kränzete mir Brust Und Schläfe mit der Eiche jüngstem Laub, Und ging getröstet und gekräftigt heim. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="9"> <pb facs="#f0138" n="98"/> <l>Im Abendthau. — „O Unschuld,“ rief ich aus,</l><lb/> <l>„O Unschuld, selig bist du. Ewig bleibt</l><lb/> <l>„Dein Antlitz leuchtend, ewig rein dein Kleid!</l><lb/> <l>„Nicht zu beflecken durch des Leumunds Schmutz,</l><lb/> <l>„Nicht zu versehren durch der Kläffer Lug.“</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>„O Unschuld, Unschuld,“ rief ich schwärmerisch</l><lb/> <l>Und brünstig aus — „o bleibe, Himmelskind,</l><lb/> <l>„Mir ewig hold und treu! Und mögst du nie</l><lb/> <l>„Aus meinem Herzen schwinden! Möge nie</l><lb/> <l>„Dein morgenröthlich Licht in meinem Aug',</l><lb/> <l>„Auf meiner Wang' erblassen! — Klaffen mag</l><lb/> <l>„Der Kläffer, zähnefletschen mag der Neid;</l><lb/> <l>„Dein Kleid bleibt weiſs, dein Antlitz ewig hell!“</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>„O Unschuld, Unschuld!“ rief ich noch, und</l><lb/> <l>brach</l><lb/> <l>Die thauende Viole, fügte sie</l><lb/> <l>Zum stillen Maaslieb, kränzete mir Brust</l><lb/> <l>Und Schläfe mit der Eiche jüngstem Laub,</l><lb/> <l>Und ging getröstet und gekräftigt heim.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [98/0138]
Im Abendthau. — „O Unschuld,“ rief ich aus,
„O Unschuld, selig bist du. Ewig bleibt
„Dein Antlitz leuchtend, ewig rein dein Kleid!
„Nicht zu beflecken durch des Leumunds Schmutz,
„Nicht zu versehren durch der Kläffer Lug.“
„O Unschuld, Unschuld,“ rief ich schwärmerisch
Und brünstig aus — „o bleibe, Himmelskind,
„Mir ewig hold und treu! Und mögst du nie
„Aus meinem Herzen schwinden! Möge nie
„Dein morgenröthlich Licht in meinem Aug',
„Auf meiner Wang' erblassen! — Klaffen mag
„Der Kläffer, zähnefletschen mag der Neid;
„Dein Kleid bleibt weiſs, dein Antlitz ewig hell!“
„O Unschuld, Unschuld!“ rief ich noch, und
brach
Die thauende Viole, fügte sie
Zum stillen Maaslieb, kränzete mir Brust
Und Schläfe mit der Eiche jüngstem Laub,
Und ging getröstet und gekräftigt heim.
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